Eine kultivierte Handschrift?!

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Wie gut ist Ihre Handschrift, und wie zufrieden sind Sie damit?

Ich finde meine Handschrift schön bzw. schön genug und bin mit ihr zufrieden.
170
46%
Meine Handschrift ist vielleicht nicht schön oder für Dritte leicht lesbar, aber mich stört das nicht weiter - ich habe mich damit soweit abgefunden.
55
15%
Ich bin mit meiner Handschrift ziemlich unzufrieden. Irgendwann müsste ich mal was dagegen tun...
142
39%
 
Abstimmungen insgesamt: 367

G-H-L
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Eine kultivierte Handschrift.

Beitrag von G-H-L »

Hallo,

der Siegeszug des Kugelschreibers ist meiner Meinung dadurch begründet, daß dieser ganz einfach zu gebrauchen ist. Per Knopfdruck wird die Mine ausgefahren und auch wieder eingefahren.

Die Mine hält wesentlich länger als die Tinte in einem Füller. Außerdem trocknet eine Kugelschreibermine nicht so schnell ein, wie ein Füllfederhalter.

Außerdem benötigt ein Kugelschreiber auch nicht so viel Pflege und Aufmerksamkeit wie ein Füller. Er muß nicht ausgewaschen werden. Er ist relativ transportsicher.

Zu guter Letzt ist der Kugelschreiber oft genug ein Massenartikel den man zum Teil als Werbegeschenk bekommt. Wie oft wurde ich früher gefragt:" Hast du mal nen Stift?" Grund ist, weil einige Leute zu faul sind sich mit sowas abzugeben. Da kommt natürlich ein Füllfederhalter gerade recht. Denn einen Füller verleiht man nicht.

Gehört doch zu den drei Dingen mit "F" die niemals verliehen werden sollten: Frauen, Fahrzeuge und Füller :D

Außerdem haben einige Zeitgenossen die sehr nervende Angelegenheit, den Kugelschreiber einzustecken oder gar mit dem Clip zu spielen, was meist mit einem verbogenen, im besten Fall mit einem ausgeleierten Clip endet.

Erinnert mich an die Geschichte eines Bekannten. Er hatte, ist schon ein paar Jährchen her, ein Vorstellungsgespräch und mußte seinen Ausbildungsvertrag unterschreiben. Sein zukünftiger Chef reichte ihm für die Unterschrift eine Parker Rollermine. Der Bekannte zog seinen Pelikan Füller mit Foldfeder aus der Tasche und unterschrieb damit. Der Chef muß ganz schön konsterniert aus der Wäsche geschaut haben.
absia
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Beitrag von absia »

Gerade der Kugelschreiber ist meiner Meinung schuld daran, daß viele Handschriften versaut werden. (...)

Diese These wird oft formuliert - aber stimmt sie? (...)

Mit Kulis muss ich so fest drücken, das bremst.

Lars

Hallo Lars! Hallo alle!

Was gibt's da zu fragen? Du gibst doch selbst die Antwort!

Eben diese Erfahrung mache ich seit über zwei Jahrzehnten in meinem Beruf, zu dem es gehört, jungen Menschen beizubringen, wie eine ordentliche Handschrift aussieht und was der Mensch dazu braucht. Mir fällt zur Zeit kein anderer Beruf ein, in dem jemand tagtäglich mit so vielen unterschiedlichen Handschriften konfrontiert wird, wie ein "Schulmeister". Ich behaupte daher dreist, dass ein Kugelschreiber unweigerlich zu einer verkrampften Fingerhaltung führt, die verhindert, dass der Benutzer locker und frei drauflos schreiben kann! Lars sagt an dieser Stelle: "Das bremst." Die meisten Mitmenschen nehmen dieses Bremsen aber gar nicht als solches wahr, weil sie nichts anderes kennen und genau dieses Schreibgefühl für das normalste der Welt halten! Sie haben meist seit ihrer Schulzeit keinen Füller mehr in der Hand gehabt haben und erahnen nicht einmal, welche Variationsbreite das Schreibwerkzeug "Füller" ihnen eröffnen könnte, wenn sie sich darauf einließen.

