Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

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Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom »

vanni52 hat geschrieben:
09.01.2024 22:00
... Danke Dir, wieder was gelernt.🙂 ...
Siehst Du, hier in der schwarzen ist der Farbstoff vollständig fixiert. Das ist aber nur ein Bruchteil der Menge, die heute üblicherweise in Füller-EG verwendet wird.

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Thomas
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vanni52
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von vanni52 »

Mit der Montblanc Blue Black (sowie der Nachfolgerin Montblanc Midnight Bue (EG)) hat sich bei diesem Hersteller das Thema Eisengallus erledigt. Schade, eine sehr interessante Tinte, aber dank einer Probe habe ich die Gelegenheit, mich mit dieser Tinte näher zu befassen und hier die ein oder andere Frage an die EG-Experten zu stellen.

Dazu eine Schreibprobe, angefertigt und fotografiert am 22.5.22 und der Vergleich mit einem aktuellen Foto dieser Schreibprobe:

IMG_3232.jpeg
IMG_3232.jpeg (98.2 KiB) 1210 mal betrachtet
IMG_9324.jpeg
IMG_9324.jpeg (662.49 KiB) 1210 mal betrachtet

Hier fallen zwei Dinge auf, neben dem Verschwinden des blauen Hilfsfarbstoffes noch die Farbe des Eisenkomplexes, statt Dunkelgrau bzw. Schwarz ein recht helles Grau.

Zunächst zum Hilfsfarbstoff.

Die Löschbarkeit beim Tintenkillertest zeigt in Richtung Methylenblau bzw. Methylblau. Grundsätzlich stabile Farbstoffe, was man in älteren Schulheften nachvollziehen kann, meine reichen bis in die 50iger Jahre zurück.

Zu möglichen chemischen Reaktionen für den Abbau des Hilfsfarbstoffes sind hier in einigen Beiträgen bereits Hypothesen diskutiert worden, etwa Bleichmittelrückstände im Papier, eine Änderung des pH-Wertes, eine Reaktion mit anderen Inhaltsstoffen der Tinte ( z.B. Gerbsäure, Gallussäure, Schwefelsäure, …), eine Oxidation, und mit Sicherheit noch weitere Ansätze.
Besonders spannend finde ich den Hinweis auf eine Fenton-Reaktion.


Zur hellgrauen Farbe bzw. Aufhellung des Eisenkomplexes stellt sich zunächst die Frage, um welchen Komplex es hier überhaupt geht, infrage kommen Eisentannat, Eisengallat oder Mischformen.

Irgendwo habe ich gelesen, dass das Eisengallat eine stärkere Farbwirkung zeigt im Vergleich zum Eisentannat. Also schon in der Rezeptur ein überdurchschnittlich hoher Anteil des Tannates?

Hochinteressant finde ich auf jeden Fall Erklärungsansätze, die sich mit einer Zerstörung des Komplexes befassen, und die dabei auch die Rolle der Eisenionen in den Blick nehmen, etwa eine Oxidation der Gallussäure durch Fe3+.

Gallussäure entsteht bei der Tintenherstellung durch glykosidische Spaltung der Tannine unter der Einwirkung der Tannase.
Vielleicht ein dynamisches chemisches Gleichgewicht, also reversibel ?


Ne Menge Fragen, aber wo wenn nicht hier gestellt.
LG
Heinrich
Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom »

vanni52 hat geschrieben:
15.01.2024 18:53
... Zunächst zum Hilfsfarbstoff. ...
So stabil sind die löschbaren auch wieder nicht, sonst wären sie ja nicht löschbar (gehe mal mit dem Tintenkiller über meine rotfließende). Vor allem sind sie pH-empfindlich. Tannase ist ein Enzym, das vom Schimmelpilz gebildet wird, in der fertigen Tinte kommt das nur vor, wenn sie schimmelt. Eine frühzeitige Braunfärbung der Schriftzüge ohne Licht ist kein gutes Zeichen, weil es ein Hinweis auf ein Ungleichgewicht in der Tinte sein könnte. Über lange Zeiträume ist es der normale Alterungsprozess der Schriftzüge. Und im Licht können sich Gallussäureradikale bilden, die dann Tanninverbindungen radikalisch oxidieren, was den Oxidationsprozess deutlich beschleunigt. Man kennt sowas ähnliches vom angeschnittenen Apfel, nur das es da eine enzymatische Oxidation ist, aber auch eine beschleunigte. Das führt aber sowieso zur Frage, ob man überhaupt von den alten Eisengallustinten die Haltbarkeiten der Schriftzüge einfach so auf die modernen Füllertinten übertragen kann.

