Aber sind es nicht gerade die Misserfolge, die die Historie erst richtig „rund“ machen? Innovationen, die gescheitert sind, weil sie am Zeitgeist vorbei gingen, technisch nicht ausgereift oder aber ihrer Zeit voraus waren? Weil sich Materialien als fehleranfällig erwiesen oder die Technik zu kompliziert war? Oder weil schlicht und einfach die Designabteilung einen ganz, ganz schlechten Tag hatte?
Die Flops der Füllergeschichte erzählen vielleicht eine Geschichte des Scheiterns. Sie erzählen aber auch eine Geschichte, die spannend, kurios, manchmal vielleicht tragisch ist. Und immer erzählen sie die Geschichte von Kreativität und dem Wagnis, etwas Neues zu probieren – auch wenn das manchmal in die Hose ging.
Ich möchte einen dieser Flops heute vorstellen: Den Sheaffer Stylist. Im Gegensatz zu Balance, PFM oder Targa war er nicht der große Wurf und seine Produktion wurde ebenso rasch wie sang- und klanglos wieder eingestellt.
Doch beginnen wir mit der Geschichte der Sheaffer Pen Company. Firmengründer Walter Sheaffer war ein bemerkenswert arbeitsamer Mensch, der bereits mit zwölf Jahren neben der Schule verschiedene Jobs annahm und nach seinem Schulabschluss im Juweliergeschäft seines Vaters arbeitete. Nach Heirat und Familiengründung folgte die Gründung seines eigenen Handels mit Klavieren und Orgeln. 1906 eröffnete er seinen eigenen Juwelierladen und entwickelte im Jahr darauf seinen ersten Füllfederhalter, einen Hebelfüller.
1913 erfolgte die Gründung der W. A. Sheaffer Pen Company, die sich 1917 in Fort Madison ansiedelte. 1920 wurde der Lifetime Pen eingeführt und 1922 mit Skrip eine eigene Tinte entwickelt. Zwei Jahre später wurde es mit Radite bunt in der Materialwelt: Sheaffer stieg von Ebonit auf Zelluloid um und führte den White Dot als Markenzeichen ein.
Ein erster Meilenstein in der Historie von Sheaffer war 1929 der Balance, der erste Füllfederhalter, der das Augenmerk auf eine „ausbalancierte“ Gewichtsverteilung des Stiftes um dessen Mitte legte.
Auch beim Befüllsystem zeigte sich das Unternehmen unter Walters Sohn Craig innovativ und experimentierfreudig: 1949 wurde das Touchdown-System vorgestellt, das teilweise bis in die 90er Jahre verbaut wurde. 1952 setzte man mit dem Snorkel noch eins drauf.
1966 wurde Sheaffer von Textron aufgekauft. Textron hatte als Textilproduzent in den 20ern angefangen, während des Krieges als Hersteller von Fallschirmen große Gewinne eingefahren und mochte sich nach dem Krieg nicht zurück entwickeln. Nachdem die textile Produktion in Friedenszeiten sich als nicht so lukrativ erwiesen hatte, entschied man sich, ein großer Mischkonzern zu werden und alles Mögliche vom Hubschrauber- über den Nockenwellen- bis hin zum Schreibgeräte-Hersteller aufzukaufen. Ein Konzept, das Textron bis heute zu einem großen Player macht.
Als Textron übernahm, war der Stylist bereits in der Entwicklung. Walter Sheaffers Philosophie war es immer gewesen, einen hervorragenden Füller für jeden Geldbeutel anzubieten, wobei der Schwerpunkt aber von jeher auf den hochpreisigen Modellen lag.
Auch der Stylist folgte dieser Philosophie. Schlanker, glatter, eleganter im Erscheinungsbild und mit einer Reverse-Feder ausgestattet, gab es ihn in einer Bandbreite von Plastik mit Metallkappe bis hin zum Walzgold-Modell. Jedenfalls sah die Design-Abteilung im Stylist diese Attribute. Die Kundschaft sah das nicht so. Der zwar federnd gelagerte, aber klobige Clip und das grobe Metallblech, das die Feder darstellte – das brachte die Zielgruppe nicht in Übereinstimmung mit Eleganz.
Dabei war der Stylist zumindest in der Werbung ein emanzipatorischer Durchbruch: Gab es bis dato bei Sheaffer ganz explizite Damen- und Herrenmodelle, so erschien der Stylist in der ganzseitigen Printwerbung als Must-have für alle Geschlechter.
Jedoch: Er kam nicht an. Weder bei den Damen noch bei den Herren. Nach nur drei Jahren versuchte man, mittels einer Triumph-Feder die Kundschaft doch noch für den Flop zu begeistern, bevor man ihn stillschweigend wieder aus dem Programm nahm und die Produktion des Imperial wieder aufnahm.
1987 wurde Sheaffer an die Schweizer Bankenfirma Gefinor verkauft, zehn Jahre später folgte dann die unglückselige Übernahme durch Bic, die die Produktion mehr und mehr in den asiatischen Raum verlegten, was der Qualität deutlich Abbruch tat. Heute gehört Sheaffer zu Cross und wird in Teilen wieder in Fort Madison produziert.
Sheaffer Stylist: Stromlinienförmig und ohne Übergang von Kappe zu Korpus, dafür mit Klotz-Clip

Schlank, elegant … oder doch ein bisschen moppelig

Neuerungen: Eine Feder, die reverse schreiben soll und aussieht wie ein grobes Blech, das sich verschämt zwischen Plastikteilen versteckt. Der White Dot ist einem krumpeligen „S“ gewichen.

„It’s mean, it’s lean, it’s a writing machine“: So bewarb Parker den Reverse Writer 180. Im Vergleich ist der Stylist wirklich eine Pummelfee.


Das ist nun doch eine längere Abhandlung geworden … Sorry dafür. Aber wenn das Thema Spaß macht, würde ich mich freuen, wenn sich auch andere mit der Vorstellung von Flops beteiligen!