Ich komme mir in meiner kleinen Berufs- und Privatwelt schon fast vor wie ein Missionar in Sachen "Füller-Renaissance" und habe da auch beachtliche Erfolge erzielen können. Ich habe ganze Klassen schon auf meine Kosten mit Füllern ausgestattet, lediglich gegen das Versprechen, diese Schreiber wenigstens in meinem Unterricht auch zu benutzen. Die meisten von diesen SchülerInnen haben seitdem nichts anderes mehr in die Hand genommen und sich weitere Füller zugelegt. Ich habe vor einigen Wochen eine ehemalige Schülerin in der Fußgängerzone getroffen, die mir als erstes freudestrahlend berichtet hat (Inzwischen promovierte Juristin!), dass sie immer noch mit meinem Füller schreibt, den ich ihr in der 11. Klasse seinerzeit geschenkt hatte, weil ich diesen Plastikmüll in den Händen meiner SchülerInnen und die von Kugelschreibern umgepflügten Heft- und Schulaufgabenseiten nicht mehr sehen konnte. Dieser alte Go! von Pelikan hat jetzt einen Ehrenplatz auf ihrem Schreibtisch! Guckt euch mal eine Seite Papier an, die einem Kugelschreiber beidseitig unter den Pflug gekommen ist, dann wisst ihr, was Lars mit "so fest drücken" meint!

Viele Menschen, die täglich viel Handschriftliches von sich geben müssen, sind's nämlich leid, ständig diesen Plastikschrott a la BIC und Konsorten in die Hand nehmen zu müssen. Sie haben echte Alternativen aber nie kennen gelernt, weil sie selbst niemanden kennen, der sich Alternativen erschlossen hätte. Das ist traurig, aber andererseits auch eine Herausforderung an uns Füllerfreunde, diesen Leuten anzubieten, ihnen Alternativen aufzuzeigen. Die meisten Menschen sind zumindest neugierig, viele sogar dankbar. Unverbesserliche Ignoranten habe ich - erstaunlicherweise - selten getroffen. Die lasse ich dann aber auch links liegen!

Ich bin inzwischen so weit, dass ich für meine KollegInnen, für meine SchülerInnen und für meinen Verwandtschafts- und Bekanntenkreis so eine Art Beratungsanlaufstelle in Sachen Schreibgeräte geworden bin, die rege in Anspruch genommen wird. Im letzten Jahr hat unsere Schülerzeitung ganz von sich aus einen Kurzfilm über meine Leidenschaft drehen wollen und gedreht, sodass mich inzwischen auch Anfragen von Schülereltern und sogar von Leuten ereichen, die ich überhaupt nicht kenne.

Warum dieses Outing? Ich möchte euch Mut machen, euch ebenfalls in euren Umgebungen zu eurem Wissen und zu eurer Überzeugung zu bekennen und anderen Menschen dabei zu helfen, eine reiche Schreiberwelt kennen zu lernen, die sie möglicherweise gar nicht erahnen. Das kann man sehr zurückhaltend machen, indem man - wie ich das hier auch schon bei anderen Forumsmitgliedern gelesen habe - immer eine kleine Auswahl seiner Schätzchen in einem edlen Etui (bloß keine Schlampermäppchen!) bei sich trägt und deren Einsatz bei jeder sich bietenden Gelegenheit verhalten zelebriert. Das fällt auf! Nicht jedem, aber vielen! Und irgendwann platzt der Knoten, die Kollegen werden neugierig, fragen, ob sie sich das Teil mal ansehen dürfen, mal mit schreiben dürfen... Und dann ist es oft schon passiert! Nächste Frage: Wo kriegt man denn sowas? Was kostet das?? usw.

Mut zur Hilfestellung, FreundInnen! Aber keine Kreuzzüge!
Peter
M. Gonkohlt
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Beitrag von M. Gonkohlt »

Ich finde, das war ein toller Beitrag, Peter - vielen Dank.

Freundliche Grüße
Mathias
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Sokko
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Beitrag von Sokko »

Hallo Peter,

Hut ab, Du hast mir aus der Seele gesprochen!!!

Nur, dass mir meine Handschrift trotz jahrelangen Füllerschreibens immer noch nicht gefällt und ich einige Freundinnen und Freunde um die ihre beneide (auch wenn sie keine Füllerfans sind) betrübt mich ein wenig.