V.G.
Thomas
Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom »

Ich muss mal Cepasaccus' sensationellen 4-Jahre-Südfenster-Lichttest anhängen, da sieht man das. Bei 2,3 und 4 hat man bei den Kringeln die Braunfärbung im Licht, aber vor allem bei 2 die Braunfärbung ohne Licht. Die Franken-EG war einfach zu eisenlastig.

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vanni52
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von vanni52 »

Thom hat geschrieben:
15.01.2024 22:46
Ich muss mal Cepasaccus' sensationellen 4-Jahre-Südfenster-Lichttest anhängen, da sieht man das. Bei 2,3 und 4 hat man bei den Kringeln die Braunfärbung im Licht, aber vor allem bei 2 die Braunfärbung ohne Licht. Die Franken-EG war einfach zu eisenlastig.
Dieser Franken-EG begegnet man immer mal wieder bei der Lektüre hier, insbesondere, wenn man einige Jahre zurückblättert. Vielleicht habe ich da etwas überlesen, aber leider keine Hinweise zur Zusammensetzung, z.B. im Vergleich zur aktuellen Nachtblau, gefunden.
Und wenn wir schon dabei sind, bezieht sich die Bezeichnung auf die Region ?
LG
Heinrich
Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom »

vanni52 hat geschrieben:
16.01.2024 14:23
Dieser Franken-EG ...
Das war am denkwürdigen Tag der deutschen Einheit 2015, viewtopic.php?f=8&t=8142&start=585#p122071
bei der Franken-EG ging ich zu weit. Mit der Nachtblau direkt hat das wenig zu tun, das waren ganz andere Calibra,
aber wie ich immer sage, man sollte wissen, wann man aufhören muss. :)

V.G.
Thomas
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom »

P.S. Ich habe es jetzt mal am Eisen kalibriert, die Franken-EG war 87% stärker als die Nachtblau. Aber nicht 87% besser.Bild

V.G.
Thomas
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom »

Donnerwetter, ich habe mir aus aktuellem Anlasse gerade mal einen Artikel über la dégradation des manuscrits par les encres
ferrogalliques angeschaut (eigentlich ging es um die Konservierung) und bin dabei auf die Haber-Weiss-Reaktion gestoßen, das ist gewissermaßen eine Erweiterung der Fenton-Reaktion.

V.G.
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vanni52
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von vanni52 »

Thom hat geschrieben:
09.01.2024 20:08
Das EG fixiert einen geringen Teil des wasserlöslichen Hilfsfarbstoffes. Das machen alle diese Tinten, es ist bei diesen Füller-EG aber kaum der gesamte Farbstoff, dazu ist die Menge meistens zu groß.
Dazu als Beispiel die Platinum Classic Forest Black:

IMG_9397.jpeg
IMG_9397.jpeg (699.78 KiB) 732 mal betrachtet
Man sieht hier sehr schön, dass an den Stellen, an denen sich bereits etwas EG gebildet hat, im Vergleich deutlich weniger des blauen Farbstoffes nach außen transportiert wird.

Im Prinzip reagieren hier zwei Salze miteinander, das Eisensalz ( Tannat oder Gallat) mit dem Natriumsulfonat, besser bekannt als Methylblau.
Ne Idee, was da konkret passiert ?
LG
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Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom »

vanni52 hat geschrieben:
28.01.2024 15:15
... Ne Idee, was da konkret passiert ?
Wenn da wirklich etwas wasserfest reagiert, wird das auf Dauer in der Tinte meistens nichts, ich denke das Eisentannat wirkt wie ein wasserfestes Bindemittel und klebt den Farbstoff einfach fest. Apropos festkleben, ich habe keine Etiketten mehr, ab jetzt gibt's nur noch etikettenfrei, offiziell aus stilistischen Gründen. :)

V.G.
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom »

So, jetzt habe ich gerade die rotfließende zurecht gerührt. Also, es besteht kein Grund zur Panik, weil die Etiketten fehlen. Ein bisschen schwanken die Tinten aber sowieso, die letzten Nachtblau mit Etiketten sind wahrscheinlich etwas stärker, weil mehr Wasser verdunstet ist, weil ich nicht da war.

