Teil 2/2
Erster Eindruck:
Ach ja...
Wie ist das jetzt genau?
Hat
Majohn von Montblanc abgekupfert und dann
Lemon von Majohn?
Oder aber beide Marken haben es sich innerhalb des gleichen Konglomerats leicht gemacht und das gleiche Modell unter 2 Marken auf den Markt geworfen?
Ich persönlich tippe auf letzteres, da ich die Zusammenhänge der diversen Marken schon etwas genauer kenne mittlerweile.
Zumindest hat man sich bei Lemon wenigstens dazu entschieden 2 Merkmale leicht abzuändern.
Das kann man jetzt gut finden, aber auch als sehr dreist ansehen.
Zu diesen 2 Merkmalen kommen wir auch schon, wenn wir uns die Kappe ansehen:

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Ja, es fällt einem sofort in's Auge, wenn man sich das Kappenende ansieht.
Dort wurde - wie beim
Lemon M6 - eine sehr enge Anlehnung an die Montblanc Schneekoppe aufgebracht.
Das kann man jetzt als frech oder dreist empfinden, oder - wie ich - gerade noch als zulässig und vielleicht sogar ein wenig witzig.
Zulässig oder witzig aber nur in Verbindung mit der auf dem Clip angebrachten Gravur, die da besagt "Made in China".
Damit sagt
Lemon klipp und klar "Ok, wir gestehen: Das ist eine Kopie. Wir stellen aber klar: Es ist keine Fälschung!"
Ich hätte es aber lieber gesehen, hätte Lemon diesen "Hinweis" oben an den Einfassungsring angebracht statt am Clip. Hätte dem Gesamteindruck deutlich besser getan.
Soweit aber Kudos an
Lemon, die sich damit ganz klar von der Verbreitung sog. Superklonen distanziert.
Denn wer den chinesischen Markt (speziell AliExpress) kennt, der weiß auch, daß dort diverse extrem dreiste Fälschungen von Montblanc Füllern kursieren. Fälschungen mit gefakten Seriennummern und Federn, die optisch 1:1 den originalen MB-Federn gleichen, aber von extrem minderwertiger Qualität sind.
Aber zurück zum
Lemon M7.
Wie auch beim
Majohn P138 und davor dem originalen Montblanc, läßt sich die Kappe hinten am Schaft auf ein Gewinde schrauben um den Füller zu "posten".
Hier hat Lemon - im Gegensatz zu Majohn - darauf verzichtet das Gewinde am Schaft zu verkleben.
Das bietet die Möglichkeit bei leicht geöffneter Mechanik das Gewinde so zurecht zu drehen, daß beim Posten der Clip z.B. nach oben parallel zur Feder in einer Linie liegt. Damit stört der Clip dann auch nicht im geposteten Zustand an der Daumenkuhle.

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Damit kommen wir zur Wartung des Kolbens:
Der Kolben benötigt ein Werkzeug zum Lösen der Verschraubung. Hier ist man schon mal im Vorteil wenn man im Besitz des Werkzeugschlüssels von Asvine oder HongDian ist.
Beide sollten eigentlich recht gut passen.
Meinen Asvine Schlüssel (einer von mittlerweile vielen) mußte ich allerdings noch um ca. einen ½mm spreizen, was aber keinen Abbruch tut.

