Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

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Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom » 29.04.2021 19:37

ai19 hat geschrieben:
29.04.2021 16:01
Mit der UV-Beständigkeit habe ich noch nicht getestet, aber da ich inzwischen eine gewisse Anzahl von Tinten angesammelt habe, werde ich möglicherweise ein Südfenster-Lichtbeständigkeitstest starten, bei dem ich befürchte, dass da die EG-Tinten suboptimal abschneiden werden.
Bei hoher Lichtexposition sind die Nanopigmente eine Klasse für sich, das hat Cepasaccus deutlich gezeigt.
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Thomas

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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von ai19 » 29.04.2021 19:57

Was Nanopigmente angeht, ist meine subjektive Meinung, dass Sailor da die beste Arbeit geleistet hat.

Und zwar sind die Kiwaguro, Seiboku und Souboku farblich den Tinten Black, Blue und Blue Black aus der Standardlinie nachempfunden (natürlich nicht identisch).

Wie EG-Tinten bluten und federn sie nicht; sogar auf 60g-Papier kann man mit denen schreiben, ohne dass die Tinte durchschlägt.

Sie sind nicht so extrem anspruchsvoll, was die Füllerkappen angeht - ich habe die Kiwaguro und Seiboku in Lamy Studios, ohne dass es Anschreibeprobleme gibt - das kenne ich von EG-Tinten, der MB Blue Permanent, der Platinum Carbon Ink und R&K Dokumentus aber ganz anders, die sehr empfindlich sind, wenn die Kappen nicht absolut dicht schließen (was ich den Steckkappen des Lamy Studio nicht unbedingt bescheinigen würde, wenigstens nicht im Vergleich zu Platinum #3776-Kappen) - der Lamy Aion mit Carbon Ink trocknete schon innerhalb eines Tages aus.

Und doch mag ich das charakteristische grau-blau, das EG-Tinten wie Salix, Platinum Blue Black oder 4001 erzeugen, oder das Tiefblau der Diamine Registrar's Ink oder der Nachtblau von Thom sehr gerne, und ich kritzele jeden Tag ein wenig mit diesen schönen Tinten herum. :)

Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom » 29.04.2021 21:11

Was hat es denn mit der Platinum Blue Black auf sich, bist Du sicher, dass die Eisengallus ist?

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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von ai19 » 30.04.2021 7:07

Zumindest oxidiert die Platinum Blue Black, d.h. sie wird grau-blau, und Wasser- und Tintenkillertests ergeben den EG-typischen grauen Rückstand. Verhält sich also genau wie eine typische EG-Tinte.

Vielleicht gibt es ja noch andere Tintenarten, die sich exakt so verhalten wie EG-Tinten, aber keine sind.

Ganz früher war sie wohl hart dosiert wie Deine Nachtblau, sie soll wohl richtig schwarz geworden sein. Inzwischen ist sie vom EG-Gehalt vergleichbar mit der 4001. Sehr füllerfreundlich, habe keine Probleme damit. Sie kommt super klar mit schlechtem Papier, kaum Durchbluten.

Es ist einfach eine überragend gute Alltagstinte mit überragend guten Eigenschaften. Mit überragend gut meine ich überragend gut. Mit einem satt laufenden Füller wird ein sehr prächtiges Dunkelblau daraus, wenn sie oxidiert ist.

Eigentlich mag ich sie von allen am liebsten, weil sie ein Königsblau mit EG ist. Aber sie ist in Deutschland etwas umständlich zu bekommen und die Händler wollen ja auch leben. Man muss frühzeitig bestellen - die Japaner liefern zügig, aber die Sendungen hängen stets ziemlich lange im Zoll fest.

Viele Grüße,
Arda

Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom » 30.04.2021 15:57

Arda, danke! Wenn die Dir zusagt, dann schaue Dir auch mal die Platinum Classic Ink an. Ich selbst bin ja nicht so ein Fan bunter EG-Tinten und hatte mich mal dbzgl. geäußert
Thom hat geschrieben:
26.11.2018 15:51
Da ist nichts schiefgelaufen. Die ist nicht schwarz, o.ä, weil sie grün sein soll. Die wollen halt partout bunte Eisengallustinten. Das ist wie ein Besäufnis mit Eierlikör, da bricht man vorher am Cholesterin zusammen.
:)

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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von ai19 » 01.05.2021 12:13

Die Platinum Classic Inks kenne ich; mein Schreibwarenhändler meines Vertrauens hat die sogar im Sortiment, und spaßeshalber habe ich mir einmal die "Cassis" gekauft.

Ich muss allerdings sagen, dass ich auch nicht unbedingt ein Fan bunter EG-Tinten bin.

Die Blue Black mag ich so gerne, weil jeder Füller, in dem ich sie ausprobiert habe, problemlos mit ihr klarkommt, und weil sie eine königsblaue Variante mit grauem Einschlag ist.

