(Kleines Geständnis: In der S-Bahn auf dem Weg zur Arbeit kritzle ich gern in mein Notizbuch, meist in sehr schräger und enger Kurrentschrift [3:1:3]. Wenn dann mal jemand drauf schielt, freue ich mich diebisch, dass garantiert so gut wie nix davon entzifferbar ist.)
HiHi
Schöne Grüße aus Havelberg, Michael
Frei von Vorurteilen ist allenfalls ein Schwachsinniger.
Genau so sehen die aus. Super blöd zu fotografieren oder rückzuvergrößern von Mikrofilmen/fiches, weil man immer tierisch aufpassen muss, dass genügend Übergang da ist. (Da fällt mir ein, die Mikrofilm-Rollen hiervon liegen noch irgendwo rum.)
Deshalb sage ich immer, passt beim Fotografieren von Zauberrollen auf, vor allem wenn's mandäische sind. Kurrentlesen habe ich auch von Mikrofilm gelernt, das war ein Schreiben aus dem Nachlasse Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg über das Durchsichtigmachen von Papier.
Ich glaube, die Mandäer sind eher unser Privatvergnügen, lieber Tom , machen wir doch lieber mit Kurrent weiter.
Sag mal, hast Du auch so schöne Beispiele für Kurrent? Mich interessieren Ligaturen und wie mit doppelten Buchstaben umgegangen wird. Den Dopplungsstrich etwa kenne ich eigentlich nur von Buchstaben wie m und n.
PS: Leider habe ich kein Foto gemacht, aber mein ehemaliger Professor hat mir neulich ein Buch aus der Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende gezeigt, gesetzt in Fraktur, wo im Titel -- ich weiß nicht mehr ob auf dem Buchdeckel oder dem Innentitel -- "Islam" mit Rund-S gesetzt wurde. Also als Konsequenz aus dem Silbenende, nehme ich an. Im Buch wechselt es dann zwischen Rund-S und Lang-S. Ist das Schlampigkeit? Ich kenne die Regel nur so, dass das S in Wortfugen oder am Ende in runder Form auftaucht. Erbitte Erleuchtung!
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PS: Leider habe ich kein Foto gemacht, aber mein ehemaliger Professor hat mir neulich ein Buch aus der Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende gezeigt, gesetzt in Fraktur, wo im Titel -- ich weiß nicht mehr ob auf dem Buchdeckel oder dem Innentitel -- "Islam" mit Rund-S gesetzt wurde. Also als Konsequenz aus dem Silbenende, nehme ich an. Im Buch wechselt es dann zwischen Rund-S und Lang-S. Ist das Schlampigkeit? Ich kenne die Regel nur so, dass das S in Wortfugen oder am Ende in runder Form auftaucht. Erbitte Erleuchtung!
Das Wort "Islam" stellt eine Ausnahme von gängigen Regeln dar und die Setzer dadurch vor Probleme.
Glückauf
Wolfgang
Die Welt ist ein großer Viehstall, der nicht so leicht wie der des Augias gereinigt werden kann, weil, während gefegt wird, die Ochsen drin bleiben und immer neuen Mist anhäufen. (Heinrich Heine)
am Schluß einer Silbe, wenn kein Wortschluß innerhalb einer Zusammensetzung aus sonst selbständigen Teilwörtern vorliegt:
Gasse, Wasser, Bissen, fassen, müssen, Zeugnisse
In Lautverbindungen (sp, st, sch):
Knospe, fast, löschen
Ausnahmen finden sich in Namen, Fremd- und seltenen Wörtern. So steht zum Beispiel in den Fremdwortvorsilben dis und des, ferner vor k, m, n, w, d das Rund-s:
Jules, ich hatte beim Studium einen Russischdozenten, der war Dolmetscher beim RGW. Von dem stammt der denkwürdige Satz:
"Deutsch hat 3000 Regeln und zu jeder 1000 Ausnahmen."
Dopplungsstrich fällt mir jetzt auch nur der Mörike ein, aber Ligaturen sind doch hier wie Sand am Meer.
Da habt Ihr ja einen mehr als interessanten Faden aufgemacht. Es ist wirklich bedauernswert, dass diese Schrift weder nach dem Krieg noch heute in der Schule vermittelt wurde rsp. wird. Trotzdem war ich z. B. als damaliger Lehrling (1959) gezwungen mich mit dieser Schrift intensiv auseinanderzusetzen. Vieles wurde eben noch handschriftlich gemacht. Von älteren Kollegen habe ich mir diese Schreibendann "übersetzen" lassen. Nach relativ kurzer Zeit war ich tatsächlich in der Lage wirklich alles zu lesen (und auch zu verstehen ).
Dabei kam es teilweise zu seltsamen Kuriositäten. Ein Wort wurde z. B. mit Kurrent begonnen und endete dann in in "Normalschrift".
Irgendwann wurden dann diese Kurrentschreiben immer weniger mit der Folge, dass ich heute größte Schwierigkeiten habe so etwas zu entziffern. Manchmal klappt es gut und dann ist wieder "hängen im Schacht".
Deshalb kaufte ich mir vor ein paar Jahren eine CD die verschiedene Fraktur- und die Kurrentschrift beinhaltete. Damit konnte ich dann manches (aber nicht alles) übersetzen.
Allerdings ist das Handling am Rechner gewöhnungsbedürftig. So wird z. B. aus sc automatisch = sch. Die anderen Tastenkominationen wie s und t = st, s und k = sk muss ich mir erst wieder zusammensuchen. Auch die Benutzung des s in der Wortmitte, am Ende oder (wie ich glaube auch) am Satzende bedarf intensiver Übung und Umstellung. Dass dann noch die automatische Rechtschreibkorrektur läuft ist nun nicht gerade hilfreich.
Ich überlege daher jetzt, ob ich nicht auch damit anfange mir die Kurrentschrift (es ist niemals zu spät ) anzueignen. Allerdings will ich es mit einem Federhalter nicht versuchen. Wenn, dann mit einem geeigneten Kolbenfüller. Mal schauen was mir da so über den Weg läuft.
Da fällt mir gerade ein. Soweit ich mich erinnern kann, ist Steno aus der Kurrentschrift sozusagen entwickelt worden.
Ich werde die (hoffentlich) weitere Diskussion zu diesem Thema mit großem Interesse verfolgen.