Tintenleiter, Funktion der Lamellen

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pelikanjog
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Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von pelikanjog »

Hallo,

ich habe eine technische Frage zur Funktion der Tintenleiterlamellen und habe mit der Suchfunktion nichts gefunden.

Es ist ja bekannt, dass z.B. Pelikan - Tintenleiter früher längsgefräste und später, bis heute, quer verlaufende Lamellen haben.

1. Mich interessiert, warum die Lamellen (Pelikan) einmal quer und einmal längs angeordnet sind. Manche (Montblanc 252) sind oben auf dem feed, direkt unter der Feder, manche unten (Pelikan).

2. Kann mir jemand erklären, wozu die Lamellen nötig sind?
Ich habe geschaut und gesehen, dass der Tintenkanal auf der Oberseite des Leiters gar keine Tinte an die Lamellen führt, sondern nur bis zum Luftloch und weiter bis zur Spitze des Leiters. Gibt es da einen Kanal / ein Loch zu den Lamellen, den/das man nicht sehen kann?

3. Es gibt Tintenleiter, die keine (sichtbaren?) Lamellen haben (z.B. Montblanc Meisterstück 12). Die konnte ich (noch) nicht öffnen und schauen, ob die evtl. "innen" liegen.

Also ich kann mir keinen Reim darauf machen, bin aber überzeugt, dass es einige Foristen detailliert wissen. Die bitte ich freundlich um Erklärung.

Hansjürgen
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Edelweissine
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Edelweissine »

pelikanjog hat geschrieben: Es gibt Tintenleiter, die keine (sichtbaren?) Lamellen haben (z.B. Montblanc Meisterstück 12). Die konnte ich (noch) nicht öffnen und schauen, ob die evtl. "innen" liegen.
Der Waterman Carène ist auch so ein Kandidat, der einen "geschlossenen Tintenleiter" zu haben scheint. Und die alten Pelikanos hatten unter der Feder einen geschlossenen mit größerem Loch.
Gruß,
Heike
werner
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von werner »

pelikanjog hat geschrieben: 2. Kann mir jemand erklären, wozu die Lamellen nötig sind?
Ich habe geschaut und gesehen, dass der Tintenkanal auf der Oberseite des Leiters gar keine Tinte an die Lamellen führt, sondern nur bis zum Luftloch und weiter bis zur Spitze des Leiters. Gibt es da einen Kanal / ein Loch zu den Lamellen, den/das man nicht sehen kann?
Hallo Hansjürgen,

über die Lamellen fließt Tinte aus dem Tank zur Federspitze und Luft wieder zurück in den Tank, damit keine Vacuum entsteht.
Soweit meine vereinfachte Erklärung. Die Lamellen sorgen auch für den eventuell notwendigen Druckausgleich.
Das ist eine zugegebener Maßen laienhafte Darstellung. Sicherlich gibt es Spezialisten, die das besser erklären können. :D


Viele Grüße
Werner
Leserlichkeit ist die Höflichkeit der Handschrift. (Friedrich Dürrenmatt)
VolkerB
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von VolkerB »

Hallo,

wichtig für den Tintenleiter sind Kapillarkräfte. Die entstehen zwischen den dünnen Schlitzen der Lamellen, wobei es relativ egal ist, in welcher Form die Schlitze sind: längs, quer, gerade, rund, alles schon dagewesen. Im Wesentlichen entscheidend für die Form sind sind Fertigungstechnik und Ästhetik.

Der Trick liegt darin, gleichzeitig Tinte aus dem Reservoir hinaus- und Luft hineinzulassen, obwohl beides ganz unterschiedliche Fließeigenschaften hat. Wenn es blubbert wie eine Wasserflasche, kriegt man Tintenkleckse auf dem Papier. Im Tintenleiter gibt es Kanäle für beides, die Lamellen puffern dabei.

L. E. Waterman hat einen Tintenleiter erfunden, in dem ein paar Rillen auf dem Boden der Tinte erlauben, quasi unter der Luft hindurch herauszulaufen, während oben größere Luftblasen fließen. Alles andere hat sich von da aus entwickelt. Wenn man vom Kanal des Tintenleiters aus Lamellen abzweigen läßt, wird die Oberfläche vergrößert und es kann mehr Tinte gepuffert werden. Je schmaler die Kanäle, desto größer sind die Kapillarkräfte. Mit Spritzgußverfahren kann man in der Regel engere Lamellen herstellen als die aus dem vollen Ebonit gesägten Lamellen, die z. B. die frühen Pelikane hatten.