Sie kann jedenfalls ziemlich unterschiedlich aussehen. Die Hausfüller des Typs #3776 laufen so trocken, dass die PtBB eher wie ein eisblau aussieht. Am Anfang dachte ich, "Blue Black" wäre eine richtige Verarsche, weil ich die Tinte zuerst im Platinum ausprobiert habe und nur so ein helles Graublau dabei herauskam. Aber für Tintensparer sind die meisten Platinum-Füller sicher eine gute Investition.

Wenn man eine satt laufende M205-Feder erwischt, dann sieht die Sache direkt ganz anders aus.

Im Waterman ist die Jubiläumsausgabe der Platinum Blue Black, angeblich aus dem Gletscherschmelzwasser des Mt. Fuji gebraut. :) Vielleicht sogar bei Vollmond abgefüllt. Im Pelikan ist die normale, aber ist da schon etwas länger drin, dann kommt die schon direkt dunkler aus dem Füller, weil sie dort schon fleißig vor sich hin oxidiert.

Aber man sieht, dass das Aussehen der Tinte ganz stark vom Füllfederhalter abhängt.

Im Foto bin ich einmal über das Wort "Eisengallus" mit dem Tintenkiller gegangen. Vielleicht gibt es noch andere Tinten als EG, die so ganz charakteristisch Grau aussehen wie EG?

Schönen Feiertag,
Arda
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Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom » 01.05.2021 17:31

Im einfachsten Fall würde eine Kombination aus einem schwarzen nichtkillerbaren Farbstoff und einem blauen killerbaren auch so aussehen, wie ist es denn mit der Wasserfestigkeit? Was das Gletscherwasser betrifft, wir sind hier im April vergletschert, das könnte ich vielleicht auch mal ausprobieren. :)

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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von ai19 » 01.05.2021 20:28

Wasserfestigkeit ist identisch. Es bleibt dasselbe Grau übrig; der königsblaue Farbstoff verläuft sehr leicht bei Wasserkontakt, so wie die anderen königsblauen Tinten.

Zu Fotodemonstrationszwecken war der Tintenkiller schneller und einfacher. :)

Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom » 01.05.2021 23:23

Dann kann's schon sein. Bei der Nachtblau kannst Du das "Eisen" riechen. Wenn Du mal am offenen Glas schnüffelst, dann riecht die leicht nach Tannin, das ist der Eigengeruch der Tinte. Und wenn Du etwas Tinte auf den Zeigefinger machst und die mit dem Daumen ein bisschen verschmierst, dann beginnen die Eisenionen das Hautfett zu katalysieren und nach einigen Sekunden tritt der typische "Metallgeruch" auf.

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Thomas

P.S. Ich habe hier mal so einen Uni-ball AIR micro. Eine gewisse druckabhängige Strichvarianz funktioniert, feiner Strich braucht aber ein leichtes Händchen.

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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von ai19 » 02.05.2021 9:05

Mit Kaliumhexacyanoferrat(II) müsste man die Eisenionen nachweisen können, wenn mich meine Kindheitserinnerungen an Chemie nicht täuschen, dann gibt es einen tiefblauen Niederschlag.

Ich bin mir aber nicht sicher, ob der Nachweis für Eisen-II-, Eisen-III- oder beide Ionen funktioniert. Wenn EG-Tinte an der Luft oxidiert, hieße das, dass in der Lösung Eisen-(II)-Ionen sein müssen, die dann zu Eisen-III oxidieren.

Auf der regulären Packung steht nicht viel, auf der Gletscherwasserpackung steht:
  • Iron contained in the ink gradually oxidizes and changes into black color
  • Suitable for permanent preservation as it is highly resistant to light and water
Rätsel über Rätsel... vielleicht handelt es sich ja um einen eisenhaltigen, nicht-killerbaren und wasserfesten Farbstoff, der nicht EG ist und der langsam an der Luft oxidiert. :)

Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom » 02.05.2021 16:14

Ja, https://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Blau
Aber auch bei sowas muss ich mich wieder selbst zitieren
Thom hat geschrieben:
18.02.2014 7:24
... wie sagte schon Justus v. Liebig auf die Frage eines Studenten, ob er Knallquecksilber erhalte, wenn er das und das mische: "Sie nicht mehr." ...
:)

V.G.
Thomas

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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Inun-Ea » 04.05.2021 17:15

