Es gibt zwei Füller, die ich seit langem haben möchte und die unerreichbar sind. Mit beiden Füllern habe ich schon geschrieben, ich hätte sie nur mit in die Ferien nehmen müssen …
Es ist eine Geschichte, die mich einige Überwindung kostet, sie zu erzählen. Hier passt die Story wohl am ehesten.
Es sind die beiden Füller meiner Großväter.
Als ich die Füller entdeckte, lebten die beiden Großväter nicht mehr. Sie hatten mit den Füllern in den Jahren vor ihrer Pensionierung geschrieben. Der eine Großvater war Ende der 50er, der andere Ende der 60er in den Ruhestand gegangen.
In der ersten Hälfte der 70er durften die Füller als betagte Veteranen gelten. Wertvoll schienen sie nicht zu sein, weder ideell, noch materiell. Meine Großmütter überließen sie mir uneingeschränkt.
Von da an schrieb ich als 13-Jähriger so ziemlich alles, was es zu schreiben gab, mit zwei Kolbenfüllern.
Die silberfarbene Feder mit den in gelbgoldener Farbe abgesetzten Streifen hatte einen Wahnsinnsflex, elastisch war sie ohne Ende. Die andere Feder, komplett in gelbgoldener Farbe gehalten, schrieb zwar härter, aber mit ein wenig Druck ließ sich eine herrliche Linienvarianz erzeugen.
Der Tintenfluss variierte ein wenig, vor allem nach dem Befüllen. Aber die in der Familie prophezeite Kleckserei blieb aus (soweit ich mich erinnere).
In der Schule dominierten moderne Gehas und Pelikanos. Zwei Experten schrieben – vielbewundert - Parker und Lamy.
Uralt sahen daneben meine Füller mit dem zigarren- und dem zylinderförmigen Korpus aus. Unterprivilegiert war ich indessen nicht, in meinem Mäppchen steckte deutlich sichtbar ein Pelikano neben der schwarzen „Zigarre“ und dem grün-schwarz gestreiften „Zylinder“.
Dann kamen die Ferien. Ich war wochenlang weg, erst mit der Familie, dann mit Verwandten. Mitgenommen hatte ich nur den Pelikano. Ich ließ mich überreden: Patronen waren praktischer als Tintenfässer („Wenn die umkippen …“). Als ich nach Hause kam, hatte sich einiges geändert. Malerisch, sozusagen. Mein Zimmer überraschte mich mit einem neuen Anstrich.
Nur die beiden Füller suchte ich vergeblich. Ich war mir sicher, sie auf meinem Tisch liegen gelassen zu haben. Außer meiner Person schien ihr Fehlen niemanden zu irritieren. Auch die sonst üblichen Mahnungen, besser Ordnung zu halten, blieben aus.
Als ich dann zu Beginn des neuen Schuljahres den sagenhaften Carrera geschenkt bekam, war ich bereit, die beiden Füller zu vergessen.
Das Vergessen dauerte etwa zehn Jahre. Seit rund 30 Jahren frage ich mich, ob die Füller das waren, was ich inzwischen vermute. Für meine Annahme sprechen die Umstände: In jenen standes-, status-, und symbolträchtigen 50er- und 60er-Jahren werden sich Bankdirektoren – und das waren meine Großväter - kaum mit tintespendenden Billig-Fakes (falls es die überhaupt gab) über ihre Unterschriftenmappen gebeugt haben …
Ich gäbe sonstwas darum, die beiden Füller wieder in meine Hände zu bekommen. Oder: Wenn ich sie doch nur in die Ferien mitgenommen hätte …
Füllerschreiber
Auf die hätte ich schon soooo lange ein Auge geworfen!
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Re: Auf die hätte ich schon soooo lange ein Auge geworfen!
O welch traurige Geschichte, dennoch: Vielen Dank dafür, Füllerschreiber.
Hast Du denn nie den Versuch gemacht, herauszufinden, welches es waren und voll Elan alles erworben, was vielleicht sehr ähnlich sein könnte? - Ich vermute, (heimlich) suchst Du genau diese...
Hast Du denn nie den Versuch gemacht, herauszufinden, welches es waren und voll Elan alles erworben, was vielleicht sehr ähnlich sein könnte? - Ich vermute, (heimlich) suchst Du genau diese...
Die Hälfte dessen, was man schreibt, ist schädlich, die andere Hälfte unnütz. - Friedrich Dürrenmatt
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Re: Auf die hätte ich schon soooo lange ein Auge geworfen!
Bist Du Hellseher? Du hast ja sowas von recht ...! Die ersten Füller, die ich oberhalb des Schulfüller-Niveaus kaufte, kamen den Vermissten schon ziemlich nah.patta hat geschrieben:O welch traurige Geschichte, dennoch: Vielen Dank dafür, Füllerschreiber.
Hast Du denn nie den Versuch gemacht, herauszufinden, welches es waren und voll Elan alles erworben, was vielleicht sehr ähnlich sein könnte? - Ich vermute, (heimlich) suchst Du genau diese...
Bei den Herstellern bin ich mir ziemlich sicher. Ich meine, die schwarze "Zigarre" hatte hinten die weiße "Gletscherspitze", ich kann mich nur nicht mehr eindeutig daran erinnern. Und bei dem anderen grün-schwarz gestreiften Korpus ist die Auswahl an Herstellern ja ohnehin äußerst übersichtlich ...
Für eine genauere Bestimmung des Modells wären die Jahre des Erwerbs interessant. Aber daran konnte sich niemand erinnern. Selbst für meine Großmütter waren Kugelschreiber state of the art, für meine Eltern sowieso ... Denen ist meine Füller-Leidenschaft bis heute suspekt.
Herzlichst
Dein
Füllerschreiber