Schönes Wochenende
Sokko
mathaeusf
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Registriert: 23.01.2006 13:05

Beitrag von mathaeusf »

Wie sieht denn überhaupt eine mich ansprechende Handschrift aus? Und was genau gefällt mir an meiner Handschrift nicht?
Man könnte sich im Internet nach handschriftlichen Manuskripten von Lieblingsschriftstellern umschauen und inspirieren lassen; ein paar Anregungen können nicht schaden, seinen persönlichen Stil behält man ja doch immer bei.
So habe ich bspw. festgestellt, was an meiner Handschrift geändert werden muss, abseits von exquisitem Schreibwerkzeug oder der passenden Schreibumgebung.
thobie
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Beitrag von thobie »

mathaeusf hat geschrieben:Wie sieht denn überhaupt eine mich ansprechende Handschrift aus?
Das ist eine wirklich gute Frage. Es ist einfach schwer zu beschreiben. Für mich muss eine gute Handschrift nicht einmal unbedingt eine besonders schöne Schrift sein. Ich mag Handschriften, die einfach ausgeschrieben oder geübt aussehen. Solche Handschriften entsprechen nicht immer dem, was in Lehrbüchern festgelegt ist. Die Schrift wirkt dann einfach flüssig, hat aber auch Charakter und lesbar sollte das ganze dann auch noch sein. Das Gegenteil von dem, was ich als ideal empfinde ist die Handschrift eines jungen Schülers, wie etwa die meiner Tochter (4. Klasse). Die Schrift ist irgendwie noch unregelmäßig, man merkt einfach, dass noch die Übung fehlt, was in dem Alter ja auch nicht weiter verwunderlich ist. Aber ich merke doch, es ist schon schwer ist, zu beschreiben, wie eine gute Handschrift aussieht.

Viele Grüße
Thomas
absia
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Meine Tipps zur guten Handschrift!

Beitrag von absia »

Hallo miteinander!

Die Frage, wie eine gute (ordentliche, kultivierte) Handschrift aussieht, ist eine sehr berechtigte Frage. Es kann darauf, wie so häufig im Leben, keine eindeutige Antwort geben, da die persönliche Handschrift eines Menschen so unverwechselbar individuell ist wie sein Fingerabdruck. Das ist ja auch der Ansatz der Graphologie, die aus dieser Wesensart der Handschrift eines Menschen glaubt, Rückschlüsse auf dessen Charakter ziehen zu dürfen. Dazu gäbe es viel zu sagen, aber wenn ich mich recht erinnere, haben wir dazu schon einen Thread hier im Forum.

Vielmehr möchte ich, da ich - wie ich oben ja schon geschrieben habe - beruflich häufig um Rat gefragt werde, was man denn tun kann, um seine Handschrift zu verbessern, hier mal meine Tipps, die ich dann häufig gebe, zur allgemeinen Diskussion stellen. Ich will das mal in einer Art Thesenliste versuchen, die nicht nach Thesenwichtigkeit sortiert ist, sondern nach dem Zufallsprinzip:

1. Die eigene Handschrift muss mir gefallen. Ich muss damit zufrieden sein, wenn andere das auch sind, ist es umso besser, aber nicht Hauptkriterium (Einschränkung siehe unten!). Um Schriftarten, von denen man sich die eine oder andere Anregung zur Gestaltung der eigenen Handschrift abschauen kann, zu studieren, kann man in Kalligraphiebüchern nachsehen (Anregungen dazu habe ich schon in einem meiner Artikel weiter oben in diesem Thread gegeben), Handschriften anderer Menschen durch entsprechende Briefwechsel sammeln (Die alte Brieffreundschaft ist noch lange nicht tot!) oder z.B. in Museen oder Bibliotheken ältere Urkunden (am besten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, die noch in Sütterlin geschrieben sind) ansehen.

2. Die eigene Handschrift sollte dennoch nie versuchen, eine andere zu kopieren, sondern immer Eigenkreation bleiben, die "auf meinem Mist gewachsen" ist und auch ihre Herkunft zur früheren Handschrift nicht verleugnet.

