Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

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pejole
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von pejole » 04.05.2021 23:34

ai19 hat geschrieben:
04.05.2021 22:17

Ich glaube, ich habe keine älteren Salix-Aufzeichnungen in diesem Umfang. Hat einer Erfahrung damit? Wird die Salix-Schrift nach 2 Jahren auch nur noch grau?

Hier mal Salix und Scabiosa nach 6 Jahren am Nordfenster.

Grau sind die zwar nicht, sondern hellbraun .

Gruß, Martin
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Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom » 05.05.2021 0:20

ai19 hat geschrieben:
04.05.2021 22:39
Außerdem frage ich mich, ob man hierzulande tatsächlich keine Pigmenttinten kannte. Die mit EG-Tinte geschriebene Unabhängigkeitserklärung und die Erklärung der Grundrechte in den USA verranzen angeblich langsam und sind nur noch hellbraun, während es offenbar chinesische Manuskripte geben soll, die mit Rußtinte geschrieben worden und nach über 2000 Jahren immer noch problemlos lesbar sein sollen. ...
Ja, Kohlenstofftinten sind beständiger als Eisengallustinten, wenn man sie am Beschreibstoff ausreichend fixieren kann.
Beim Pergament konnte man die aber im ungünstigsten Fall einfach abwischen oder abkratzen.

V.G.
Thomas

ai19
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von ai19 » 05.05.2021 1:06

Und inhaltlich Hammer. Z.B. Logion 36, Jesus sagte: "Sorgt euch nicht vom Morgen bis zum Abend und vom Abend bis zum Morgen,
was ihr anziehen werdet!"
Ein Genie. Der Mann hat offenbar das Home Office vorausgesehen! :)

Aber wenn ich mir den aktuellen Entwicklungsstand der Nanopigmenttinten - vor allem von Sailor - anschaue, was Füllerverträglichkeit angeht und das Verhalten auf Papier (die Tinten bluten und federn fast genauso wenig wie EG-Tinten), dann glaube ich schon, dass die Schreiber früherer Zeiten so etwas gegenüber EG-Tinten bevorzugt hätten, wenn es das schon gegeben hätte.

Es ist schließlich auch kein Zufall, dass der Kugelschreiber den Füllhalter fast vollständig verdrängt hat.

In den frühen 80ern gab es noch Kulis, die schmierten und klecksten, aber das ist heute auch eine Ausnahme geworden.

Ich finde, Neil DeGrasse Tyson, der Physiker, sozusagen das amerikanische Gegenstück zu Harald Lesch, der übrigens auch ein Füller-Liebhaber ist, hat eine schöne Analogie gebracht. Das Auto hat das Pferd verdrängt, was auch kein Zufall war, und doch gibt es auch heute noch Leute, die aus Liebhaberei reiten oder gar Pferde halten.

Und so ist das mit dem Schreiben mit Füller und EG-Tinten auch.

Viele Grüße,
Arda

Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom » 05.05.2021 1:15

ai19 hat geschrieben:
05.05.2021 1:06
... dann glaube ich schon, dass die Schreiber früherer Zeiten so etwas gegenüber EG-Tinten bevorzugt hätten, wenn es das schon gegeben hätte.
Das haben die auch, das war nur noch nicht ganz so Nano. https://de.wikipedia.org/wiki/Buchmalerei

V.G.
Thomas

Inun-Ea
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Inun-Ea » 05.05.2021 10:24

Ohne dass Hauptaugenmerk von den EG-Tinten ablenken zu wollen ein kleiner Exkurs:
Die erhaltenen Antiken Texte auf Papyrus und Ton sind natürlich teils sehr viel älter als 2000 Jahre, man beachte v.a. die Papyri aus dem alten Ägypten, hier ein sehr schönes Beispiel, an die 3500 Jahre alt: (https://de.wikipedia.org/wiki/Hieratisc ... rus_v2.jpg).

