TWSBI Vac700 - ein Füllhalter mit Besonderheiten

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Wowo
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TWSBI Vac700 - ein Füllhalter mit Besonderheiten

Beitrag von Wowo »

Liebe Federliebhaber und -Liebhaberinnen,

der TWSBI Vac700 hat von Anfang an das Interesse der Penthusiasten auf sich gezogen. Im Netz finden sich zahlreiche Artikel und Filme über ihn. Auf penexchange.de dagegen fehlt noch eine ausführliche Betrachtung. Diesen Zustand möchte ich mit einem Bericht über meine ersten Erfahrungen mit diesem außergewöhnlichen Füllhalter beenden.

Besonders ist insbesondere sein Füllsystem mittels eines Vakuums; dazu später mehr. Aber auch ein paar andere Eigenheiten sollten vor einer Kaufentscheidung bedacht werden.

Wie viele Kolbenfüller von TWSBI ist auch der Vac700 ein Demonstrator. Das hauptsächlich verwendete Acryl ist transparent, entweder eingefärbt oder glasklar. Dadurch kann man jederzeit sehen, was in dem Schreibgerät vor sich geht und insbesondere den Füllvorgang beobachten. Ich habe mich für das glasklare Modell mit einer F-Feder entschieden und die Diamine Ancient Copper eingefüllt. Deswegen schimmert der Füller auf meinen Fotografien rötlich.

Transparent ist nicht nur die Optik. Der Füllhalter lässt sich auch relativ einfach zerlegen. Mitgeliefert werden ein Werkzeug zum Ausbau des Füllmechanismus, ein Schmiermittel auf Silikonbasis und zwei Dichtungsringe als Reserve.

Die Silhouette in geschlossenem Zustand ist charakteristisch und einzigartig. Kappe und Schaft bilden eine optische Einheit, unterbrochen nur durch den breiten, aber kaum erhabenen Zierring. Das gefällige Design fordert aber an anderer Stelle einen Preis bei der Funktionalität.

Der Füllhalter ist groß. Geöffnet und ohne aufgesteckte Kappe überragt er einen Pelikan Souverän M600/605 und einen Lamy 2000 deutlich. Besonders auffällig ist seine riesige Stahlfeder. Er liegt aber dennoch angenehm und sicher in meiner nicht allzu großen Hand. Das Acryl ist glatt, dennoch rutscht und wackelt da nichts. Das habe ich bei einem Füller mit amerikanischem Namen und chinesischer Herkunft schon deutlich schlechter erlebt.

Theoretisch kann die Kappe hinten aufgesteckt werden. Das ergibt aber praktisch für mich überhaupt keinen Sinn, denn der Schwerpunkt wird durch die so entstehende Überlänge weit nach hinten verlagert. Das mag für Hände angehen, die deutlich größer sind als meine. Deren Besitzer werden sich dann aber mit einer weiteren Eigenheit arrangieren müssen.

Um im geschlossenen Zustand den glatten Übergang zwischen Kappe und Schaft hinzubekommen, musste zum Griffstück hin eine Art Absatz eingebaut werden. Die Kante ist relativ scharf. Darauf folgt das Schraubgewinde für die Kappe. Beides will man im Schreibvorgang nicht dauernd anfassen.

Mich stört diese Stufe beim Umgang mit dem Vac700 aber in keiner Weise. Obwohl ich sie im Bereich der äußersten Fingergelenke berühre, spüre ich sie kaum. Ich schätze, das wird den meisten anderen auch so gehen.

Dennoch: jeder hält seine Schreibgeräte anders. Deshalb muss man über diesen Punkt nachdenken. Eine Auswertung der vielen Filme, Textbeiträge und Kommentare im Netz hilft nur bedingt weiter. Wer den Füller mag, wird viel eher etwas dazu einstellen als jemand, der damit nicht klarkommt.

Wer also mit der Länge des Griffstücks und der anschließenden Stufe überhaupt nicht zurecht kommt, der wird nicht daran vorbeikommen, den Füller am Schaft zu halten. Dann mag es der Balance wegen sogar sinnvoll sein, doch hinten die Kappe aufzustecken. Das Ergebnis habe ich in einem Bild festgehalten. Meine Sache wäre es nicht, weil ich dann nicht genug Feinsteuerung für die Feder mehr hinbekomme. Eine Zwischenlösung zwischen beiden Handhaltungen ist wegen der Stufe und des Gewindes kaum ergonomisch zu realisieren.

Normalerweise würde ich dazu raten, den Füller vor dem Kauf in die Hand zu nehmen und zu testen. Man kann den Vac700 aber meist nur über einen Versandhändler beziehen. Der Test findet eben erst nach Erhalt der Ware statt. Ich kann nur dazu raten, die Handhabung ausgiebig auszuprobieren, bevor der Füller mit Tinte befüllt wird. Dann kann man mit gutem Gewissen notfalls sein Widerrufsrecht ausüben und die Ware zurücksenden (bei Verkäufern innerhalb der EU).

