Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

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Christian Mücke
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Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von Christian Mücke »

Beständigkeit ist auch für mich ein wichtiges Element von persönlichem Stil. So grenzt sich Stil (als Ausdruck der Persönlichkeit) auch von Mode ab. Jemand, der sich stets nach der neuesten Mode reckt, hat in meinen Augen keinen definierbaren Stil.
Jemand mit (eigenem) Stil hat es nicht nötig, mit dem MB-Füller zu wedeln. Er hat ihn für sich gekauft, da er seine Wertigkeit und die Freude des schönen Schreibens schätzt, und definiert sich nicht über den Gegenstand.
Was für mich darüber hinaus wichtig ist, ist Authentizität. Die erwächst aber wiederum aus Beständigkeit und Individualität.
Saarländerin
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Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von Saarländerin »

Nun ist "mein" Fred tatsächlich bereits auf Seite 2 angelangt - daran hab ich beim Einstellen nicht geglaubt.
Es ist wohl alles gesagt (geschrieben) und eine gemeinsame Definition von "Stil" - ausschließlich in Bezug auf unsere Passion für schöne Schreibgeräte - wird kaum gelingen.
Vielleicht aber eine "Näherungslösung" :wink:
Denn noch knabbere ich an folgenden Fragen aus meinem Eingangsbeitrag:
Saarländerin hat geschrieben:Oder gehört auch das zum FH passende Umfeld (Aufbewahrungsmäppchen, hochwertiges Notizbuch/Planer, Papier...) unabdingbar dazu?
Ich meine mit dem Umfeld nicht "mein Haus, mein Auto, mein Boot", sondern die oben genannten Dinge, das unmittelbare "Drumrum".
Saarländerin hat geschrieben:Ist „persönlicher Stil“ Freude mit (schönen) Dingen und Tätigkeiten zu haben (Schreiben mit hochwertigen FH) und auch zu demonstrieren, die andere nicht nachvollziehen können? Und wird dies umso „stilloser“, je mehr sich dafür begeistern?
Spielt nicht das Demonstrieren "Ich bin anders, offensichtlich kultivierter als Du", eine nicht zu vernachlässigende Rolle bei diesem Hobby, die das Geldausgeben für hochwertige FH leichter macht? Oder sind wir allein im stillen Kämmerlein mit unseren oftmals doch sehr teuren Schreibgeräten ebenso stolz und glücklich wie in den Augenblicken, in denen unsere Mitmenschen interessiert und manchmal bewundernd unser Tun - und die Schreibgeräte selbst - registrieren und werten?
Nachmitternächtliche Grüße von der Saarländerin Roswitha
Christian Mücke
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Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von Christian Mücke »

Hallo Roswitha,

ich hoffe doch, dass das Protzen mit Schreibgeräten nicht der Ansporn für unser Sammeln ist. Das fände ich armselig. Sicherlich freut sich bestimmt jeder von uns, wenn man über ein hübsches Schreibgerät ins Gespräch kommt. Aber es übertrieben darauf anlegen, nur um anders und besonders zu sein (oder zumindest so wahrgenommen zu werden)? Gerade das bewusste "Demonstrieren" ist für mich kein Zeichen von Stil.

Viele Grüße,
Christian
Saarländerin
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Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von Saarländerin »

Christian Mücke hat geschrieben:Hallo Roswitha,

ich hoffe doch, dass das Protzen mit Schreibgeräten nicht der Ansporn für unser Sammeln ist. Das fände ich armselig. Sicherlich freut sich bestimmt jeder von uns, wenn man über ein hübsches Schreibgerät ins Gespräch kommt. Aber es übertrieben darauf anlegen, nur um anders und besonders zu sein (oder zumindest so wahrgenommen zu werden)? Gerade das bewusste "Demonstrieren" ist für mich kein Zeichen von Stil.