3. Die eigene Handschrift muss ein leistungsfähiges Aufzeichnungsinstrument sein, das sich flüssig handhaben lässt, eindeutig entzifferbar ist und dennoch gut aussieht. Zweckmäßigkeit muss letztlich Vorrang haben vor Schönheit! Mir hilft meine ganze Vorlesungsmitschrift nichts, wenn sie zwar gut aussieht, aber an wichtigen Stellen lückenhaft geblieben ist, weil ich mit dem Schreiben nicht nachgekommen bin.

4. Die eigene Handschrift muss - nach kurzer Einlesezeit - für jedermann lesbar sein. D.h. die Buchstaben müssen sich eindeutig identifizieren lassen und dürfen nicht miteinander verschwimmen oder austauschbar sein, wie das bei "u", "n", "m", "w" usw. häufig der Fall ist. Eine nur teilweise lesbare Schrift, ist kontrakommunikativ, egozentrisch und taktlos gegenüber dem Empfänger. Die Ausrede: "Ich schreib' halt nunmal so!" gilt nicht. Die Individualität einer Schrift leidet nicht unter ihrer Lesbarkeit!

5. Die Schreibgeschwindigkeit nimmt normalerweise zu, wenn die Buchstabengrößen abnehmen. Menschen, die in Sitzungen nie hinterher kommen, weil sie die Buchstaben malen und auch noch mit dekorativen Schnörkelchen versehen, können versuchen kleiner und weniger verspielt zu schreiben.

6. Die Buchstabenneigung sollte etwas zur Schreibrichtung hin gehen. "Auf den Hintern fallende Buchstaben", die sich gegen die Schreibrichtung sperren, bremsen den Schreibfluss und sind auch nur durch eine verkrampftere Fingerhaltung zu produzieren.

7. Die Buchstabengrößen sollten sich etwa im Verhältnis 2:3 (Kleinbuchstaben zu Großbuchstaben) bewegen

8. Die Profischreibhaltung heißt "Handschrift" und nicht "Fingerschrift", d.h. die Schreibbewegung kommt bei geübten Schreibern aus dem Handgelenk und nicht aus den Fingergelenken wie bei Schreibanfängern, die jeden Buchstaben noch "malen" müssen. Man erkennt eine solche Anfängerhaltung an den nach außen geknickten vorderen Fingergliedern an Schülerhänden, die unweigerlich zu einer langsamen Verkrampfung der ganzen Hand führen. Das oft zu beobachtende Ausschütteln der Schreibhand nach Diktaten oder schnellen Passagen in Vorlesungen ist ein eindeutiges Indiz für eine verkrampfte Schreibhaltung. Um die Schreibgeschwindigkeit erheblich zu steigern und die Handbewegungen gleichzeitig zu minimieren, empfiehlt es sich, den Füller etwas länger zu fassen, d.h. das Schreibgerät nur noch zwischen Zeige- und Mittelfinger zu klemmen und den Daumen zurückzunehmen an den Schaft. Der Daumen hat vorne in der Griffmulde nichts zu suchen! Die Feder steht dann von alleine etwas weiter aus den Fingern hervor und kann flacher aufgesetzt werden. Sie kann dann fast nur noch aus dem Handgelenk geführt werden; die Finger korrigieren dabei nur noch milde die Akzentuierung der Buchstaben. Das vertraute Schriftbild wird sich dadurch zwangsläufig ein bisschen ändern, aber nicht grundlegend. Es wirkt nur glatter und harmonischer. Das muss man anfangs etwas üben, bis man die richtige Grifflänge gefunden hat. Außerdem ist die auch abhängig vom Füller selbst und vom Tintenfluss. Mit einem Kugel- oder Gelschreiber ist eine solche Schreibhaltung überhaupt nicht erzielbar; allenfalls noch mit einem Bleistift!

9. Wer seine Schreibhaltung ändern will, muss eventuell auch das Schreibgerät wechseln. Füller, die sehr steil gehalten werden mussen, um ordentlich zu schreiben, eignen sich für die Profihaltung auf die Dauer ebenso wenig als Standardschreibgerät wie zu kleine Füller (Minimum Pelikan M 200/400-Größe, aber mit hinten aufgesteckter Kappe!). Am besten ist es, zunächst einmal ein paar leere Blätter mit seinem vertrauten Schreiber mit zusammenhängenden "Achten" vollzumalen oder einen kleinen Text, den man sehr mag, ein paar Mal mit verschiedenen Füllerhaltungen und Füllern abzuschreiben. Man muss anfangs erheblich gegensteuern, um nicht wieder in die alte Schreibhaltung zurückzufallen. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier, auch dann wenn er sich selbst damit das Leben schwer macht.

