Wearingeul, 7 Colored Ocean

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Querkopf
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Wearingeul, 7 Colored Ocean

Beitrag von Querkopf »

"Die Tintenkiste ist ziemlich voll. Mach halblang", mahnt die Vernunft, "du hast doch grad ein paar Blaus gefunden, Blau mit ‘nem Twist, so wie du es magst." – "Ja, schon, aber da draußen in der großen weiten Tintenwelt gibt es noch mehr Schönes", kontert die Neugierde, „und Blau geht doch immer! Außerdem: Ein klein wenig Platz ist in der Kiste noch."

Wer hat gewonnen? Logo: die Neugierde. Und, um's vorab zu sagen, ich auch: 7 Colored Ocean von Wearingeul finde ich grandios.

Wearingeul aus Korea, noch nicht sehr lange am Markt, hat es mit Literatur. Man will einzelne Text-Metaphern, fiktive Figuren oder auch die allgemeine Atmosphäre eines Textes quasi in Tintenfarben "übersetzen". Dabei geht es quer durch die Dichtung und Prosa der Welt. Und auch Koreas; so ist eine Fünfer-Serie Lee Yuk-sa (1904-1944) gewidmet, Journalist, Dichter und Aktivist der koreanischen Unabhängigkeitsbewegung gegen die Kolonialmacht Japan. Zu dieser Serie gehört 7 Colored Ocean.

Die Tinten kommen in hübschen, schlichten, schweren 30ml-Glaswürfeln. Kostenpunkt 20 Euro, also 66,67 Euro/ 100 ml – das ist, preislich, Oberklasse (Iroshizuku-Tinten z. B. kosten etwas weniger, während Caran d'Ache-Tinten, MB-Sondertinten, ein paar Colorverses, diverse Japantinten noch drüber liegen).

Was steckt im Glas?
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Klecks auf Küchenkrepp: Blau. Intensiv und leuchtend.

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Klecksspur auf der Krepp-Lage drunter: helles Blau-Türkis.

Noch ein Klecks, dieses Mal auf leicht angefeuchtetem Krepp:
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Mindestens 3 Meerwasserfarben sind schon da :)...

Etwas Schrift, Wattestäbchengepinsel und mehr Kleckserei auf hochweißem Rhodia-Papier:
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Näher dran, jetzt mit Seitenlicht:
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An den Rändern der mit Wasser gemixten Farbflächen und in den Tinte-pur-Klecksen ganz rechts zeigt sich Sheen, tief rötlich- purpurfarben, matt schimmernd.
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Querkopf
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Re: Wearingeul, 7 Colored Ocean

Beitrag von Querkopf »

Wie benimmt sich die Tinte beim Schreiben?

- Fluss: sehr gut, auf der nassen Seite
- Trocknungszeit: moderat, nach max. 15 Sek. ist alles wischfest
- Ausfedern, Durchschlagen: nein
(Ausnahme: eine sehr breite, sehr nasse Feder produziert auf schlechtem Papier unscharfe Schriftränder und deutliche Spuren auf der Blattrückseite – mit feiner Feder auf demselben schlechten Papier bleibt die Tinte aber da, wo sie sein soll)
- Verschmieren: nein
- Nicht wasserfest, doch etwas wasserresistent. (Beim Test durften die Tropfen ca. 30 Sek. auf dem Blatt rumkullern, dann wurde abgetupft; es blieben gut erkennbare Linien stehen, Briefträgertest bestanden.)
- Shading: ja, ausgeprägt, expressiv, aber ohne ungebührliche Unruhe im Schriftbild
- Sheen: ja, tiefpurpurn-rötlich, in der Schrift allerdings nur zu ahnen.

Mehr Schrift. Am Werk: TWSBI Vac Mini mit 1,1 Stub-Feder.
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Eine Seite im Apica-Notizbuch (Papier A.Silky 865 Premium, weiß, aber nicht hochweiß). Auf der Nachbarseite links ist Schrift mit Hypnotic Turquoise von Caran d’Ache zu sehen.

Näher dran:
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Klare Konturen und lebhaftes Shading.