Viele Grüße,
Christian
Hi Christian,
exakt das "übertrieben" demonstrieren hatte ich nicht gemeint.
Aber durchaus (selbst-)bewusst zu zeigen, dass man(n)/frau schöne Dinge schätzt, bereit ist, dafür auch Geld auszugeben, finde ich nun wiederum keineswegs "stillos".
Weiter oben hatte ich ja bereits geschrieben, dass "Protzgehabe" als wenig diskussionswürdig außen vor bleiben möge.
Vielleicht ist "Stil" (bei schönen Schreibgeräten) gerade die überzeugende "Demonstration" von Selbstbewusstsein im Gegensatz zu eben diesem Protzgehabe?
Und ich habe damit meine Antwort gefunden :D
Viele Grüße von der Saarländerin Roswitha
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Tenryu
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Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von Tenryu »

Ich bin jemand, der sich im stillen Kämmerlein über seine Schätze freut. :D
Das Protzen und Stutzen liegt mir nicht im Blut. Ich besitze nicht ein modisches Kleidungsstück. Und wenn ich Autofahrer wäre, würde ich vermutlich zwanzig Jahre lang die selbe Kiste fahren. (und das wäre kein Porsche oder Benz.)
Christian Mücke
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Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von Christian Mücke »

Zu zeigen, dass man schöne Dinge liebt, finde ich auch in Ordnung. Hinter seiner Entscheidung für den Kauf eines hochwertigen Schreibgeräts zu stehen und diese auch anderen gegenüber selbstbewusst argumentativ zu vertreten, ist auch mehr als legitim. Oftmals entwickeln sich daraus ja wunderbare Gespräche.
Allerdings ist es ein schmaler Grat. Wenn man nicht mehr in der Lage ist, eine Unterschrift mit dem Billigkuli zu leisten, den einem die Kassiererin hinlegt, weil man meint, dies verstöße gegen den persönlichen Stil, wird aus einem individuellen, selbstbewussten Stil schnell Manierismus.

Viele Grüße,
Christian
st.rochus
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Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von st.rochus »

In dem Moment, wo ich bewusst mein stilvolles Schreibgerät auspacke und meine Stilsicherheit demonstriere, ist es schon um sie geschehen!
Ich denke, ein Mensch mit Stil, ganz egal welcher Bereich, tut dies intuitiv, er lebt seinen Stil und denkt nicht immer darüber nach.
Stil hat auch etwas mit Selbstbewusstsein zu tun.
Und, wie ich auch schon geschrieben habe, mit Beständigkeit.

Gruß Elke

P.S. Natürlich freue ich mich auch, wenn jemand unsere schönen Schreibgeräte anschaut und natürlich passiert es mir auch, dass ich auf dem Amt meine eigenen Füller 'raushole und ein Papier damit unterschreibe.
Aber manchmal tut's eben auch ein Kuli mit Werbeaufdruck oder ein abgekauter Bleistift :wink:
Das Glück ist nicht in einem ewig lachenden Himmel zu suchen, sondern in ganz feinen Kleinigkeiten, aus denen wir unser Leben zurechtzimmern - Carmen Sylva
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audace
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Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von audace »

Hallo!

Das ist ja ein sehr interessanter Thread. Ich habe - zugegeben - nicht alles gelesen, eigentlich schon nach dem Eingangspost flitzten mir so viele Gedanken durch den Kopf, die ich zwar noch behalten könnte, aber auch ausformulieren müßte. Manches ist schon gesagt, zu Vielem davon ... hat man gleich wieder eine andere Meinung oder Interpretation ...

Zum Thema zunächst so viel:

Stil ist für mich Ausdruck von Individualität. Darum mache ich Stil auch nicht abhängig von Geld oder geldwerten Gegenständen bzw. Möglichkeiten. "Der Typ um die Ecke" hat für mich mitunter genau so viel Stil (im Rahmen seiner Möglichkeiten), wenn er / sie eine Art "Wiedererkennungswert aufgrund von Eigenschaften oder -arten" hat. Ich kenne einen "Typ", der hat mal gesagt, "ich mache diesen ganzen Hype um Klamotten (egal welcher Mode und Hersteller) nicht mit!" Der hatte mit nur recht wenigen Ausnahmen immer das gleiche an (was er mehrfach zur Verfügung hatte, somit also Getragenes gegen Frisches austauschbar war), nämlich

1 Levis 501
1 weißes T-Shirt
1 Jeansjacke.

Der Typ war (ist) für mich ein "Typ mit Stil". Und wenn so ein Typ (generell, nicht also nur der hier dargestellte), dann auch noch mit einem FH schreibt (oder schreiben würde), dann hätte der nicht nur Stil, sondern gleich "Klasse".

