54th Massachusetts

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HeKe2
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54th Massachusetts

Beitrag von HeKe2 » 23.03.2018 9:37

Guten Morgen,

Hier nun der dritte von geplanten vier Berichten:
Dass ich diese Tinte gekauft habe, ist allein meiner Neugier geschuldet. Die Noodler’s Tinten haben ja offenbar etwa genauso viele Fans wie Personen, die sie absolut nicht mögen. Sei es aufgrund der Eigenschaften der Tinte(n), sei es aufgrund der politischen Ansichten des Eigentümers der Firma Nathan Tardif.
Wie dem auch sei, ich besitze drei Tinten aus seiner Produktion und keine von Ihnen hat mich wirklich überzeugt. Apache Sunset schmiert in Flexfüllern durch den dicken Tintenauftrag derart, dass sie unverdünnt nicht brauchbar ist. Die Tinte trocknet sozusagen nie. Baystate Blue schlägt durch das Papier und franst sehr heftig aus, selbst auf Papieren mittlerer Qualität (Rössler). Bleibt also die letzte der drei Tinten, die 54th Massachusetts. Wie schon gesagt: Auch mit der werde ich mich nicht anfreunden. Aber nun zu der Tinte:

Tinte: Noodler’s 54th Massachusetts, 3oz (ca. 90ml)
Preis: 17,90 €
Händler: Luiban, Berlin
Farbe: Blau-Schwarz
Ausbluten: ja, aber nur bei sehr sattem Auftrag der Tinte auf billigstem Papier (siehe Vergleich mit Scabiosa).
Schattierung: So gut wie gar nicht.
Durchdrücken: Leicht, je schlechter das Papier, umso deutlicher.
Verschmieren: Nein, die Tinte reagiert mit dem Papier.
Tintenfluss: Heftig, fast zu gut.
Trocknungszeit: Sehr schnell. Je nach Papier zwischen 1 sek. und 10 sek.
Wasserfestigkeit: Absolut!
Chemikalien: Bulletproof! Kaum Reaktion auf 12,5% Natriumhypochlorid-Lösung

So weit, so gut - das klingt schon mal ganz gut, wenn da nicht die kleinen Probleme der Tinte wären. Es sind im Grunde die gleichen, wie sie Florian (ExLibris) für „Noodler’s Preußischblau Wasserfest“ und Andreas (Andi36) für den „Eisernen Kanzler“ festgestellt haben. Lediglich in zwei Punkten gibt es Unterschiede:
1.) Die Farbe ist eine andere
2.) Die Tinte ist absolut wasserfest, verliert also auch nicht an Farbe.

Was für Probleme gibt es:
1.) Mir gefällt die Farbe nicht, ich finde sie langweilig. Sie wirkt auch etwas stumpf, weil die Tinte in das Papier einzieht. Die Farbe entspricht mehr der Farbe auf den Fotos.
2.) Die Tinte schreibt nicht randscharf, sondern eher randunscharf. Auf Papieren, die auch nur ein bisschen saugfähig sind, wird der Tintenstrich breiter, als die Feder ist. (siehe Punkt 6)
3.) Die Tinte fließt extrem gut. In schlecht schreibenden Füllern sicher ein Vorteil, in besser schreibenden Füllern tropft sie teilweise bei der kleinsten schnellen Bewegung aus der Feder.
4.) Nib-Creeping! Das Foto ist noch die harmlose Variante am Italix Parson’s Essential. Bei meinem Lindauer-Füller war die ganze Feder innerhalb von 5 min. dunkelblau nur beim Liegenlassen des Füllers.
5.) Mit kaschiertem Papier funktioniert diese Tinte teilweise nicht. Sie ist auf die Reaktion mit der Zellulose angewiesen und trocknet ohne diese Reaktion nicht vernünftig. Dann lässt sie sich auch wieder herunterwaschen.
6.) Löschpapiereffekt! Die Strichbreite hängt von der Schreibgeschwindigkeit ab. Je saugfähiger das Papier, desto stärker der Effekt. Siehe auf dem Scan der Vergleich mit der R+K Scabiosa. Der Füller wurde dabei am Startpunkt des Striches bewusst 3 sek. gehalten.

Alle gemachten Bemerkungen gelten für die unverdünnten Tinten. Verdünnen dieser Tinten wird vielfach als Heilmittel für die genannten Probleme empfohlen. Ich habe es ausprobiert und einfach mal 20% Wasser zugesetzt. Geändert hat das aber im Grunde gar nichts, was auch schon interessant ist.

