Lieber Zuio,
wenn es tatsächlich eine wirklich flexible Feder mit Linienvarianz sein soll, dann reicht Dein Budget maximal für einen gebrauchten Füller. Natürlich gibt es einige Pseudoflexer, z. B. von Noodlers, aber das ist nicht das, was "unsere" Handschrift braucht. Diese Federn sind relativ rigide und müssen mit deutlichem Druck zum flexen gebracht werden. Auch haben die meisten wohl Probleme mit dem Tinfluß, Railroading, etc.... Von daher als Alltagsschreiber sicherlich völlig ungeeignet. Das sind Schreiber für leute mit viel Geduld, die eben ein wenig Kalligraphie betreiben wollen und vor der Tauchfeder zurückschrecken.
Dein Satz, dass Dein Markierungsstift besser schreibt, als mancher Füller könnte auch von mir sein.

Ja, ich habe sehr lange mit dem Füller auf Kriegsfuss gestanden und ihn meine ganze Schulzeit hindurch gehasst. Angefixt wurde ich erst viel, viel später, durch einen historischen Kaweco, ein Erbstück, von meinem Großonkel. Ein Kolbenfüller, mit einer elsatischen Goldfeder. So etwas hatte ich noch nie gesehen und die Schreibeigenschaften machten mich regelrecht sprachlos. Die Feder war so weich, dass sie jede geringste Druckveränderung mit Linienvarianz beantwortete und zum ersten mal in meinem Leben gefiehl mir meine Handschrift. Na ja, das Ding war uralt, völlig eingetrocknet, der Kolben fest und undicht – kurz und gut, ich hab das Ding in völliger Unkenntnis einfach ruiniert. Seit dem war ich auf der Suche nach DER Feder und habe zunächst jede menge alte Füller gekauft. Alles was so ähnlich aussah, wie der vom Großonkel. Doch leider sahen die meist nicht nur so aus, sondern waren auch in einem ähnlichen Zustand. Hinzukam, dass die wenigsten flexible Federn hatten und kam ich zunächst auf die Tauchfedern- Mit denen habe ich dann erst mal das "flexen" richtig geübt und irgendwie hat sich dadurch auch meine Handschrift etwas verbessert. Dann ging die Suche nach einem richtigen Füller weiter. Inzwischen hatte ich neuere Modelle und auch Hochwertigere erstanden, war aber mit keinem so wirklich zufrieden. Dann passierte das Ereignis mit dem Pelikan 120, von dem ich Dir berichtet hatte und ich orientierte mich ein wenig in Richtung Stubfedern. Du erinnerst Dich, das sind die flach geschliffenen Federn, die früher Bandzugfedern hießen und heute meist als Schönschreibfüller verkauft werden. Mit diesen bekommt man eine schöne Linienvarianz hin, zumal mir die etwas breiteren Federn, durch meine Plakatschriftausbildung recht gut lagen. Tja und dann kam die Beschäftigung mit den Hintergrundinfos dazu, das Forum hier, usw. Für die vielen Infos, Antworten und Unterstützung, die ich hier gefunden habe, an dieser Stelle auch mal ganz herzlichen Dank. Ich hab mir dann auch irgendwann Vorlagen für Erstklässler runter geladen und wieder die Basics der guten, alten Schreibschrift geübt und irgendwann besserte sich meine Schrift tatsächlich so weit, dass ich mit manchen Federn richtig schön schreiben konnte. Je dicker und größer, um so besser. Irgebndwann habe ich dann auch einige Füller mit Semiflexiblen Federn ersteigert, die alten Geha-Schulfüller haben meist recht ordenliche und auch einige alte Pelikane mit semiflexiblen Goldfedern, sowie einen alten Montblanc habe ich inzwischen. Doch all diese Füller erforderten große Aufmerksamkeit beim Schreiben und richtig schön wirkte die Schrift meist auch erst, wenn sie für meinen Geschmack viel zu groß wurde. Für kurze Sätze oder Grußkarten wirklich schön, für längere Fließtexte aber leider völlig ungeeignet. Und dann machte ich irgendwann die Entdeckung, dass es diese ganz billigen Chinafüller (den ersten kaufte ich tatsächlich für 1,99, incl. Versand aus China) gibt und dass ich mit diesen modernen Federn tatsächlich halbwegs schreiben konnte, obwohl sie überhaupt nicht flexen, sondern eher rigide sind. Und je mehr ich damit schrieb, veränderte sich meine Schrift irgendwie und ich konnte mit der Zeit auch mit anderen Füllern schreiben, mit denen mir das vorher noch nciht so möglich war. trotzdem liegen mir die Standardfedern der "normalen" Füller bis heute ncioht wirklich. Der einzige, moderne Füller, mit dem ich mitlerweile wirklich schön und angenehm schreiben kann, ist mein Lamy 2000 mit EF Feder. Der passt übrigens in Dein Preisbudget, flext allerdings nicht wirklich. Letztes Jahr habe ich mir dann einen Traum erfüllt und hier im Forum einen Watermann Füller mit Fullflexfeder aus den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erstanden. Diese Feder ist einfach nur traumhaft und die Schrift damit ebenfalls genial. Den nahezu 100 Jahre alten Füller jedoch zum Alltagsfüller zu degradieren und in gar bei diesen Temperaturen im Auto mitzuführen geht meiner Ansicht nach gar nicht. Der hat seinen Platz auf dem Schreibtisch und ist inzwischen für besondere Texte reserviert, da er mir einfach wirklich wertvoll und die Feder doch durch ihre Flexibilität doch etwas empfindlich ist. Der nächste Traum wird hoffentlich am Montag wahr, so DHL Wort hält und ausliefert. denn ich habe mir von einem Mitforisten einen Montblanc Meisterstück 149 Calligraphy gekaut. Den durfte ich bei Schimpf schon einmal Probe schreiben und es war die erste Feder, die an die historischen Vorlagen herabnkam, dabei aber doch recht robust wirkt und eben in einem neuen, dazu noch sehr edlen Füller steckt. Das wird dann vermutlich mein Lieblingsfüller werden, aber sicherlich auch nicht für Unterwegs.