Mit schmaler Feder geschrieben (Pelikan M205 mit IF-Feder), kommt die Tinte etwas dunkler, blauer, dabei leuchtender. Hier im Rhodia-Notebook (elfenbeinfarbenes Papier):
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Vergleichsversuch auf Midori-Papier (hellelfenbeinfarbig):
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Nur ein Versuch, denn ich besitze kaum wirklich Ähnliches. Die Türkis-Töne, die mir bisher unterkamen, waren mir alle zu knallig, sie durften nicht rein in die Tintenkiste. Auch das CdA-Türkis, das hier dabei ist, wird nach dem Leeren der aktuellen Patrone nicht einziehen.

Ein anderer, etwas besserer Vergleich im Rhodia-Notebook (elfenbeinfarbenes Papier):
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Überm Strich 7 Colored Ocean, unterm Strich Melancholic Blue von Teranishi. Unten changiert das Blau Richtung Petrol (grünlich), oben Richtung Blau-Helltürkis.

Letzteres sieht man noch deutlicher in der Nahaufnahme. Und auch das schöne Leuchten:
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Zum Schluss: Thementinten – ist das bloß Marketing oder was Ernsthaftes? Eine Gratwanderung. Mein Eindruck nach einem langen Spaziergang über die Website ist, dass die Wearingeul-Leute sich zur tintigen Umsetzung literarischer Motive eine Menge Gedanken machen. Ok, manches auf der Website liest sich holprig. Und im Fall von Lee Yuk-sa (auch "Li" geschrieben oder "Yi", offenbar divergieren die Umschriften) hilft das Net ohne Koreanisch-Kenntnisse nicht weiter, denn zu den als Bezug genannten Gedichttexten sind online keine Übersetzungen zu finden.
Aber hie und da blitzen Korrespondenzen auf. Pfiffig etwa bei Dr. Jekyll to Mr. Hyde, von Andrea/ rubicon hier vorgestellt. Stimmig bei Stars in Autumn (Mark IV hat die Tinte hier vorgestellt) oder auch bei Black Dream aus der Lee Yuk-Sa-Reihe, wo ein Text-Bild zitiert wird. Die Wearingeul-Leute meinen's schon ernst, und sie haben keine schlechte Hand dabei.

Und Tinten mischen können sie hervorragend – 7 Colored Oceans ist ihnen jedenfalls großartig gelungen :D .
Schöne Grüße
Doris
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vanni52
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Re: Wearingeul, 7 Colored Ocean

Beitrag von vanni52 »

Querkopf hat geschrieben:
20.02.2023 23:32

Mindestens 3 Meerwasserfarben sind schon da :)...
Im Schriftbild auf dem Apica schaut es nach deutlich mehr aus, zwischen dem hellen Blautürkis und dem dunklen Petrol.
Schon ein beeindruckendes Shadingverhalten. Und dann kommt ja noch der rote Sheeneffekt dazu. Also, die Zahl 7 ist sicher keine Übertreibung.
Danke für die Vorstellung dieser ausgesprochen schönen Tinte. Übrigens, zu „Blau mit ˋnem Twist“ fällt mir der Modetanz der 60iger ein, der durchaus eine Assoziation auslöst.🙂
LG
Heinrich
rubicon
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Re: Wearingeul, 7 Colored Ocean

Beitrag von rubicon »

Sehr schönes Blau - vielen Dank für die Vorstellung. Das ist auch ein schöner Name für eine Tinte.
LG
Andrea
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vanni52
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Re: Wearingeul, 7 Colored Ocean

Beitrag von vanni52 »

Die Tinte gefällt mir so gut, da muss ich direkt mal in meinem Tintenschrank nachschauen, wie nahe der ein oder andere Kandidat an den Farbton der Wearingeul herankommt.
Zunächst zwei Iroshizuku Tinten und die Pelikan Edelstein Aquamarine:

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Ich muss natürlich erwähnen, dass hier Feder und Papier (TR 52) abweichen, aber die Iroshizuku Tsuki-Yo kommt schon recht nahe heran. Noch ein zweiter Versuch, diesmal zwei Montblanctinten, Petrol Blue und Leo Tolstoy (TR 52):

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Hier ist die Tolstoy nicht so weit entfernt, allerdings fällt das Shading im Vergleich zur Wearingeul deutlich dezenter aus, so fehlt etwa der helle Türkiston.
LG
Heinrich
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