Eingesetztes Material:
Einfaches Kopierpapier 80g/m2
Oxford Optik Paper 90g/m2
Clairefontaine Veloute 90g/m2 (Farbvergleich)
Italix Parson’s Essential amber, Stahlfeder (Cursive Italic) 1,3mm

Fazit:
Auch wenn die Tinte nicht dokumentenecht entsprechend der Norm ist, sie ist kaum vom Papier wieder herunter zu bekommen, wenn die Tinte mit dem Papier reagiert hat (sie Scan nasses Blatt). Selbst recht aggressive Bleichchemikalien können der Tinte nichts anhaben. Wer eine solche Tinte braucht, der kann diese versuchen, muss dann aber auch mit den genannten Nachteilen leben. Ich persönlich werden das Fass/Glas, das wie bei Noodler üblich randvoll war, aufbrauchen, die Tinte aber nicht wiederkaufen.


Hermann


P.S.: Den doch recht breit schreibenden Füller habe ich verwendet, weil ich die edleren Füller von Pelikan und Diplomat dafür nicht verwenden wollte, die durchsichtigen Füller aus naheliegenden Gründen auch nicht und meine Vorliebe für nass schreibende Füller sich mit dieser viel zu gut fließenden Tinte als nur wenig kompatibel erwies. Ich muss allerdings sagen, dass meine Angst die durchsichtigen Füller betreffend, bisher noch keine Bestätigung gefunden hat. Alle Konverter lassen sich bisher perfekt reinigen.
Dateianhänge
Noodler1.jpg
Auf Kopierpapier.
Noodler1.jpg (388.72 KiB) 4990 mal betrachtet
Noodler2.jpg
Auf Oxford Optik Paper.
Noodler2.jpg (368.84 KiB) 4990 mal betrachtet
Noodler4.jpg
Foto zur Beurteilung der Tintenfarbe. Nib Creep auf Feder.
Noodler4.jpg (396.92 KiB) 4990 mal betrachtet
Noodler5.jpg
Wassertest. Ganze Blatt unter den Wasserhahn und feucht gescannt.
Noodler5.jpg (382.91 KiB) 4990 mal betrachtet
Noodler5.jpg
Wassertest. Das ganze Blatt unter den Wasserhahn und feucht gescannt.
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Beste Grüße
Hermann

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HeKe2
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Re: 54th Massachusetts

Beitrag von HeKe2 » 23.03.2018 11:20

Irgendwie gabe es Schwierigkeiten mit dem Hochladen der Bilder. Ich reiche Sie auf diesem Weg nach.
Dateianhänge
Noodler6.jpg
Test mit verdünnter Tinte (20% Wasser) und mit Natriumhypochloridlösung 12,5%.
Noodler6.jpg (385.74 KiB) 4954 mal betrachtet
Noodler3.jpg
Nib creeping
Noodler3.jpg (373.84 KiB) 4954 mal betrachtet
Beste Grüße
Hermann

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NicolausPiscator
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Re: 54th Massachusetts

Beitrag von NicolausPiscator » 23.03.2018 12:14

Ah! Blauschwarz ist für mich immer interessant! Deshalb danke auch hier für Deinen ausführlichen Test. Irgendwie scheint mir die Farbe aber für meine Begriffe zu petrolig, oder ist das nur ein petroliges Gefühl, das ich beim Betrachten habe?

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HeKe2
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Re: 54th Massachusetts

Beitrag von HeKe2 » 23.03.2018 13:00

Nein, Dein Eindruck ist richtig. Mir fiel nur das richtige Wort dafür nicht ein. Dieser Hang in Richtung Petrol ist es unter Anderem, warum mir persönlich der Farbton nicht so gut gefällt.
Beste Grüße
Hermann

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Re: 54th Massachusetts

Beitrag von NicolausPiscator » 23.03.2018 14:03

Irgendwie habe ich den Eindruck, dass Nathan Tardiff aber gerade diesen Farb-touch gerne mag.

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Re: 54th Massachusetts

Beitrag von Mesonus » 23.03.2018 14:54

NicolausPiscator hat geschrieben:
23.03.2018 14:03
Irgendwie habe ich den Eindruck, dass Nathan Tardiff aber gerade diesen Farb-touch gerne mag.
Da ist er nicht alleine, ich mag generell Tinten ganz gerne, die einen leichten Hang zu Schwarz haben und Petrol im besonderen.
Was mich eher davon abhält, die Tinte auf meine Wunschliste zu setzen, ist die Aussage 'trocknet nicht auf glattem Papier', wenn ich das richtig verstanden habe. Nichts ist schlimmer als Tinte, die vermeintlich trocken ist und zum Teil nach Stunden noch schmiert. Hatte da so ein paar Erlebnisse, eins davon hat mich ein teures Hemd gekostet... :(

Gruß Jan
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Re: 54th Massachusetts

Beitrag von Christof » 23.03.2018 20:19

Ja, der Petroleinschlag ist mir auch aufgefallen, erinnert mich an das schwarzblau von Parker.
Ich mag diese Farbtöne auch sehr, aber bei Noodlers bin ich sehr vorsichtig.