Tja und um nun auf Deine Anforderungen zurück zu kommen... Eine wirklich flexible Feder in einem neuen Füller wirst Du in Deinem Preisbudget nicht finden. Ergo bleiben Dir zwei Möglichkeiten. Entweder Du suchst Dir nach einem historischen Füller, den Du in Deinem Preisrahmen sicherlich finden wirst. Sofern Du aber kein Bastler bist, der solch alte Schätzchen reparieren kann, würde ich Dir dann als Bezugsquelle dies Forum hier ans Herz legen. Die Mitforisten hier haben meist wirklich Ahnung und verkaufen Dir keinen Mist, Du musst nur sagen, was Du wirklich willst und evtl. auch etwas Geduld aufbringen. Eine weitere Alternative wäre natürlich eine Füllerbörse, bei der Du auch gebrauchte Füller vor dem Kauf Probe schreiben kannst. Sollte es jedoch ein zwingend ein neuer Füller sein, so musst Du Dich vom Gedanken der Flexfeder lösen und einfach nach einem Füller suchen, der in Deinem Preisrahmen liegt und mit dem Du gut zurechtkommst. Wie gesagt, bei mir waren das im Lowbudgetbereich die Jinhaos (wobei mir der wirklich schöne X750 eindeutig zu schwer ist) und im hochwertigen Segment der Lamy 2000. Letzteren solltest Du aber meiner Ansicht nach in einem guten Fachgeschäft kaufen und die verschiedenen Federn Probe schreiben, da es hier eben doch eine deutliche Streuung innerhalb der Serie gibt. Vielleicht liegt Dir ja auch noch ganz ein anderer udn wer weiß, was der Schreibwarenhändler Deines Vertrauens noch so alles im Schublädchen hat, das wir vieleicht noch gar nicht kennen.
Du schriebst, bei Dir gibt es lokal nur Schulfüller? In welcher Ecke unserer Republik wohnst Du denn? Vielleicht kann ja jemand hier doch ein gutes Geschäft in Deiner Nähe empfehlen oder Du machst mal einen Ausflug und schaust Dir z. B. Tübingen an. Ich weiß ja nicht, wie weit das für Dich ist, aber da man in Coronazeiten eh nicht so ins Ausländ fährt, wäre das ja mal ein Ziel für eine Städtereise. In München hab ich bei Manufactum eine schöne Auswahl von Kawecofüllern gesehen, die könntest Dir vielleiocht auch mal anschauen. Wie gesagt, es liegt halt auch an Deinem Wohnort, was da eventuell in Frage kommt.
Was die Federn von Diplomat, Cleo, Waldmann, TWSB in Bezug auf Deine Anforderungen und F / EF Feder anbelangt, kann ich da nicht wirklich was dazu sagen. Ich weiß nur, dass Waldmann seine Federn, wie übrigens viele nahmhafte Hersteller, von Bock bezieht und eher für seine aufwändig gearbeiteten Silberfüller bekannt ist. Kaweco verbaut übrigens auch Bockfedern und da hab ich schon einige Probe geschrieben und die gefiehlen mir recht gut. Wobei sie in F und EF gerne mal kratzen, was man aber durch Test vor dem Kauf oder durch leichtes Nacharbeiten, nach dem Kauf, wieder in den Griff bekommen kann. Zu den anderen Marken können Dir sicherlich die Mitforisten das eine oder andere sagen.
So und nun noch Deine Frage, mit was man eine Feder bearbeiten kann. Kurz gesagt, mit allem was härter ist, als das Material der Feder. Für größere Arbeiten kann man z. B. einen Schleifstein, wie man ihn auch zum Schärfen von hochwertigen Küchenmessern verwendet nehmen. Viele schwören auf Micromesh, ein besonderes Schleifpapier, das es auch in Körnungen, bis zu 12000 gibt. Ich persönlich habe damals zum Kürzen der Pelikanfeder einfach mangels Alternative eine Diamantnagelfeile verwendet. Für Feinarbeiten oder zum Polieren eigenen sich übrigens auch handelsübliche Polierfeilen aus dem Drogeriemarkt. Die gibt es in verschiedenen Körnungen und die Feinsten davon bekommen sogar eine Spiegelpolitur auf die Feder, bzw. sind so fein, dass man eine kratzende Feder meist durch ein paaar Schreibzüge auf solch einer Polierfeile beruhigen kann, ohne am Schliff der Feder wirklich was u verändern oder gar zu zerstören. Mit einem Füller für mehrere hundert Euro würde ich mich das sicherlich nicht trauen, aber bei Alltagsfüllern ist das nachpolieren gar kein Problem und bei günstigen Chinafüllern oder gar defekten Federn habe ich da inzwischen überhaupt keine Skrupel mehr, bei Bedarf auch wirklich die komplette Feder zu verändern und z. B. von Kugelkorn auf Italic umzuschleifen oder was immer eben nötig ist.
Viel Erfokg bei Deiner Suche
Ralf