Der Füllmechanismus ist nicht grundsätzlich neu und auch nicht einzigartig, wohl aber meines Wissens in dieser Preisklasse. Er sorgt in Verbindung mit dem transparenten Gehäuse jedenfalls für einen besonderen Aha-Effekt.

Dazu wird nach dem Lösen des hinten am Schaft angebrachten Drehknopfs eine Stange herausgezogen (auf dem Bild nur teilweise zu sehen, weil ich mit der eingefüllten Tinte keine Schweinerei veranstalten wollte). Dann muss die Feder unbedingt vollständig in die Tinte eingetaucht werden. Dies in Verbindung mit der sehr großen Feder macht die Verwertung von Tintenresten in den Gläsern ohne besondere Hilfsmittel fast unmöglich.

Man schiebt die Stange sodann wieder zügig, aber nicht hastig, zurück. Der vorne angebrachte Stempel erzeugt ein Vakuum. Kurz vor dem Ende der Fahnen-, nein, der Füllstange wird der Korpus etwas breiter. Das sorgt dafür, dass der Unterdruck plötzlich einen Ausgleich sucht. Und was fließt dann wohl in den Tankbehälter nach? Genau! Der Füllvorgang ist auf vielen Videos dokumentiert, die für den Interessierten ins Netz gestellt worden sind.

Der große Tintentank wird dabei übrigens nur zu ca. 2/3 gefüllt. Das ist immer noch eine Menge Schreibstoff und durchaus mit der Kapazität eines Kolbenfüllers vergleichbar. Wer aber den Tank vollständig nutzen möchte, kann sich von TWSBI ein spezielles Tintenglas mit einer Füllhilfe besorgen. Oder er sucht im Netz nach weiteren Videos, in denen eine etwas kompliziertere Methode vorgestellt wird, um noch einen oder zwei zusätzliche Füllvorgänge hinzukriegen und das Reservoir auszuschöpfen.

Nun mag der interessante Mechanismus jemanden dazu motivieren, sich das Gerät zuzulegen. Es ist und bleibt aber immer noch ein Schreibinstrument. Wie also bewährt sich der Füllhalter im täglichen Einsatz?

In den ersten Produktionszyklen hat das Zusammenspiel von Tintenleiter und Feder nicht vollkommen funktioniert. TWSBI und der damalige Zulieferer haben sich in der Folge überworfen. Mit den Federn eines anderen deutschen Herstellers soll sich der Tintenleiter anfangs auch nicht optimal vertragen haben. Das alles führte zu gewissen Enttäuschungen und kritischen Kommentaren.

Nach meinem ersten Eindruck sind die Schwierigkeiten inzwischen behoben. Die Diamine Ancient Copper fließt ungehindert und artig aus der großen Stahlfeder mit Stärke „F“. Diese Kombination ermöglicht gerade so viel Variation in Strickstärke und Tintenfluss, dass ein lebendiges und gleichzeitig noch harmonisches Schriftbild entsteht.

Die früher verwendeten Federn sollen ein weicheres Schreibgefühl vermittelt haben. Das kann ich nicht beurteilen. Ich habe an der Feder nichts auszusetzen. Allerdings gleiten die Goldfedern in den beiden anderen abgebildeten Füllhaltern noch einmal einen Tick müheloser über das Papier. Aber wir befinden uns dann auch in einer anderen Preisklasse.

Ich will nicht verhehlen, dass trotz der jetzt gelungenen Abstimmung von Tintenleiter und Feder auch bei mir ein Abriss des Tintenflusses aufgetreten ist. Diese Störung habe ich allerdings durch einen Bedienungsfehler provoziert.

Für die Lagerung und den Transport des Füllhalters wird der Drehknopf hinten am Schaft geschlossen. Im Demonstrator ist gut zu beobachten, dass der Stempel, der vorne auf der Füllstange sitzt, dann den Tintenleiter verschließt. Dadurch soll sogar die Mitnahme des gefüllten Schreibgeräts in einem Flugzeug möglich sein, ohne dass man hinterher die Kleidung in eine Reinigung bringen muss. Ich habe das nicht ausprobiert und übernehme dafür keine Gewähr.

Wenn keine Tinte aus dem Tank in den Tintenleiter nachfließt, dann ist er notgedrungen irgendwann einmal leer geschrieben. Der besten Feder ist kein Vorwurf zu machen, wenn sie vor lauter Durst in den Streik tritt. Um das zu verhindern, muss der Drehknopf am Schaft geöffnet werden. Das ist für einen Penthusiasten, der sonst Kolbenfüller oder Konverter benutzt, gewöhnungsbedürftig. Auf dem Foto kann man gut erkennen, wie der Stempel an der Stange den Weg der Tinte in den Leiter freigibt. Damit steht einem Schreiberlebnis nichts mehr entgegen, das in Anbetracht der Größe des Tanks ziemlich lang anhalten wird.