Ausschlaggebend ist in dem Zusammenhang nämlich auch, "wie der Mensch an sich dabei rüberkommt", also fällt das Ganze nicht unter die Kategorie "Kleider (und FH) machen Leute! :wink:

"stylische Grüße"
audace

PS:
Entschuldige, Saarländerin, dich mal "zu kopieren", ist 'ne spontane Ausnahme!
:wink:

Schöne Grüße, Audace

Il n'est jamais plus tard que minuit!
Libelle99
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Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von Libelle99 »

Spannendes Thema!

Meine spontaner Gedanke war, dass Stil für mich etwas mit Selbstverständlichkeit, Selbstbewußtsein, Zurückhaltung und Beiläufigkeit zu tun hat. Alles was schrill, laut und bunt ist und nach Publikum sucht ist für mich stillos. Darunter fallen für mich so ziemlich alle Statussymbole, was dazu führt, dass ich meinen Montblanc ungern in der Öffentlichkeit nutze weil ich das irgendwie peinlich finde. :oops: Stil ist für mich, was echt ist, ohne das posing das heute irgendwie dazu gehört.

Insofern tue ich mich sehr schwer mit perfekten Szenerien, in denen Füller, Accessoires, Kleidung, einfach alles Stil hat, zusammenpasst, und einen Habitus heraufbeschwört, der vollendet wirkt - das kann nicht echt sein. Das ist Schein. Und das mag ich nicht.

Für mich also doch am ehesten toller Füller + olle Jeans.
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Tenryu
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Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von Tenryu »

@ audace: Du kennst Homer Simpson? :lol: :D
Allerdings muß ich gestehen, daß ich auch die meiste Zeit so herumlaufe. :oops:
Fried
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Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von Fried »

..noch ein paar Stilblüten :)

..wenn es um's "Stilhabenwollen" geht, ist es um den Stil meist schon geschehen :) . Er definiert sich wohl nicht durch die Vorlieben für gewisse Dinge. Wenn ich empfinde, dass jemand Stil hat dann hat das meist mit Achtung und Wertschätzung zu tun. Ein "gestylter" Lackaffe (sorry) ist für mich nicht stilvoll.

Das Attribut Stil kann einem immer nur jemand Anderer zubilligen und es ist vor allem immer sehr subjektiv. Für mich ist Stil Lebenshaltung und nicht Mode. Deshalb: "Tolle Füller + olle Jeans" sind ausdrücklich KEIN Stilbruch....zumindest nicht nach meinen Vorstellungen von Menschen mit Stil..

Gruß

Gottfried
Wenn das nicht geht, versuche etwas anderes - vielleicht geht das auch nicht...
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audace
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Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von audace »

Tenryu hat geschrieben:@ audace: Du kennst Homer Simpson? :lol: :D
...
Ja, aus dem TV, aber das der 'ne Jeansjacke hat, kann ich mir gerade nicht so in den Kopf rufen ... Außerdem glaube ich aber auch, dass Homer Simpson und Levis 501 dennoch 2 Welten sind ... :P :D

Zurück zum Thema wieder hier, und um mal einen Bezug zu Schreibgeräten und einem persönlichen Stil herzustellen, das hier:
myStyle
myStyle
01_audace_tsutsuji_n3.jpg (197.96 KiB) 4282 mal betrachtet
:)


Schöne Grüße,
audace

Schöne Grüße, Audace

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meinauda
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Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von meinauda »

Hallo, das ist ja eine interessante Diskussion.