Der Puffer hält dann Tinte bereit, wenn man plötzlich einen Geistesblitz hat und ganz schnell losschreibt, gleichzeitig fängt er dabei Druckschwankungen auf, wenn sich aus dem Kanal eine Luftblase löst und in den Tank strömt. Außerdem kann er Druckschwankungen ausgleichen, wenn der kalte Füller sich in der Hand langsam aufwärmt und die Luft im Tank auf die Tinte darunter drückt (ganz viel Luft in einem fast leeren Eyedropper soll auch heute noch gelegentlich problematisch sein).

Denk daran, ein Füller ist ein kontrolliertes Leck. Im Ruhezustand halten die Kapillarkräfte die Tinte im Füller, beim Schreiben auf dem Papier ziehen sie die Tinte hinaus. Der Tintenleiter und die Feder kontrollieren die Kapillarkräfte.

Gruß,
Volker
VolkerB
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von VolkerB »

Hallo,

noch ein paar Worte zu Lage, Form und Aussehen der Lamellen.

Die meisten Tintenleiter haben Lamellen, die im Wesentlichen im Inneren des Griffstücks sitzen. Meistens gehen sie unter der Feder noch ein wenig ins Freie, aber bei den üblichen Lamy-Tintenleitern ist das z. B. auch nicht der Fall.

Auch der Lamy 2000 mit seiner teilverdeckten Feder hat den Tintenleiter komplett im Inneren des Griffstücks, genau wie der Urvater aller verdeckten Federn, der "Parker 51". Dadurch haben Tintenleiter und Feder weniger freie Oberfläche, die Tinte trocknet weniger schnell ein und man kann auch schneller trocknende Tinte nehmen, ohne daß man Probleme mit dem Anschreiben bekommt. Zumindest teilweise haben da aber auch ästhetische Aspekte mitgespielt, in den 50er und 60er Jahren waren verdeckte Federn ja schwer in Mode.

Für die Pelikan-Patronenfüller und den P1 hat Kovács den 'Thermic-Regler' entwickelt. Wenn ich es richtig verstehe, besteht der aus 3 ineinandergesteckten, etwas konischen Plastikröhrchen, zwischen denen sich Spalten bilden, wobei die Breite der Spalten sich in Längsrichtung ändert, und die über Löcher in den Röhrchen miteinander kommunizieren. Vorteil dabei ist vermutlich, daß man die 3 Teile im Spritzgußverfahren leicht herstellen und dann auch leicht montieren kann. In der Form völlig anders als der klassische Kamm, Funktion gleich.

Letztlich sind das alles andere Ansätze, die auf dem gleichen physikalischen Prinzip beruhen. Dadurch, daß ein großer Teil der Füllerhersteller mittlerweile Tintenleiter vom gleichen Hersteller verwendet (Schmidt), sehen sie auch alle gleich aus. Der Entwicklungsaufwand dahinter und das notwendige spezialisierte Fachwissen für so ein kleines Teil ist gewaltig und die Großserienproduktion im Spritzgußverfahren macht ein erhebliches Einsparpotential aus. Bei Federn sieht das ähnlich aus. Die meisten Hersteller kaufen daher Feder und Tintenleiter von außen zu und kümmern sich um den Rest, der offensichtlicher individuell ist. Nur wenige Hersteller machen so etwas noch selbst.

Viele Grüße,
Volker
VolkerB
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von VolkerB »

Edelweissine hat geschrieben:Und die alten Pelikanos hatten unter der Feder einen geschlossenen mit größerem Loch.
Hier kann man oben auf der Seite eine Zeichnung des alten Thermic-Reglers mit dem Loch vorne sehen. In den 3 Querschnitten unten auf dem Bild sieht man, wie die Kapillaren von vorn nach hinten schmaler werden. Das Loch vorn dient wohl der Montage (mit Gewinde) und der Luftzufuhr.

Viele Grüße,
Volker
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Pelle13
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Pelle13 »

Hallo Volker,

ganz herzlichen Dank für Deine genauen, ausführlichen und verständlichen Erklärungen. :D

Liebe Grüße,
Dagmar
Freude am Schauen und Begreifen ist die schönste Gabe der Natur. (Albert Einstein)
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pelikanjog
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von pelikanjog »

Hallo Volker,

prima!, vielen Dank für die Erklärung und den Hinweis auf die Penexchabge-Seite, die ich noch gar nicht entdeckt hatte.