10. Eine wirklich schlechte Handschrift gibt es nicht, wohl aber eine ungepflegte oder gar verwahrloste! Dagegen kann jeder etwas tun! Die eigene Handschrift ist auch eine Art Visitenkarte. Warum also immer nur das Outfit pflegen, tolle Klunkerchen ranhängen (Bitte alle Damen um Nachsicht!) oder jede Menge Technokrimskrams (Handy, Palm-Top, Notebook etc.; Bitte alle Männer um Nachsicht!)) auf dem Schreibtisch ausbreiten, um einen guten Eindruck zu machen, wenn die eigene Handschrift in der Grundschule stecken geblieben ist!?!?!

So, ich glaube, das reicht für's Erste. :D

Auf Wiederschreiben!
Peter
Zuletzt geändert von absia am 14.02.2006 20:22, insgesamt 2-mal geändert.
lw7275
Beiträge: 183
Registriert: 16.01.2006 12:27

Beitrag von lw7275 »

Hallo Peter und alle anderen,
als ich schrieb, der Kuli bremse, wollte ich damit nur andeuten, dass diese Verlangsamung bei mir vorübergehend durchaus zu einer sorgfältigeren Buchstabengestaltung führen kann. Natürlich führt es zu Verkrampfungen und strengt an.
Bei der Verwendung eines Füllhalters muss ich selbst für eine geringere Geschwindigkeit sorgen - aber wenn ich will, kann ich gerade mit einem Füllhalter so richtig über das Papier feudeln, rasend schnell und unglaublich unleserlich!

Die Tipps für eine gute Handschrift, gerade die Hinweise zur Haltung des Füllhalters finde ich sehr gut.
Ich hätte nur wenig hinzuzufügen. Schrift sollte sich nach rechts neigen, möglichst gleichmäßig (vgl. Punkt 6). Diese Neigung findet man in allen Auf- und Abstrichen, aber jetzt wird es für mich schwierig, zu beschreiben, was ich eigentlich meine...
Ich fange mal beim m an. Die Abstriche gehen alle parallel, aber nicht senkrecht auf die Linie.
Beim d erreicht man einen sorgfältig geschlossenen Bogen, indem man ihn noch vor dem Richtungswechsel fast bis auf die Linie führt, dann geht es zurück, der lange Aufstrich geht leicht schräg nach oben.
Buchstaben mit Schlaufen machen besonders viel Spaß. Beim l geht es erst in einer Rechtskrümmung (!) aufwärts, dann kommt die Schlaufe, dann geht es in einer Rechtskrümmung wieder abwärts. Englische Schreibschriften verzichten oft auf die Schlaufen bei b, f, h, l, aber für mich gehören sie einfach dazu.
Die Prinzipien, die ich gerade genannt habe, werden für alle Groß- und Kleinbuchstaben eingehalten, so dass sich ein gleichmäßiges Schriftbild ergibt. Der Rest sind Feinheiten, z. B. dass beim M der erste Aufstrich etwas höher geht als der zweite. Letztendlich soll das Auge immer in Leserichtung geführt werden; Buchstaben, die optisch nach links weisen, sind also zu vermeiden.

Derartige Regeln wurden früher in Handelsschulen gelehrt und trainiert.
Sie halfen sehr bei der Entwicklung individueller Handschriften.

Und noch etwas, ein Tipp nicht nur an alle Schüler: Verbannt die königsblaue Tinte in die tiefste Schublade im Keller und schreibt mit Schwarz, bis der Tintenkiller eingetrocknet und als überflüssig erkannt worden ist.
Jetzt habe ich aber genug geschulmeistert.