Wow, für jemanden, der auf Eisengallustinte steht, ein sehr ergiebiger Thread! Ich muss allerdings gestehen, dass ich nicht durch alle 152 Seiten gelesen habe und hoffe daher, dass ich nicht gleich eine Frage stelle, die schon ausführlich diskutiert wurde. Generell frage ich mich schon länger, wieso es immer den Anschein hat, dass man dokumentenechte, füllertaugliche Eisengallustinten quasi neu erfinden muss. Man hat, wenn es um Eisengallustinten geht, ja immer zweierlei: Zum einen nach alten Rezepten hergestellte Eisengallustinten, wie sie im 18. & 19. Jahrhundert gewesen sein mögen, die man nicht im Füller gebrauchen kann. Zum anderen moderne Lösungen à la R&K Salix etc., die zwar etwas Eisengallus enthalten, aber, wie sich hier bei und da im Forum lesen lässt, durchaus nicht immer befriedigend sind, wenn es um Licht- und Wasserbeständigkeit geht. Meist ist der Eisengallusgehalt jedenfalls nicht groß, mitunter scheint auch unsicher, ob überhaupt noch immer welches drin ist. Nun mussten aber doch Tinten im 20. Jahrhundert auch schon dokumentenecht sein (und natürlich im Füller zu gebrauchen) und die Tinten, die mit den frühen Füllhaltern und bis in die Nachkriegszeit geschrieben wurden, waren doch für gewöhnlich Eisengallushaltig — oder nicht? Jedenfalls habe ich neulich irgendwo eine Vorschrift von 1950 o.ä. gesehen, in der ein bestimmter Prozentsatz vorgeschrieben war. Warum scheint es also, als müsse man in der Hinsicht das Rad neu erfinden? Waren für den Alltag bestimmte Füllhaltertinten auch schon im 20. Jh. bald nicht mehr licht- & wasserfest? Würde eine Flasche von Opa's alter Tinte ganz andere "Ergebnisse liefern" als die neuartigen "Nachahmungen"? Ich habe mir jedenfalls mal ein Glas von der Akkermanschen Ijzergalnoten bestellt und bin schon sehr gespannt, wo sie sich auf dem Grad zwischen Salix und Consorten und traditioneller, für Spitzender gedachter Eisengallustinte befindet :)
Grüßle, Hannes

Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom » 04.05.2021 18:05

Nein, Opa ist der Beste! ESSRI und Diamine Registrars Ink werden sich in den vergangenen 100 Jahren nicht wesentlich verändert haben, vielleicht sind sie etwas dünnflüssiger geworden. Man kann aber nicht in jedem Fall alles ganz genauso machen wie damals, sondern muss ggf. schon ein bisschen an den aktuellen toxikologischen Erkenntnisstand anpassen.

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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von ai19 » 04.05.2021 22:17

So langsam werde ich den Verdacht nicht mehr los, dass Füller ohne Ebonit-Tintenleiter und EG-Tinten nicht so richtig füreinander geschaffen worden sind.

Dann habe ich in Kritzeleien geblättert, die 2 Jahre alt und mit der Diamine geschrieben worden sind. Inzwischen ist das Methylenblau komplett weggeätzt und die Schrift nur noch dunkelgrau. :)

Ich glaube, ich habe keine älteren Salix-Aufzeichnungen in diesem Umfang. Hat einer Erfahrung damit? Wird die Salix-Schrift nach 2 Jahren auch nur noch grau?

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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von ai19 » 04.05.2021 22:39

Außerdem frage ich mich, ob man hierzulande tatsächlich keine Pigmenttinten kannte. Die mit EG-Tinte geschriebene Unabhängigkeitserklärung und die Erklärung der Grundrechte in den USA verranzen angeblich langsam und sind nur noch hellbraun, während es offenbar chinesische Manuskripte geben soll, die mit Rußtinte geschrieben worden und nach über 2000 Jahren immer noch problemlos lesbar sein sollen.

Vielleicht lag es auch an dem Papier. Vor kurzem fiel mir ein Blatt Papier in die Hände, das ich 1990 mit einem Parker-Kugelschreiber beschrieben habe.

Offenbar habe ich darauf als Teenager den Aufbau eines Datenblocks einer Diskette analysiert. Ich weiß auch noch, warum ich das gemacht habe. Ich hatte so ein Programm, ein Diskettenmonitor, das die Bytes in einem Datenblock anzeigen und praktischerweise auch die neue Prüfsumme berechnen konnte, wenn man einzelne Bytes änderte. Warum würde man einzelne Bytes ändern wollen? Nun, ich hatte so ein Basketballspiel, und mich nervte, dass die Geschwindigkeit und Treffsicherheit meiner Spieler nicht bei allen auf 99 stand. Also fand ich die Datei, in der die Spielerstärken abgelegt waren, und analysierte das Binärformat, und setzte dann alle Stärken auf 99 und gewann fortan im Computer jedes Spiel :)

Jedenfalls löst sich das Papier langsam auf, es hat am Rand Löcher mit braunem Rand, so wie ein weißer Laborkittel, der unbemerkterweise Spritzer von konzentrierter Schwefelsäure abbekommen und zwei Wochen später diese Löcher hat :)

Das wirft also die Frage auf, ob historische Handschriften von der EG-Tinte weggeätzt werden oder ob das Papier einfach schlecht war oder beides.

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