Eine Frage hätte ich noch:
Hat die Tinte so wie einige von Nathan auch einen chemischen Geruch?

Christof

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Re: 54th Massachusetts

Beitrag von HeKe2 » 23.03.2018 20:39

Wie gesagt, Petrol ist ein Farbton, den ich eher nicht mag. Das gilt auch für die ganzen Türkistöne. Insofern mag man meine Einstufung der Tinte relativieren.

Was das "glatte Papier" angeht, ging es mir wirklich mehr um Beschichtungen auf dem Papier, welche die Saugfähigkeit soweit herabsetzen, dass die Tinte eben nicht mehr derart stark in das Papier einziehen kann. Sie liegt dann oben auf dem Papier, wirkt deutlich dunkler und blauer, trocknet zwar, ist aber weder wisch- noch wasserfest.

Zum Geruch: Ich habe gerade noch mal ein Näschen genommen und die Tinte riecht tatsächlich eigentümlich aber nicht giftig. Der Geruch erinnert mich an feuchten Beton oder so eine aushärtende Kinderknete. Baystate Blue riecht ähnlich aber schwächer. Apache Sunset hat vom Grundton her den gleichen Geruch, darüber schwebt aber etwas deutlich marzipanartiges. Mehr fällt mir zum Thema Geruch nicht ein. Nennen wir die 54th einfach Flüssigbeton, das trifft es für mich irgendwie. Mögen andere das anders empfinden, ich bekomme es nicht besser hin.

Hermann
Beste Grüße
Hermann

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Re: 54th Massachusetts

Beitrag von Killerturnschuh » 23.03.2018 21:22

Ganz lieben Dank für deine Mühe, Hermann

diese Besprechung lässt absolut keine Wünsche offen, und vermittelt einen guten Eindruck dieser Tinte.
Vorweg ich mag weder Noodler's noch gehört Blau-Schwarz zu meinen bevorzugten Tintenfarben.
Bist du ihr tatsächlich mit Chemie zu Leibe gerückt? 8)
Salve

Angi

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HeKe2
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Re: 54th Massachusetts

Beitrag von HeKe2 » 23.03.2018 22:50

Killerturnschuh hat geschrieben:
23.03.2018 21:22
Bist du ihr tatsächlich mit Chemie zu Leibe gerückt? 8)
Berufskrankheit. Wenn man die Möglichkeit hat, macht man solche Dinge. :wink:
Beste Grüße
Hermann

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HeKe2
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Re: 54th Massachusetts

Beitrag von HeKe2 » 25.03.2018 17:57

Noch ein kleiner Nachtrag:
Ich habe mir mal andere Reviews auf fountainpennetwork.com zu dieser Tinte angesehen. Bei einigen könnte man meinen, die reden von einer völlig anderen Tinte. So groß sind die Abweichungen bei keiner der anderen von mir betrachteten Tinten. Sind die verschiedenen Chargen von Noodler's Tinten wirklich so unterschiedlich? Einige der Onlinehändler in den USA weisen ja darauf hin, dass diese Tinten handgemacht seien und es zu Abweichungen bei Farbe, Fließverhalten usw. kommen kann. Hat jemand hierzu Erfahrungen?
Beste Grüße
Hermann

Ex Libris
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Re: 54th Massachusetts

Beitrag von Ex Libris » 10.04.2018 22:28

Hallo Hermann,

vielen Dank für diese Vorstellung.

Da Du ja auf meine Vorstellung der Preußischblau verwiesen hast – die nun auch schon wieder eine ganze Weile zurückliegt: Wenn ich mir die Bilder so ansehe, dann scheint sich diese 54th Massachusetts genauso zu verhalten, wie meine damals. Ich verwende meinen Rest auch nicht mehr, da mich dieser stumpfe Farbton und die ewige Verwischbarkeit irgendwann derart genervt haben, dass sie seit Jahren bei mir im Schrank steht. (Was nicht heißt, dass ich nicht einige Farbtöne aus der ›Standardreihe‹, also wasserlöslich, nicht sehr schätze; besonders meine Cactus Fruit.)

Auch wenn ich wiederum zu denjenigen gehöre, die einen Schuss Petrol in blauschwarzer Tinte sehr mag, gefiele mir dieser Farbton hier auch nicht besonders gut.

Ob die Farbvarianz an unterschiedlichen Chargen liegt, kann ich nicht beurteilen. Aber wie sehr das Geschriebene variiert, je nachdem welchen Füller, welche Federbreite, welches Papier (und auch, wie lange eine Tinte sich schon im Füller befindet) man verwendet hat, kann es schon sein, dass sehr unterschiedliche Ergebnisse mit derselben Tinte erzeugt werden. Womöglich handelt es sich hier um eine, die solche Varianten regelrecht produziert.

Viele Grüße,
Florian

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