Viele Grüße

Lars
lion
Beiträge: 177
Registriert: 13.07.2005 8:41

Übung macht die Handschrift

Beitrag von lion »

Hallo Peter,

das ist doch mal ein Wort! Ich kann Deinem Beitrag voll und ganz zustimmen. Einen Lehrer, der mir in der Schulzeit so etwas mal sagte, hätte ich gerne gehabt, als ich mir in der Oberstufe meine Handschrift "versaut" habe.
Nun versuche ich schon seit einiger Zeit, meine Handschrift wieder zu verbessern, u.a. da meine Frau mir freundlich sagte, das sei "keine Handschrift, sondern eine Zumutung". Das war dann auch der Anlaß, mich intensiver mit Füllern und dem Schreiben zu beschäftigen. Mittlerweile bin ich auf einem guten Weg, wenn auch sicher noch nicht am Ziel resp. dort wo ich sein möchte (Ich meine mit der Handschrift;-)).

Nach meiner bisherigen Erfahrungen sind drei Elemente für eine nachhaltige Verbesserung wesentlich:

1. ein gutes Schreibgerät (das brauche ich in diesem Forum wohl nicht besonders zu thematisieren). Hierdurch steigt bei mir auch die Bereitschaft, mich mit dem Akt des Schreibens genauer auseinanderzusetzen; außerdem bekomme ich mit einem Füller ein deutlich besseres "Gefühl" für die Schrift als mit einem nichtssagenden 0815-Kugelschreiber.

2. ein Rückbesinnen auf die verwendete Schrift. Du hast es schon angesprochen, ein Verwischen verschiedener Buchstaben untereinander ist der Lesbarkeit abträglich - das gilt auch für den Schreibenden. Das läßt sich auch gut erreichen, wenn man eine neue Schrift erlernt. So hat es mir sehr geholfen, daß ich mein Tagebuch nur noch in der sog. Offenbacher Schrift (eine deutsche Schreibschrift, nicht so eine Schulschrift wie Sütterlin und nicht so verschnörkelt wie die Deutsche Kurrent) schreibe. Genauso wäre es als Training sicher geeignet, sich mit einer schreibbaren Kalligraphieschrift auseinanderzusetzen wie der vereinfachten Cancellaresca oder einer einfachen Form der Englischen Copperplate.

3. genügend Zeit. Auch das hast Du bereits angesprochen - nur immer schnell schnell führt sicher nicht zu einer ausgeglichenen, "ordentichen" Handschrift. D.h. Leute, nehmt Euch Zeit, auch und gerade beim Schreiben. Doch mit "langsamem" Schreiben allein ist es sicher nicht getan, abgesehen davon, daß das nicht in allen Situationen möglich sein dürfte. Ich meine vielmehr, daß man sich auch Zeit zum Üben nehmen sollte. Schließlich tun wir das bei anderen Dingen, die wir nicht ausreichend zu beherrschen meinen, ebenfalls (Musikinstrumente z.B.). Ein Tagebuch ist da, so meine persönliche Erfahrung, eine gute Gelgenheit, in Ruhe und mit Bedacht an der eigenen Schrift zu feilen.

Da ich beruflich oft die Handschriften anderer Menschen lesen muß, hoffe ich, daß viele Betroffenen in diesem Forum/Thread mitlesen.

Viele Grüße,
Sebastian
Es ist eine Dummheit, sich von hier fortzusehnen, die meisten Anstalten sind noch schlechter. György Konrád
Lars
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Beitrag von Lars »

Hallo, ich (Jahrgang 1971) habe in der Grundschule noch Sütterlin gelernt. Das geschah aus Eigeninitiative unserer Klassenlehrerin. Wir haben seinerzeit viel mit diesen mehrlinigen Schreibheften gearbeitet. Ich schätze, dadurch hat sich bei mir eine saubere Handschrift bis heute ganz gut gehalten.
Ich finde, jeder sollte seine individuelle Schrift entdecken und nicht krampfhaft "Normschriften" üben.
Kugelschreiber verwende ich nur noch selten, meistens wenn ich nichts anderes da habe oder die Gefahr des Verlustes sehr groß ist.

Den Hinweis auf die unverkrampfte Haltung des Füllers halte ich für ausserordentlich wichtig.

Übrigens schreibe ich auch gerne mit Bleistift, ein oft unterschätztes Schreibgerät...


