Die gute alte Zeit

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werner
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Die gute alte Zeit

Beitrag von werner » 16.06.2010 20:43

Hallo zusammen,

auch die Randthemen unseres Hobbys haben interessante Aspekte. Hier einmal Beispiele von ausdrucksvoll gestalteten "Alltagsdokumenten" als ein gepflegter Schreibstil noch tägliche Praxis war. Alte Briefe oder Postkarten zeigen sehr oft eine sorgsam geschriebene Empfängeradresse. Die Schrift sagt sicherlich auch etwas aus über den Charakter des Schreibers und man bekommt noch einen Eindruck vom Menschen hinter den Zeilen. Die Beispiele sind auf Grund des Datums mit Sicherheit noch nicht mit dem Füllfederhalter geschrieben, aber auf Flexibilität der Federn wurde schon zu damaliger Zeit sehr großer Wert gelegt, wie man sieht. Geben wir uns, wenn wir einen Brief schreiben von Privat zu Privat ebensolche Mühe, um den Empfänger zu zeigen dass man ihn schätzt?

Ich will hier keine Diskussion vom Zaun brechen, sondern nur etwas für das Auge zur Verfügung stellen.

Viele Grüße
Werner
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tangentialkraft
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Re: Die gute alte Zeit

Beitrag von tangentialkraft » 17.06.2010 8:16

mit welcher Feder ist das dann geschrieben?
Ja, klar, ne Flex, aber so eine von Soenneken zum eintauchen oder eine andere?

werner
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Re: Die gute alte Zeit

Beitrag von werner » 17.06.2010 9:31

Hallo,

die Briefe stammen aus den Jahren 1865, 1885 und 1843. Nachdem die Firmengründung von Friedrich Soennecken auf das Jahr 1875 zurückgeht und Soennecken die ersten von ihm verkauften Stahlfedern in England fertigen lies, dürften hier keine "Soennecken-Feder" in Frage kommen. Ich tippe einmal auf Federn aus englischer Herstellung, wo in den 1840er Jahren die Massenproduktion von Stahlfedern ihren Ursprung hatte.

Viele Grüße
Werner
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Petrus
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Re: Die gute alte Zeit

Beitrag von Petrus » 17.06.2010 13:15

Hallo, Werner,

wirklich wunderschöne Beispiele. Herzlichen Dank dafür! Ich bin nicht sicher, ob wir heute noch mit solchen Federn etwas anfangen könnten. Wer hätte noch eine so ruhige Hand beim Schreiben? Früher lernte man in der Schule sehr ausgiebig Schönschreiben über Monate und Jahre. Das war sicher nicht immer lustig, aber führte später mitunter zu solchen Resultaten. Heutzutage gibt es anderes und sicher auch nicht weniger in der Schule zu lernen. Wollen wir also die alten Zeiten zurück haben? Vermutlich nicht. Aber dennoch stimmt es einen ein bisschen melancholisch, wenn man sieht, dass da ein Stück Alltagskultur verloren gegangen ist.

Viele Grüße

Peter

Thomas Baier
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Re: Die gute alte Zeit

Beitrag von Thomas Baier » 17.06.2010 20:31

Ja, das gefällt mir auch sehr.

http://www.brause-kalligraphie.com/plum ... hp?lang=de

Natürlich kann man für kleines Geld auch heute noch mit Federhaltern experimentieren. Sehr interessant.

Viele Grüße
Thomas

P. S.: vielen Dank, Werner, für die schönen Bilder

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Re: Die gute alte Zeit

Beitrag von G-H-L » 18.06.2010 13:58

Petrus hat geschrieben: Wollen wir also die alten Zeiten zurück haben? Vermutlich nicht. Aber dennoch stimmt es einen ein bisschen melancholisch, wenn man sieht, dass da ein Stück Alltagskultur verloren gegangen ist.
Doch, es ist genau das, was ich mir zurück wünschen würde. Es ist ja auch ein Grund, warum wir noch mit Füller schreiben. Die eigene Handschrift wird mit Füller besser, harmonischer und besser zu lesen.