Ich finde, wenn einem etwas wichtig ist --> einen guten Schreiber zu haben, und er kann das authentisch rüber bringen, hat das Stil.
Wenn ich damit protze und angebe ist es lächerlich.
Ich hatte einen Klienten, dem waren viele alltägliche Dinge nicht mehr im Blick,
dementsprechend sah er, und es bei ihm, manchmal aus. Aber für seine behördlichen Angelegenheiten und seltene private Briefe zog er immer seinen Pelikan 200 aus der Tasche,
den er sogar immer wieder in warmen Wasser säuberte. Gute Schreibgeräte waren ihm wichtig.
Das fand ich nicht nur bemerkenswert in Bezug auf seine sonstige Außendarstellung, sondern in seinem selbstverständlichen Umgang mit dem Pelikan auch stilvoll.


Gruß
Else Marie
Saarländerin
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Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von Saarländerin »

meinauda hat geschrieben:...Ich hatte einen Klienten, dem waren viele alltägliche Dinge nicht mehr im Blick, dementsprechend sah er, und es bei ihm, manchmal aus. Aber für seine behördlichen Angelegenheiten und seltene private Briefe zog er immer seinen Pelikan 200 aus der Tasche,
den er sogar immer wieder in warmen Wasser säuberte. Gute Schreibgeräte waren ihm wichtig.
Das fand ich nicht nur bemerkenswert in Bezug auf seine sonstige Außendarstellung, sondern in seinem selbstverständlichen Umgang mit dem Pelikan auch stilvoll.
Danke, Else Marie, dafür, dass Du genau das richtig gut formuliert hast, was ich mit "persönlichem Stil" gemeint, wohl aber nicht so verständlich rüberbringen konnte.
Es ist die oftmals verblüffende Selbstverständlichkeit, mit der Gegenstände - hier Schreibgeräte - ungeachtet aller möglichen Trends und auch der persönlichen Verhältnisse schlichtweg nicht hinterfragbar genutzt werden. Da fällt mir der alte Schlager vom unvergessenen Heinz Ehrhardt ein "Fährt der liebe alte Lord fort, dann fährt er nur mit seinem Ford fort..." :D
Ich hab einen Kollegen, hoch angesehen in der Branche (und wohl auch "stinkreich"), der zwar ab und an die Automarke wechselt, niemals aber seinen oft als "altmodisch" bezeichneten Kleidungsstil und der auch in keinem Fall auf seinen "Karierten" Parker Sonnet, den er in allen erdenklichen Lebenslagen mit sich führt, verzichten würde...das ist in meinen Augen Stil (völlig ohne Protzerei). Er könnte sich die teuersten Armani-Anzüge und auch die repräsentativsten FHs problemlos leisten, macht es aber nicht, weil es einfach nicht zu ihm passt...
Vielleicht ist dies eine "Näherungslosung" zu dem Begriff "Stil" - sich selbst, dem, was man(n)/frau in Jahrzehnten als gut und richtig erfahren hat, treu bleiben ohne allerdings in wirklich wichtigen Lebensbereichen (z.B. beruflich) in Sturheit zu verfallen...?

Nachdenkliche Grüße von Roswitha
Barbara HH
Beiträge: 2026
Registriert: 12.03.2009 2:06

Re: Schöne Schreibgeräte und der "persönliche Stil"

Beitrag von Barbara HH »

Hallo alle beisammen,

ich hab diesen Faden von Beginn an interessiert mitverfolgt aber bislang nichts geschrieben, weil es mir ähnlich geht, wie Audace oben schon schrieb: es schießen mir zu diesem Thema so viele Gedanken durch den Kopf, dass ich gar nicht weiss, wo ich anfangen (und wieder aufhören!) soll. Da nun neulich in einem anderen Faden die Stildebatte sehr vergnüglich wieder aufgelebt ist und ich mich außerdem selbst immer wieder dabei ertappe, den Ausdruck "Stil" zu verwenden, traue ich mich nun doch einmal, hier auch ein paar Worte zu schreibseln.

