G. Lalo Vergé de France

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Graf Wetter vom Strahl
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G. Lalo Vergé de France

Beitrag von Graf Wetter vom Strahl »

Das beste Papier, das ich bisher je unter der Füllfeder hatte, ist das G. Lalo Vergé de France. Ich hatte das Glück, daß mein Freund Volker, der als Meister des Stifts für sich einen Block zum Testen bestellt hatte und damit nicht klargekommen war, es mir zum Ausprobieren überließ - der Beginn einer Passion für dieses Schreibwerkzeug.

G. Lalo gehört zum Clairfontaine-Unternehmen, und dorther beziehe ich es auch über einen preisreduzierenden kleinen Umweg, was dazu geführt hat, daß in meinen Schubladen und in meinem Schreibtisch gegenwärtig noch ungefähr 4.500 Blatt lagern dürften. Für alle Fälle.

Denn dieser Georges Lalo ist ja schon lange nicht mehr unter uns, und ich habe schon zuviele gute Produkte über Nacht verschwinden sehen.

Der Hersteller läßt das Papier in den Niederlanden, in einem kleinen Ort bei Arnhem, Heelsum, fertigen, man kann die Papiermühle, die letzte, die in den Niederlanden noch aktiv ist, auch besuchen, allerdings helfen hier Niederländischkenntnisse doch weiter, um Zutritt zu den eigentlich nicht für Besucher vorgesehenen Räumlichkeiten gewährt zu bekommen. :mrgreen:

Als 100g-Papier hat es eine angenehme Dicke (oder "Dünne), ein nettes Wasserzeichen und eine umwerfende Haptik. Wenn man ein DinA4-Blatt zwischen den Fingern hin- und hergleiten läßt, weht einen so ein kleiner Hauch 18. Jahrhundert an, ich liebe das. Eine deutlich jüngere Freundin hat einen Brief von mir auf diesem Papier unter Glas gerahmt und an die Wand gehängt, sie meint, das sähe aus wie ein "Faksimile eines längst Verstorbenen". Tja, mit Komplimenten muß man umgehen können.

Der Begriff "vergé" bedeutet in etwa soviel wie "gerippt", er bezeichnet ursprünglich ein Trocknungsverfahren, bei dem sich die Musterung des Holzes oder, später, des Siebes auf das Papier übertrug.

http://de.wikipedia.org/wiki/Geripptes_Papier

Viele werden nun vielleicht denken: "Oha, wenn das so ist, dann kann man auf diesem Vergé-Papier ja gar nicht richtig schön glatt schreiben!", und in gewisser Hinsicht stimmt das auch heute noch, wenn man unter "schön glatt" versteht, daß selbst eine Stubfeder Spikes der Schlittschuhe benötigt, um nicht dauernd in alle Richtungen wegzurutschen.

Nein, selbstverständlich kann man auf diesem modernen Vergé-Papier hervorragend und ohne Aussetzer schreiben, sofern - und das ist die Bedingung - man ein kleeeiiiin weeenig Widerstand durch das Papir nicht scheut. Ich finde gerade das daran so faszinierend, und meine von meinem Freund Stefan crisp angeschliffenen Federn bieten mir im Verbund mit der Qualität dieses Papiers die Möglichkeit, exakt die Linienvariationen zu erzielen, die ich haben möchte. Deshalb bin ich sehr froh, dieses Papier entdeckt zu haben.

Stellt Euch eine cursive Italic vor, mit der Ihr auf aalglattem Papier nicht die Distinktion im Schriftbild erreicht, die Ihr Euch vorgestellt habt; auf diesem Papier sind dünne Striche wirklich dünn und dicke wirklich dick, die Differenzierungsfähigkeit dieses Vergé-Papiers ist für mich ungeschlagen.

Schreibbeispiele mit Rundfeder bietet dieser tolle Videobeitrag:

"https://www.youtube.com/watch?v=ifovLCoFWy0"
(zum Anklicken die Anführungszeichen nicht mitkopieren)

Ich selbst bevorzuge die Ivory-Tönung des Papiers, die Blöcke, die im Handel einzig noch erhältlich sind (lose Blätter kann man offenbar nicht mehr bestellen), haben neuerdings leider eine unschöne violette Farbe, nicht mehr das edle Dunkelbraun, das hier im Video noch zu sehen ist. Weitere Farbgebungen entnehmt Ihr bitte dem verlinkten Video. Auf eigene Schreibproben verzichte ich bewußt, weil sie nicht darstellen können, was an Information wesentlich wäre. Jegliches Bleeding jedenfalls ist mit diesem Papier Geschichte.

Im Handel habe ich das G. Lalo Vergé de France schon häufig gesehen, vermutlich haben auch etliche von Euch Erfahrungen damit gesammelt?

Gruß,

Al
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TomSch
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Re: G. Lalo Vergé de France

Beitrag von TomSch »

Tachchen!

Von Aussehen und Haptik her kann ich dir uneingeschränkt zustimmen: edel, griffig, "wertig". :!:

So far. Denn was das Schreibverhalten anbelangt, sagt mir dieses Papier überhaupt nicht zu. Dabei ist das deutliche "feedback" nicht das Problem, sondern in der Tat das Gerippte. Weder meine Franklin Christoph mit Stub-Feder, noch mein Eversharp oder meine Pelikane mit selbst-, an den Seiten eher weich geschliffenen I-Federn kommen mit diesem Papier klar. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob ich nun mit Zeit, Muße und innerer Ruhe "schön schreiben möchte" oder zügiger unterwegs bin. Das ständige Hakeln und Einfädeln raubte mir auf allen bislang beschrifteten Seiten irgendwann die gute Laune. Dies war definitiv der erste und einzige Lalo-Block, den ich mir gekauft habe. :twisted:

Wie gut, dass es viele unterschiedliche Ansichten, Eindrücke und Vorlieben gibt! Denn so, wie es aussieht, vertreten wir beiden in diesem Punkt genau entgegengesetzte. :mrgreen:

Sonnige und windige Grüße,
Thomas
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