Für all das ist in unserer heutigen Zeit kein Platz mehr. Die Hektik, der Stress, alles muß schnell gehen. Sogar der Urlaub wird minutiös geplant. Doch ich würde mir diese alten Zeiten wieder zurück wünschen. Zumindest in Teilen.

Gruß
Gerhard
Gruß
Gerhard

Nein, das ist keine unleserliche Handschrift!
Der Text ist nur analog verschlüsselt! :)

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stift
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Re: Die gute alte Zeit

Beitrag von stift » 20.06.2010 20:20

Hallo
Die guten alten Zeiten waren nur gut für die Reichen bzw. die Geld hatten.
Für das arbeitende Volk nicht.
Abgesehn jetzt davon bewundere ich die Schrift von damals.
Ich habe zwei Bibeln aus den Jahr 1749/1758 und ein Gebetsbuch aus dem Jahr 1779.
In allen drei Büchern gibt es persönliche Einträge des Besitzers/in.
Die Schrift ist einfach ein Traum die diese Leute hatten,aber wieviele Hiebe
hat es da damals auf die Finger gegeben bis es soweit war.
Habt ihr darüber auch nachgedacht das die Zeiten in der Schule sehr hart waren,mit heute kein Vergleich.
Mir wurde viel erzählt wie es in der Schule war so um 1900 und wie arm die Menschen waren.Mein Großvater war Jahrgang 1897 und hatte eine fürchterliche Kindheit.

Nebenbei habe ich mir vor zwei Wochen Federn und alte Federhalter zugelegt,aber puhhhhhhh ist nicht leicht damit zu Schreiben,den wir sind ja gewöhnt das die Tinte immer läuft in unsern Haltern.
mlG
Harald
#Non, je ne regrette rien#

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Tenryu
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Re: Die gute alte Zeit

Beitrag von Tenryu » 20.06.2010 21:13

Anscheinend haben die Prügel aber geholfen: Die Kinder lernten anständig schreiben und haben in ihrer Freizeit keine alten Leute abgestochen... Das einzige, was mich wirklich graust, ist die Tatsache, daß man eines Tages unsere Zeit als "die gute alte Zeit" bezeichnen wird...

pelikaniac
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Re: Die gute alte Zeit

Beitrag von pelikaniac » 21.06.2010 5:36

Tenryu hat geschrieben:Anscheinend haben die Prügel aber geholfen: Die Kinder lernten anständig schreiben und haben in ihrer Freizeit keine alten Leute abgestochen... Das einzige, was mich wirklich graust, ist die Tatsache, daß man eines Tages unsere Zeit als "die gute alte Zeit" bezeichnen wird...
Hallo,
doch auch damals haben "Kinder" alte Leute abgestochen! Es war blos nicht so publik wie heute, lest z.B. mal den alten Grimmelshausen. Es gab z.B. auch in Winnenden schonmal einen Wahnsinnigen in der "guten" alten Zeit. Es gab mindestens alle dreißig Jahre einen großen Krieg. Aber die 10% der Bevölkerung die schreiben konnten die hatten eine schöne Schrift...
Nee, dann lieber krakeln aber Friede, lieber fernsehen aber Achtstundentag, lieber "Bild" aber in fremde Länder reisen usw.
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Petrus
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Re: Die gute alte Zeit