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Selbiges Werkzeug dient dann auch dem Austausch der Federeinheit, die sich damit bequem lösen läßt.
Damit gestaltet sich der
Lemon M7 - im Gegensatz zum
Majohn P138 - recht wartungsfreundlich und pflegeleicht.
Material und Verarbeitung:
Hier treffen wir wieder auf eine Mischung aus Kunstharz und (vermutlich) Edelstahl.
Wobei zu bedenken ist: Die englische Bezeichnung "Stainless Steel", also wörtlich "rostfreier Stahl", kann sich auch auf Legierungen beziehen wie Zink-Aluminium etc. Es heißt da also nicht zwingend das es sich um V2A oder V4A Stahl (sog. Nirosta) oder ähnliches (SS304, SS307 oder SS316L etc.) handelt. Das ist also sehr mit Vorsicht zu betrachten.
Vom ersten Eindruck her könnte es sich aber tatsächlich um V2A handeln.
Die Verarbeitung ist sehr gut und gibt eigentlich keinen Grund für Klagen.
Keine scharfen Kanten, keine störende Geräusche, nichts wackelt...
Einfach alles sauber und solide gemacht.
Haptik & Ergonomie:
Hier kann ich im Kern nur das wiederholen, was ich auch zum
Majohn P138 gesagt habe.
Haptisch ist der
Lemon M7 eigentlich ganz nett und gefällig.
Nur an einer Stelle habe ich etwas gefunden, was den einen oder anderen stören könnte:
Am Übergang von Kappe und Abschluß gibt es die eine oder andere Kante, die doch deutlich spürbar ist.
Kein wunder. Ein oktagonaler Schaft mir einem kreisrunden Abschluß zu versehen, auf dem eine runde Kappe sitzt.
Ergonomisch ist das auch so eine komische Sache.
Hier spielt vor allem die Haptik den Sinnen einen Streich.
Durch das am Schaftende befindliche Gewinde und der weitere Übergang zu dem sich verjüngenden Drehknopf für den Kolben, fühlt sich der Füller irgendwie viel kürzer an, als er in Wirklichkeit ist. Die rund 10cm vom Griff zum Schaft fühlen sich eher wie 8,0 - 8,5cm an und wirkt fast mickrig.
Wer große Hände hat, der kann ihn dann gerne „posten“ ohne das ihn das zusätzliche Gewicht groß stören dürfte. Da balanciert sich das in etwa aus.
Befüllung:
Viel zu sagen gibt es da nix...
Es ist ein Kolbenfüller, der auch nur als solcher genutzt werden kann.
Die Feder:
Und damit wieder zum eigentlichen Herzstück eines jeden Füllers - insbesondere aber von diesem.
Ich habe die optionale
"Hand Polished Medium" genommen und kann nur sagen:
"Ich bereue es auch nicht nur einen Sekundenbruchteil die Wahl getroffen zu haben!"
Leck mir doch an Deine Füße!! Was für eine wahnsinns Feder!!
Auf der anderen Seite aber: Eben absolut typisch Lemon!
So richtig schön soft, mit tollem "bounce" und einem quasi nicht vorhandenen Feedback, für das man fast schon hypersensibel sein muß, um es wahrzunehmen!
Absolut genau so, wie ich es liebe und wünschte, eine jede Feder wäre so in all meinen Füllern - natürlich unter Berücksichtigung der Schliffe und Strichstärken.

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Das Verhalten der Feder ist unverschämt gut.
Aber im Gegensatz zu den neuen
HongDian Federn (die ja quasi aus dem selben Haus stammen), stellt sich hier nicht das Gefühl ein einer Goldfeder nahe zu kommen.
Dafür aber das Gefühl einer wirklich extrem guten Stahlfeder, aus der man das Maximum an Komfort geholt hat.
Und die Feder gleitet so butterweich, so sanft über das Papier (auch etwas günstigerem), daß man das Gefühl hat - wie meine Frau es nannte - der Füller schwebt auf Wolken!
Bewertung & Schreibprobe:
Der Bewertungsbogen:

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Und es folgt auch gleich die Schreibprobe.
Wie üblich auf Oxford Optik Paper 90g/m².

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Fazit:
Ok...
Zurück zur Objektivität und mal Butter bei die Fische.
Über das Design und sein gesamtes äußeres Auftreten kann man streiten und auch hinsichtlich kopiert oder inspiriert kann man sehr geteilter Meinung sein.
Das ist einem jeden selber überlassen und reine Geschmacksfrage.
Und bevor hier wieder das ganze China-Bashing los geht weil "Ist ja wohl eine dreiste Kopie" oder auch "Aber die Arbeitsbedingungen" etc. p.p...
Wer mit so einem Füller nicht klar kommt, muß ihn sich nicht kaufen. So einfach ist das.
Wer allerdings - wie ich - der Meinung ist, nicht nur der elitäre Teil der Gesellschaft hat das Recht mit schönen, eleganten und guten Füllern zu schreiben, der liegt mit dem
Lemon M7 goldrichtig.
Und wenn man ehrlich ist, dann hat Montblanc in seinen Anfangszeiten genau so von anderen kopiert wie auch Pelikan, Reform, Osmia und später auch die Asiaten wie Sailor, Platinum oder eben WingSung, Jinhao und heute Majohn und Lemon.
In der Welt der Füller ging nun mal noch nie etwas ohne die eine oder andere Kopie.
Jedenfalls:
Der
Lemon M7 ist - neben seinem kopierten Äußeren - ein extrem gut schreibender Füller, der selbst im unteren Preissegment für verdammt viel Spaß sorgt und einem das Gefühl gibt wirklich etwas besonderes in Händen zu halten.
Nicht umsonst ist dieser Füller auf Platz 1 meiner Top 10 der Füller des Jahres 2024 - während der fast identische
Majohn P138 mit toller 1.1 Stub Feder nur auf Platz 4 kam.
Aber in diesen Fall machte die Feder im
Lemon M7 den entscheidenden Punkt.
Wer also gerne einen eleganten und schönen Füller sein eigen nennen möchte, der dazu noch diese Vintage Vibes hat und mit einer phänomenalen Feder daher kommt, der macht hier wirklich nix falsch - solange er mit einer Montblanc Kopie (nicht Fälschung) gut leben kann.
Liebe Grüße
SteamDevil
Die bewegten Bilder dazu findet Ihr hier:
Lemon M7 - mit handpolierter medium Feder