
Der einsame Hebel hier ist schon so ein kleiner Vorbote darauf, dass es sich heute wieder einmal um einen älteren Füller dreht. Dank der Kuhle kann man ihn auch besser bedienen als so manch anderen Hebelfüller, den ich hier habe.
Aber: zu jedem Ende gehört auch das Gegenstück

Nein, das ist nicht unsere Weihnachtsbaumspitze, sondern eine ziemlich rigide F-M Feder, die noch dazu eine kleine, völlig beabsichtigte Krümmung kurz hinter der Spitze aufweist. Wie man auch schon ahnen kann, besitzt die Feder nicht nur ein, sondern gleich zwei Löcher.

So wie es viele der Füller aus seiner Zeit hatten, ist das obere ein Herzloch - passend zum Fest der Liebe? Das untere wurde nach den Erfahrungen der ersten Produktionsmonate hinzugefügt, um den Tintenfluss zu verbessern, was auch eine erfolgreiche Maßnahme war.
Wie man sieht, ist die Feder allerdings keine normale freiliegende, offene Feder, sondern umschlossen von Edelstahl.

Nein, das ist kein "W" für "Weihnachten"...
Der obere Abschluss ist gerundet und eingelegt. In der Tat war dies die erste eingelegte Feder (inlaid nib) der Füllergeschichte und einer der ersten Füller, der etwas anderes hatte als die normale offene Feder.

Bei einer so schönen Feder kann man ja nur ooh sagen...
Denn es ist - manche werden ihn schon erkannt haben:

Ein Moore Fingertip
Intern lief er unter der Nummer 96-B, wobei die Nummern bei Moore die Größe der Füller angeben (96 ist die höchste Nummer) und B die entsprechenden Modellfolge. Produziert wurde er in der Zeit von 1946 bis 1951 und war das letzte Modell, bevor die Firma bankrott ging. Der Füller wurde mit enorm großem finanziellem Aufwand hergestellt, fand nicht den gewünschten Absatz - dann gab es nur noch ein Modell, einen billigen Messingfüller, und die Firma ging 1956 in Konkurs. Der Fingertip sollte der große Rettungswurf werden und mit dem Parker 51 konkurrieren, was er aber aus unterschiedlichen Gründen nicht geschafft hat. Er wurde nur in kleiner Stückzahl produziert; es gab einige unterschiedliche Farben (Lustre Black, Eiderdown White, Stardust Blue, Sunset Red,Vintage Wine,Woodsman Green), aber auch die noch selteneren gestreifte Modelle (Autumn Pearl, Seaspray Pearl).
Dennoch gibt es von ihm nur noch wenige Exemplare - und die Exemplare, die es gibt, sind oftmals nicht mehr wirklich funktionstüchtig. Er ist unglaublich schwer zu reparieren, so dass Richard Binder (ich denke, viele kennen diesen Reparatur"papst" noch) einmal sagte, dass es sein Alptraum sei, ihn zu zerlegen und er sich nach Möglichkeit weigere, an ihm zu arbeiten - weil er eben recht leicht auseinanderbreche. Trotzdem ist er für mich, wenn ich ihn dabei habe, ein treuer Begleiter mit einem vorzüglichen Schreibverhalten und einer trotz des vielen Metalls überraschend ausgewogenen Balance.

Da nicht nur die Feder, sondern auch der Tintenleiter komplett versenkt ist, ergibt dies von der Seite her betrachtet, ein hübsches Erscheinungsbild, das bisweilen mit einer Patrone verglichen wird, manchmal mit einer Rakete, bisweilen auch mit einem Delphin.
Die besondere Feder hatte allerdings einen gravierenden Nachteil - was wohl für den fehlenden kommerziellen Erfolg als auch für den letztlichen Bankrott der Firma verantwortlich war: der Spalt im Griffstück zwischen den beiden Metallen war nicht versiegelt, was bei ungeschickter Handhaltung dazu führte, dass der Kapillareffekt die Tinte nicht nur zur Federspitze, sondern eben auch zur Seite hin austreten ließ. Mit dem Ergebnis, dass man gerne farbige Finger bekam. Dies führte im Amerikanischen zu einigen spöttischen Wortspielen.
Allerdings habe ich bei meinem Modell noch nie tintige "Fingertips" bekommen und auch der Tintenfluss ist gut. Ganz im Gegenteil: für mich ist er ein sehr zuverlässiges und vertrautes Schreibwerkzeug geworden.

Passend zum Bild der Rakete oder Patrone führen über die Kappe mehrere Ringe, die immer schwächer werden, fast so wie sich ausbreitende Schallwellen.
Da mein Exemplar noch eine Schraubkappe hat, muss es wohl ein frühes Exemplar sein, da man später aus Kostenersparnis nur noch Steckkappen verwendet hat.
Noch einmal im Gesamtbild:

Zum Abschluss noch eine Werbung für den Moore Fingertip Vintage Wine:

von: https://munsonpens.wordpress.com
Die Patente:
http://www.google.com/patents/USD140695
http://www.google.com/patents/USD140696
http://www.google.com/patents/US2432112