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vanni52
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von vanni52 »

Thom hat geschrieben:
28.01.2024 17:42
…ich denke das Eisentannat wirkt wie ein wasserfestes Bindemittel und klebt den Farbstoff einfach fest.
Interessant. Hier könnte ich mir eine Veresterung vorstellen, also der Sulfonsäure mit einer Hydroxylgruppe der Tanninsäure.
Muss aber nicht unbedingt eine kovalente Bindung sein, auch Wasserstoffbrücken zwischen den randständigen funktionellen Gruppen wären wohl eine mögliche Erklärung.

Ich hatte auch über eine andere Hypothese zum „Verschwinden“ des blauen Farbstoffes (Methylblau) auf dem Filterpapier nachgedacht: Das Methylblau wird an diesen Stellen zur farblosen Leukoform reduziert, allerdings fehlt mir dazu ein entsprechendes Reduktionsmittel.
LG
Heinrich
Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom »

vanni52 hat geschrieben:
29.01.2024 8:33
Interessant. Hier könnte ich mir eine Veresterung vorstellen ...
Die chemischen Reaktionen auch in der Wechselwirkung mit dem Papier sind bei diesen Tinten sicherlich nicht vollständig geklärt.
Einen Leukofarbstoff würde ich bei den alten Geschichten mit Indigokarmin auf alle Fälle erwarten, bei den aktuellen Tinten bin ich eher skeptisch. Bei Königsblautinten wird das eher passieren, das sind dann die Fälle mit verbleichender Schrift in geschlossenen Heften, das wäre aber reversibel, dazu müsste man den pH-Wert des Papieres nachträglich verringern. Die Eisengallusschrift ist auf Dauer nicht farbstabil, dazu ändern sich die EG-Schriftzüge mit der Zeit zu stark. Nichts an diesen Tinten ist wirklich beständiger als die Veränderung. :)

V.G.
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von vanni52 »

vanni52 hat geschrieben:
29.01.2024 8:33


Ich hatte auch über eine andere Hypothese zum „Verschwinden“ des blauen Farbstoffes (Methylblau) auf dem Filterpapier nachgedacht: Das Methylblau wird an diesen Stellen zur farblosen Leukoform reduziert, allerdings fehlt mir dazu ein entsprechendes Reduktionsmittel.
Meine Meinung zum fehlenden Reduktionsmittel muss ich revidieren, als Reduktionsmittel kommt die Gallussäure infrage, die dann selber zur Ellagsäure oxidiert wird.
LG
Heinrich
Thom

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Thom »

vanni52 hat geschrieben:
30.01.2024 12:35
vanni52 hat geschrieben:
29.01.2024 8:33


Ich hatte auch über eine andere Hypothese zum „Verschwinden“ des blauen Farbstoffes (Methylblau) auf dem Filterpapier nachgedacht: Das Methylblau wird an diesen Stellen zur farblosen Leukoform reduziert, allerdings fehlt mir dazu ein entsprechendes Reduktionsmittel.
Meine Meinung zum fehlenden Reduktionsmittel muss ich revidieren, als Reduktionsmittel kommt die Gallussäure infrage, die dann selber zur Ellagsäure oxidiert wird.
Möglich wäre's, ich weiß es wirklich nicht. Da sind so viele Reaktionen möglich, z.B. würde der blaue Farbstoff ohne die Sulfogruppen sofort mit der Gerbsäure reagieren. In echt sind die Farbstoffmoleküle nicht alle vollständig sulfoniert, sondern ein gewisser Anteil unvollständig. Die blaue ist deutlich problematischer zu filtern als die rote, weil nach einer gewissen Zeit der Filter dicht ist, da bildet vermutlich ein geringer Farbstoffanteil mit der Gerbsäure unlösliche Verbindungen, die ich dann rausfiltere.

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