Schöne Grüße

Lars (noch einer 8) )
thobie
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Beitrag von thobie »

Hallo Peter,

ein toller Beitrag. Wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke, so muss ich feststellen, dass ich leider keinen Lehrer hatte, der mir solche Hinweise gegeben hat. In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde irgendwie nach der Grundschule kein allzu großer Wert mehr auf die Schrift gelegt. Schreiben hat mir während meiner ganzen Schulzeit auch nie so richtig Spass gemacht, weil ich dabei verkrampfte. Erst im Studium ist der Knoten geplatzt. Der erste Füllhalter, mit dem ich so richtig gut scheiben konnte, war ein Lamy mit einer O-Feder. Und irgendwann habe ich es dann auch instinktiv geschafft, völlig unverkrampft zu schreiben. Er Dein Beitrag hat mich dazu veranlasst, meine Schreibhaltung einer Kontrolle zu unterziehen. Dabei habe ich festgestellt, dass ich inzwischen tatsächlich aus dem Handgelenk schreibe und den Halt wie beschrieben benutze.

Ich denke, spätestens in der Mittelstufe sollten Schüler noch einmal zum richtigen Schreiben angehalten werden. Dazu wäre eine entsprechende Unterweisung durch kundige Lehrer notwendig. Ich glaube, soetwas könnte so manchem Schüler das Leben einfach leichter machen und dazu führen, dass er Lust am Schreiben findet.

Viele Grüße
Thomas
beowulf
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Beitrag von beowulf »

Hallo,

Ich weiß nicht, ob ich es nicht schon in diesem Thread geschrieben habe, aber ich habe vor ca. einem Jahr ein brauchbares Büchlein zum Thema "ordentliche Handschrift" gelesen und unter Anleitung selbigens meine Handschrift etwas verändert.

Der Begriff "kultiviert" ist meiner Meinung leider irreführend. Ein sehr guter Freund von mir unterschreibt (!) in Schulschrift und schreibt auch sonst so. Ich denke, viele würden sagen, daß er keine kultivierte Handschrift hat, aber man sie wunderbar lesen. Für mich ist entscheidend, daß man die Handschrift lesen kann (nach kurzer Einlesezeit). Mein Vater war Arzt und hatte eine kultivierte (weil gleichmäßig und ausgereifte) Handschrift, aber lesen konnte man sie nicht. Seine Paraphe z.B. sah toll aus und hat mich fasziniert, aber was er da hingekritzelt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Mit unserem Nachnamen hat alleine das Anfangs"ding" nichts gemein. :?

Oberstes Ziel sollte Lesbarkeit sein, und Regelmäßigkeit rundet das Bild ab. Schließlich muß man seine Schrift dazu einsetzen können, irgendwo mitzuschreiben und Notizen zu machen.
Janus
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Beitrag von Janus »

Moin moin

Darf ich fragen, wie das Büchlein heisst?

Ciao
Janus
beowulf
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Beitrag von beowulf »

Janus hat geschrieben:Darf ich fragen, wie das Büchlein heisst?
Ich vermute, Du fragst mich ...

better handwriting (teach yourself series)
rosemary sassoon and g se briem


Niki
Zuletzt geändert von beowulf am 06.03.2006 15:23, insgesamt 1-mal geändert.
Ckornet
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Beitrag von Ckornet »

Hallo zusammen,

ich finde es immer wieder toll zu lesen, dass sich auch im Zeitalter des Computers noch so viele Leute Gedanken um ihre Handschrift machen. :)

Nachdem ich eine ganze Weile nur noch mit Füller geschrieben habe,
ist meine Handschrift allgemein um einiges besser geworden, egal welches
Schreibgerät ich nun benutze (wobei mir Füller natürlich immer am liebsten ist :wink: ). Das liegt wohl daran, dass ich mich beim Schreiben einfach mehr konzentriere wie vorher.

Allerdings habe ich festgestellt, dass ich nach einer Weile doch zu einer etwas verkrampften Schreibhaltung neige (das von Peter erwähnt " nach außen geknickten vorderen Fingergliedern"). :roll: Das habe ich nun aber auch in Angriff genommen ... und ich hoffe mal, dass ich das auch noch in den Griff bekomme. :)

An alle, besonders an Peter, auf jedenfall noch mal ein großes Dankeschön für die hilfreichen und schönen Beiträge hier.
:D

Schöne Grüße,
Charmaine Giering
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