Frühe Zeugnisse von Alphabetschrift in Tinte, für Europäer kulturgeschichtlich vielleicht von besonderem Interesse, finden sich z.B. auf den zahlreichen Ostraka (beschriftete Tonscherben, die als Briefe dienten, wenn Papyrus für den Anlass zu kostbar gewesen wäre) v.a. aus Ägypten (beschriftet in Aramäisch) und Israel (Althebräisch). Hier ein sehr schönes Beispiel, ungefähr 2500 Jahre alt: https://www.britishmuseum.org/collectio ... /Y_EA45035. Noch einmal rund 200 Jahre älter ist ein Ostrakon aus Mesopotamien, einer der ersten Belege für Alphabetschrift in Tinte überhaupt: https://en.wikipedia.org/wiki/Assur_ost ... tracon.jpg
In Mesopotamien, wo man zwar traditionell in Keilschrift auf Tontafeln schrieb, mindestens ab dem 8. Jh. v. Chr. aber auch schon mit Tinte in Alphabetschrift, haben sich leider angesichts des anderen Klimas Papyrus und Pergament nicht erhalten. Aus der Spätzeit der Mesopotamischen Hochkulturen der Assyrer und Babylonier ist uns daher wohl so um die Hälfte des Schriffttums verlorengegangen, trotz Rußtinte – die Papyri sind einfach verrottet, nur was in Ton geschrieben wurde, ist noch da. Als König Ashurbanipal (ca. 668-631) in Ninive seine riesige Tontafelbibilothek anlegte, wurden allerdings ganz ganz selten auch Vermerke in Tinte auf Tontafeln angebracht und auch das ist bis heute zu lesen: https://cdli.ucla.edu/dl/photo/P399067.jpg.
Grüßle, Hannes

pokpok
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von pokpok » 05.05.2021 11:39

Sehr interessant, das Ganze.
Gleichzeitig ist das ein Wink mit dem Zaunpfahl: Beim Tintentesten die Schreibfähigkeit und Haltbarkeit auf Tonscherben nicht vergessen!
Liebe Grüße von
Matthias

SpurAufPapier
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von SpurAufPapier » 05.05.2021 11:54

pokpok hat geschrieben:
05.05.2021 11:39
Gleichzeitig ist das ein Wink mit dem Zaunpfahl: Beim Tintentesten die Schreibfähigkeit und Haltbarkeit auf Tonscherben nicht vergessen!
Dummerweise sind die meisten glasiert :( .
Grüße
Vikka

Das Leben ist zu kurz für schlechte Schreibgeräte

Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom » 05.05.2021 14:11

Inun-Ea, danke! Manchmal keimt wieder Hoffnung auf, ich vermute aber, dieser Ashurbanipal war auch Sheenfreund. :)

V.G.
Thomas

Inun-Ea
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Inun-Ea » 05.05.2021 22:09

Den Witz hab ich jetzt irgendwie nicht verstanden :cry:
Ja, Kohlenstofftinten sind beständiger als Eisengallustinten, wenn man sie am Beschreibstoff ausreichend fixieren kann.
Beim Pergament konnte man die aber im ungünstigsten Fall einfach abwischen oder abkratzen.
Für wen das ungünstig war, kommt allerdings drauf an. Zu Zeiten, in denen die Materialien kostbar waren, kam es durchaus gelegen, dass man ältere Texte wieder abschaben und das Pergament neu beschreiben konnte. Für den heutigen Wissenschaftler kommt es freilich nicht so sehr gelegen, weil dadurch wichtige antike Texte irgendwelchen christlichen Lobhudeleien zum Opfer gefallen sind :x Heute kann man solche Palimpseste allerdings bisweilen wieder sichtbar machen: https://t1p.de/6ftq (*)

Damit steht man am Ende tatsächlich noch immer besser da wie bei Tintenfraß durch Eisengallus…