Ich habe den TWSBI Vac700 im Rahmen einer Sonderaktion eines Händlers aus dem Saarland erworben, der auch in diesem Forum regelmäßig aktiv ist. Regulär kostet der Füllhalter 65 Euro. Andere mögliche Bezugsquellen haben ihren Sitz beispielsweise in den Niederlanden oder im Vereinigten Königreich.

Für dieses Geld erhält man ein Schreibgerät, das seinesgleichen sucht. Der Vac700 ist schon etwas Besonderes. Dafür erkauft man sich allerdings auch ein paar Eigenheiten. Das sollte der Interessent vorher bedenken.

Mit federnden Grüßen

Wowo
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TWSBI Vac700 Clear Demonstrator
TWSBI Vac700 Clear Demonstrator
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Größenvergleich: Pelikan M605, Lamy 2000, TWSBI Vac700
Größenvergleich: Pelikan M605, Lamy 2000, TWSBI Vac700
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Genug Platz für einen sicheren Griff? Achtung vor der Kante!
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Mit aufgesteckter Kappe einfach riesig.
Mit aufgesteckter Kappe einfach riesig.
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Hier schaut die Stange nur ein wenig heraus.
Hier schaut die Stange nur ein wenig heraus.
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Drehknopf geöffnet. Der Stempel gibt den Weg für die Tinte frei.
Drehknopf geöffnet. Der Stempel gibt den Weg für die Tinte frei.
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DanielH
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Re: TWSBI Vac700 - ein Füllhalter mit Besonderheiten

Beitrag von DanielH »

Hallo Wowo!

Danke für den tollen Testbericht. Das macht richtig Lust auf den Vac700. Meinen werde ich am Mittwochabend in den Händen halten. Ich freue mich schon darauf, ihn auszuprobieren.
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Tenryu
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Re: TWSBI Vac700 - ein Füllhalter mit Besonderheiten

Beitrag von Tenryu »

Das wäre so ein schöner und interessanter Füller. Und ich hätte nur zu gerne auch einen Vakuum-Füller in meiner Sammlung. Aber ich weiß jetzt schon, daß er wegen der Stufe für mich nicht zu gebrauchen ist.

Von der Form her würde mir der Pilot Custom 823 sehr konvenieren. Allein, er kostet rund das dreifache des TWSBI. :(
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Strombomboli
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Re: TWSBI Vac700 - ein Füllhalter mit Besonderheiten

Beitrag von Strombomboli »

Wegen der Stufe würde ich mir nicht allzu viele Sorgen machen. Ich hatte eine Weile einen Vac 700 und fand, daß er besser in der Hand liegt als der Diamond 580, was ich, eben wegen der Stufe, nicht erwartet hätte. Schau mal, ob du jemanden kennst, der einen hat, damit du ihn mal in die Hand nehmen kannst; ich würde ihn an deiner Stelle nicht von vornherein ausschließen.
Zuletzt geändert von Strombomboli am 15.12.2014 15:57, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: TWSBI Vac700 - ein Füllhalter mit Besonderheiten

Beitrag von DanielH »

Eine wirklich tolle Sache ist, dass es ein Demonstrator ist - einfach wegen des Füllmechanismus. Sonst mag ich Demonstratoren nicht so und ich würde mir wünschen, dass TWSBI mehr nicht-transparente Varianten in sein Sortiment aufnimmt.
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Wowo
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Re: TWSBI Vac700 - ein Füllhalter mit Besonderheiten

Beitrag von Wowo »

@ Tenryu:
Ich habe meinen Beitrag im Hinblick auf die Stufe im Übergang vom Korpus zum Griffstück noch einmal überarbeitet. Vielleicht schreckte er vorher in diesem Punkt zu sehr ab. Auf dem einen Bild kann man ganz gut sehen, wo mein Daumen diesen Absatz ganz leicht berührt und mein Zeigefinger ihm gelegentlich nahe kommen kann. Ich möchte Strombomboli beipflichten, dass es auf einen Versuch ankommt. Wenn das Gerät nicht in deine Hand passt, nimmt jeder Händler in der EU die unbenutzte Ware wieder zurück.
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Re: TWSBI Vac700 - ein Füllhalter mit Besonderheiten

Beitrag von DanielH »

Jetzt halte ich meinen ja auch in den Händen. Und ich muss sagen, dass ich von der Größe beeindruckt bin. In der Länge ist er mit dem M1000 fast identisch, sogar einen Tick länger. Interessant finde ich die facettierte Oberfläche von Kappe und Drehknopf. Das ein nettes Detail, das die Handhabbarkeit erhöht.
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