Ich glaube nicht, dass es eine allgemeinverbindliche Definition von "Stil" gibt, vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum ich fast allen Positionen hier irgendwie zustimmen kann, auch wenn einige davon scheinbar völlig gegensätzlich sind. Ich glaube aber, man kann im Rahmen einer Begriffsklärung drei Hauptverwendungen des Stilbegriffs unterscheiden. Zum einen die individuelle Verwendung, nach der jeder mehr oder weniger seinen persönlichen Stil hat. Dann die etwas allgemeinere Verwendung, nach der es verschiedene Stilrichtungen gibt, dabei denke ich nicht nur an Biedermeier und Barock, sondern auch an sowas wie Gothic oder Girly-Style... in meiner Jugend gab's noch Punks vs. Popper :)

Und letztlich gibt's noch eine "absolute" Verwendung des Wortes "Stil", wenn man in einem emphatischen Sinne des Wortes sagt, jemand habe Stil. Es ist natürlich dieser Sinn des Wortes "Stil", der uns hier zu schaffen macht, weil er sich schwer in Worte fassen läßt und jeder etwas anderes darunter versteht.

Auch für mich hat Stil im emphatischen Sinn viel mit Manieren, Charakter, Ehrlichkeit, ethischem Verhalten, Bodenständigkeit und Bescheidenheit zu tun, britisches Understatement kommt mir dazu in den Sinn. Ein teurer Anzug oder Füllfederhalter allein reichen in meinen Augen noch lange nicht aus, damit jemand Stil hat. Wenn der Inhalt nichts taugt, dann hilft auch die teuerste Verpackung nicht mehr, und wenn Menschen teure Luxusaccessoires und Kleidung von Nobelmarken einsetzen, um zum Ausdruck zu bringen, dass sie ihrer Meinung nach etwas besseres sind, dann ist schon eher Fremdschämen angesagt.

Und auch eine gewisse Beständigkeit gehört dazu, wie Roswitha auch schon sagte - jemand, der sich ständig nach der neuesten Mode kleidet, kann sich ja gar nicht treu sein und ist damit nicht authentisch.

Neulich habe ich irgendwo gelesen, dass Bryan Ferry - für mich der Inbegriff des Stils - angeblich seit über 40 Jahren zum selben Friseur geht. Auch Die Zeit hatte anlässlich des Erscheinens seiner Olympia CD im Jahr 2010 unter dem Titel Dandy in der Komfortzone schon gewitzelt, Ferry's Scheitel hätte sich in 50 Jahren nicht geändert. (Was allerdings nicht ganz den Tatsachen entspricht, denn früher pflog der Meister seinen Scheitel links zu tragen, seit ein paar Jahren trägt er ihn rechts. Das erste buddhistische Siegel der Vergänglichkeit aller Produkte macht also auch vor Bryan Ferry's Scheitel nicht halt!)

Was ich genauso wichtig finde, wie eine gewisse Beständigkeit, ist Bescheidenheit. Jemand, der sich aufbläst und sagt "Kuckt her, wie toll und wichtig ich bin" hat keinen Stil. Auch in diesem Kontext fällt mir Bryan Ferry ein, der mich, wenn ich Interviews von ihm sehe oder lese, immer wieder mit seinem Understatement und seiner Selbstironie verblüfft. Hier z.B. ein Link auf ein Interview der Australischen Fernsehsendung Artscape:

http://www.youtube.com/watch?feature=pl ... ZVY#t=894s
Artscape: "...You take Jealous Guy away from Lennon..."
BF: "Now the really good version there is Donny Hathaway, you should hear that! Very beautifully sung, he was one of the great soul singers"
Ich finde, an solchen Reaktionen kann man sehen, ob jemand ein Gentleman ist oder nur ein "empty suit"...

Viele Grüße,

Barbara


[edit: Tippfehler korrigiert]
Zuletzt geändert von Barbara HH am 30.12.2011 0:30, insgesamt 1-mal geändert.
„Ich denke tatsächlich mit der Feder, denn mein Kopf weiß oft nichts von dem, was meine Hand schreibt.“ Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen
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