Beitrag von Petrus » 21.06.2010 8:52

Hallo, zusammen,

wir kommen vom Schönschreiben zur allgemeinen Kulturkritik, wie mir scheint oder einfach zum Kulturpessimismus. Ich frage mich, was Leute meinen, wenn sie von "früher" oder den "alten Zeiten" sprechen. Wenn mein Vater einen Satz sagte wie "Früher hätte es das nicht gegeben", wollte ich gern wissen, ob er damit seine Jugend meinte (Abitur 1939), die Zeit kurz danach oder welche sonst. In unserem Thread erscheinen bislang als "alte Zeiten" das mittlere oder späte 19. Jahrhundert (Enstehungszeit von Werners schönen Briefen), das mittlere 18. Jahrhundert und die Zeit des 30jährigen Krieges. Ja, "früher" ist ein dehnbarer Begriff, und das macht solch eine Diskussion ziemlich vage.
Als wir in einem Seminar vor einger Zeit über bestimmte soziale Entwicklungen diskutierten, begann eine Studentin einen Satz mit den Worten: "Zu meiner Zeit..." Ich unterbrach Sie und fragte, wie alt sie denn sei. Sie war 20 Jahre alt. Wann denn "ihre Zeit" gewesen sei, wollte ich wissen. Und dann wurde ich fast pathetisch: " Jetzt ist Ihre Zeit, diese Jahre, die Sie gerade durchleben!" In fünfzig Jahren könne sie ja noch einmal mit solch einem Satz anfangen, wenn Sie an die Zeit zurückdenken, in der sie zwanzig Jahre alt war.
Aber jeder, der mal Schüler war, weiß natürlich, dass schon gleich mit der Klasse unter einem mehr oder weniger alles den Bach runter geht und nicht mehr so ist, wie man es selbst erlebt hat. Da heißt dann "früher" einfach "letztes Jahr".

Viele Grüße

Peter
Zuletzt geändert von Petrus am 26.08.2010 12:12, insgesamt 2-mal geändert.

werner
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Re: Die gute alte Zeit

Beitrag von werner » 21.06.2010 17:56

werner hat geschrieben: Ich will hier keine Diskussion vom Zaun brechen, sondern nur etwas für das Auge zur Verfügung stellen.
Hallo zusammen,

nach der versöhnlichen Betrachtung über die "gute alte Zeit" von Peter melde ich mich auch noch einmal zu Wort. Wie bereits oben zum Schluss meines ursprünglichen Postings mit den schönen alten Briefen geschrieben, liegt es mir fern weiter Kulturkritik zu üben. Die Beispiele waren von mir ausschließlich der schönen Schrift wegen zur Schau gestellt worden.

Wie hat doch so schön, eine bekannte Fernsehmoderatorin immer ihre Sendung abgeschlossen: Alles wir gut .....

Viele Grüße
Werner
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Re: Die gute alte Zeit

Beitrag von pelikaniac » 21.06.2010 20:37

Ja Werner,
genau das habe ich gemeint: Alles ist gut!
Gute Nacht Euch allen!
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Re: Die gute alte Zeit

Beitrag von pejole » 25.08.2010 0:58

Hallo,

interessant ist in dem ersten Briefkopf: hier wurde das Wort - Herrn - in Kurrent geschrieben und der Name und die Stadt dann wieder in lateinischer Schrift, habe noch alte Notarurkunden von meinem Urgroßvater und dort ist diese Art zu schreiben auch zu sehen, die ganze Urkunde in Kurrent und Namen und Ortsangaben in lateinischen Buch.

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Re: Die gute alte Zeit

Beitrag von G-H-L » 28.08.2010 14:57

Hallo,

ich stelle mir grad die Frage, ob da nicht vielleicht auch die Post heutzutage Probleme hätte Briefe die so beschriftet sind zuzustellen? Nachdem ja alles automatisiert ist, kann ich gar nicht glauben, daß die Automaten das entziffern können. Na und neuzeitliche Praktikanten dürften damit auch so ihre Probleme haben.

Gruß
Gerhard
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Re: Die gute alte Zeit

Beitrag von Tenryu » 28.08.2010 21:07

Heutzutage fliegen schon Briefe in den Müll oder gehen an den Absender zurück, wenn die Postzleitzahl nicht stimmt. :roll:

Allerdings sind diese alten Schriften schon recht schwer zu entziffern, wenn man keine Übung darin hat. Selbst wenn man (wie ich) sie noch gelernt hat.

Ja, zu meiner Zeit gab es im Gymnasium noch im ersten Jahr ein Fach "Schreiben". Da sollte die individuelle Handschrift ausgebildet und gefestigt werden und man lernte auch das Gestalten mit Schrift, Zierschrifte, sowie u.a. auch die alte deutsche Schreibschrift. (Oder war es die Sütterlin? Irgendwo in den Tiefen meines Privatarchives müßte ich noch die Schulhefte von damals besitzen....)

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