(* Quelle: https://hmml.org/research/palimpsest/)
Grüßle, Hannes

Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom » 05.05.2021 23:11

Ja, womöglich wischt dann noch jemand die Unabhängigkeitserklärung weg. Tintenfraß ist eine äußerst diffizile Angelegenheit, die auch von der genauen Tintenzusammensetzung abhängt. Jedenfalls wird der Bach definitiv in die Kulturgeschichte eingehen
und zwar als der Typ mit der schrottigsten EG-Tinte. :)

V.G.
Thomas

Inun-Ea
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Inun-Ea » 06.05.2021 0:27

Hauptsache bekannt, wurscht für was :D
Grüßle, Hannes

Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom » 06.05.2021 22:47

Tja, Leipzig ... :)
Wrighter hat geschrieben:
22.08.2020 12:14
Die übelste Tinte bekam er wohl aus Sachsen und mischen lassen hat er sie vom Apotheker.

https://web.archive.org/web/20040403193 ... kultur.htm
Das ist bei Bach teilweise so ausgeprägt, dass man es an den alten Schriftzügen auch sehen kann.

V.G.
Thomas

mcpotato
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von mcpotato » 17.05.2021 18:07

Thom hat geschrieben:
03.04.2021 23:51

Bleichmittelbeständig ist EG-Tinte nicht, das würde aber auch den Teppich bleichen. Cepasaccus hat mit Wasser/Ascorbinsäure das EG-Fleck wieder aus dem Gewand bekommen.
(Ich bin nicht sicher, ob ich dafür hätte einen neuen Thread starten sollen, aber meine Frage zielt auf Eisengallustinten, daher frage ich hier.)

In vielen Beiträgen wird darauf hingewiesen, dass Rückstände von Eisengallustinten mit Ascorbinsäure (auch bekannt als Vitamin C) entfernt werden können. Das funktioniert auch.

Was ich noch nicht gefunden habe, ist eine Dosierungs-/Konzentrationsempfehlung. Wieviel Gramm Ascorbinsäure auf wieviel Wasser nehmt Ihr zum Spülen von Füllfederhaltern? Ich habe das bisher Pi*Daumen gemacht, aber der kleine Chemiker in mir zuckt dabei zusammen und sagt nein-nein-nein. Knapp gesättigt, also ~3g / 10ml? Weniger? Fragen über Fragen.
Grüße

Martin.

maggutefueller
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von maggutefueller » 17.05.2021 18:49

habe vollständig gesättigte vitaminC lösung angerührt....funktioniert schlecht. aber jetz kommt ja erhellung

Crovax
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Crovax » 17.05.2021 19:03

<chemikerklugscheiss>
Ascorbinsäure ist ein Antioxidationsmittel. Beim Schreiben mit der EG wird ein gelöstes Eisensalz auf das Papier aufgebracht und dort wandeln sich die zweiwertigen Eisenionen durch den Luftsauerstoff in dreiwertige Eisenionen um, die dann eine wasserunlösliche Verbindung bilden. Ascorbinsäure kehrt diesen Vorgang um und reduziert das Eisen wieder zu seiner wasserlöslichen zweiwertigen Form.

Es ist eine mäßig starke organische Säure, d.h. die Lösung wird nicht saurer werden, wenn du mehr davon auflöst. Diese Säuren haben im Gegensatz zu den starken Säuren wie Salzsäure, Schwefelsäure etc. einen Puffereffekt, d.h. es ist immer nur eine bestimmte Menge der gelösten Säure auch als solche aktiv. Wenn durch die Reduktion Säure verbraucht wird, bildet sich aus den Ascorbinsäuremolekülen entsprechend viel aktive Säure nach.
</chemikerklugscheiss>

Stell dir einfach eine ordentliche Lösung davon her. Das Zeug löst sich gut in Wasser (333 g/l) daher kannst du bei deinen 10 ml auch die 3g reintun. Die Lösung solltest du immer frisch ansetzen, da Ascorbinsäure an der Luft langsam oxidiert wird.
gruß
stephan

Let grammar, punctuation, and spelling into your life! Even the most energetic and wonderful mess has to be turned into sentences.” ― Terry Pratchett

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