Ich brauche noch etwas, bis ich die Details wirklich verstehe und nachvollziehen kann. Denn ich sehe gar keine Verbindung
zwischen Tintenkanal und Lamellen. Aber es muss ja so sein.
Ich werde nochmals einen Tintenleister (von Pelikan) untersuchen.
Klar ist jedenfalls, dass es ein nicht ganz simpler Vorgang ist, der da während des Schreibens stattfindet.

Hansjürgen
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pelikanjog
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von pelikanjog »

Hallo Volker,

ich habe mir die Schnittzeichnung in Penexchange ausgedruckt und analysiert. Es ist offensichtlich ein Modell einer nicht freiliegenden, sondern teilverdeckten Feder (Modell Montblanc, Parker usw.).

Nun bin ich kein Ingenieur, für den Zeichnungen so sprechend sind wie Worte. Die schraffierten Teile sind wohl die Materialteile, die weiß gelassenen die Luft, bzw. Tintenkanäle.
Es ist klar, dass wir hier einen Tintenleiter gezeichnet vorliegen haben, der keine Lamellen hat, sondern das Luft / Tinten Problem durch Kanäle und Kapillarkräfte regelt - kompliziert und genial. Die Luftzufuhr regelt den Tintenfluss und umgekehrt.

Soweit ok, auch wenn ich die Details nicht in letzter Präzision nachvollziehen kann und muss.

Bei den freiliegenden Lamellen jedoch frage ich mich noch immer: Sie sind nicht tintenfeucht. Ich sehe - auch bei ausgebautem Feed - keine Kapillar-Möglichkeiten zwischen Tintenkanal und Lamelle, bzw. umgekehrt.

Kennst du vielleicht auch eine Zeichnung eines Tintenleiters einer frei "liegenden" Feder mit Lamellen?

Ich will nicht nerven, sondern - wenn möglich - nur verstehen. Wenn du mir dabei weiter helfen kannst und willst - toll und Danke, wenn nicht, ist das schade, aber für mich auch ok.

Hansjürgen
Thom

Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Thom »

Den Geha-Synchro-Tintenleiter kannst Du Dir ja hier mal anschauen.
Bei den Ebonitgeschichten ist es häufig Druckausgleich über die Lamellen.

Bild
(Quelle: http://cdn2.spiegel.de/images/image-611 ... 611125.jpg )

V.G.
Thomas
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pelikanjog
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von pelikanjog »

O la la, Thomas,

vielen Dank, das ist anschaulich!

Ich werde es genau studieren und am Tintenleiter anschauend prüfen. Das scheint ein Geha - Reservetank Tintenleiter zu sein. Ich habe Geha Füller mit Reservetank. Übrigens hat Geha ja später bekanntlich Pelikan gehört.

Herzlichen Dank, damit ist meine Frage erledigt.

Hansjürgen
Thom

Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Thom »

Hansjürgen, keine Ursache! Beim Druckausgleich bei Ebonittintenleitern strömt die Luft durch die Schlitze in den Tintenkanal und entlang in den Tintentank, während die Tinte rausfließt. Wenn einzelne Schlitze da keine Verbindung zu einem Kanal herstellen (auch nicht bei abgehobener flexibler Feder), dann haben die keine Funktion, sehen allerdings sportlich aus. :)
Thom

Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Thom »

Ich will mal noch das Kunstwerk vom Tardif zum Ahab anhängen, da kann Hansjürgen mal sehen, wie der Tintenfluß über den Druckausgleich gesteuert wird (weshalb ich auch bei der Rosenfeder einen zusätzlichen Luftkanal verwendet hatte).
Ahab3.jpg
Ahab3.jpg (388.38 KiB) 6289 mal betrachtet
V.G.
Thomas
Thom

Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Thom »

Und zum Vergleich der Tintenleiter vom Blackbird (Feder mit Luftloch). Das ist vor allem mal ein Tintenkanal,
da passt ein ganzer ArtPen rein. :)
Dateianhänge
Blackbird.JPG
Blackbird.JPG (366.42 KiB) 6211 mal betrachtet
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stift
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von stift »

Stimmt alles aber so wie bei Waterman ist nur ein Beispiel, hat es keine Lamellen gegeben so auch bei vielen andern Füllern wie bei Hebelfüller usw.
Da hat jeder seine eigene Technik angewandt,egal hat trotzdem funktioniert zur Freude unserer .
Ich habe auch schon oft Tintenleiter getauscht oder ersetzt und hat auch immer funktioniert.
Grüße Harald
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