vorab: Als Schüler hatte ich die Freude, ein Praktikum beim Uhrmacher zu machen... Das erste mechanische Uhrwerk in seine Einzelteile zerlegt auf dem Tisch, war ich sofort Feuer und Flamme für die gebläuten Schrauben und Zeiger. Nach langem Bitten und Betteln ließ mich der Uhrmachermeister dann selbst Werkteile bläuen, doch zu seinem Unmut gefielen mir ungleichmäßig gebläute Zeiger und Werkbrücken irgendwie deutlich besser. Es ging gewaltig gegen seinen berufsmäßigen Perfektionismus und stieß letztlich auf völliges Unverständnis: „Nimm mir das nicht übel, aber ich glaube, aus Dir wird kein Uhrmacher.“ - Er sollte damit Recht behalten... Aber das Interesse an Uhren habe ich nie verloren und nach wie vor spannend an Glasböden ist der Blick auf die gebläuten Schrauben... und insgeheim der Wunsch, irgendwann mal eine einzige ungleichmäßig gebläute zu finden ]:->
Und dann stolperte ich über einen kompletten Füller in diesen herrlich bunten Farbverläufen...
zum Thema:
Bilder des Kaweco Liliput Fireblue kursierem schon ein Weilchen als Special Edition für Jetpens im Netz – ebenso ein Video, das die meisten hier bereits kennen dürften. Die Idee ist einfach: Stahl lässt sich temperaturbedingt verfärben (das Stichwort hier lautet 'Anlassen' oder 'Bläuen') und verschiedene Temperaturen führen zu verschiedenen Farben – was man am Liliput herrlich sehen kann.
Freundlicherweise hat mir die Firma Kaweco einen Liliput Fireblue für ein Review zur Verfügung gestellt (no affiliation, wie man wohl sagt – und leider darf ich das hübsche Stück auch nicht behalten, dies Review ist trotz meiner persönlichen Anekdote oben also nicht als Werbekampagne zu verstehen).
Hintergrund:
Christiane Gutberlet hat mir freundlicherweise auf die Frage hin, wie man bei Kaweco auf die Idee zum Fireblue gekommen sei, geantwortet, dass Inspirationsquelle tatsächlich das Bläuen von Werkteilen im Uhrenbau gewesen sei – eins zu null für Kaweco, was mich angeht

Der Stift ist ab sofort auch in Deutschland im Handel erhältlich, aufgrund des manuellen Bläuens aber in begrenzter Stückzahl. Und zum stolzen Preis von 120,- € … nein, leider kein Tippfehler...
Gesamteindruck:
Der Kaweco Liliput ist ein seeeeehr kleiner Füller und das mag gefallen oder auch nicht, zweifellos ist das eine Typfrage und ebenso eine des Einsatzzweckes. Der größte Vorteil, wenn es um Stabilität und Packmaß geht ist eben auch ein Nachteil, wenn man ausgedehnt schreiben möchte, große Hände hat oder seinen Füller normalerweise am Clip in irgendwelche Taschen steckt... Die Liliput-Fans und vielleicht auch einige Kaweco Sport Freunde werden damit kaum Probleme haben. Wer normalerweise mit Pelikan 800ern oder MB Meisterstücken schreibt, hingegen schon. Man kann es drehen und wenden, wie man will, als stabiler und unempfindlicher Taschenfüller – wofür Kaweco seit sehr langer Zeit steht – ist es jedenfalls ein hervorrangender Reisebegleiter. Der Liliput... ob der Fireblue auch, wird sich erst noch zeigen, denn die Anlassfarben sind eine Veränderung in der Oberflächenstruktur und ich habe um ehrlich zu sein keine Ahnung, wie dauerhaft das ist... Meine ungleichmäßig gebläute Werkbrücke und Zeiger damals beim Uhrmacher wurden mir jedenfalls nach kurzem Überpolieren mit den Worten „und jetzt nochmal richtig“ zurückgegeben. Gewinde und Griffstück sind gut geschützt, der Rest wird allerdings in der Tasche ständig berieben. Was andererseits auch wieder den Charme einer sich daraus entwickelnden Patina ergeben kann. Ein bisschen verkehrte Welt im Vergleich zu den unbehandelten Alu-/ Messing- und Kupfermodellen, wo es darum geht, dass sich eine Patina entwickelt, wird der Fireblue bereits mit Patina geliefert und es liegt dann am Besitzer, wie weit sich diese Patina dann zurückentwickelt. Aber das sind pure Spekulationen, ich habe keinerlei Erfahrungen zur Dauerhaftigkeit und Veränderung der Anlassfarben beim Liliput im Laufe der Zeit. Ganz verschwinden werden sie sicher nicht und selbst wenn sie verblassen, wäre das in meinen Augen immer noch eine sehr spannende Sache.
Verarbeitung:
Die Verarbeitung meines Testexemplars ist makellos. Alle Teile passen trotz der Hitzebehandlung perfekt zusammen (was alles andere als selbstverständlich ist, weil sich beim Erhitzen und Abkühlen gerne mal was verzieht). Die Kappe schließt perfekt und eng am Korpus ab. Kein Spalt. Die Gewinde schließen sicher. Die Imprints sind präzise und gleichmäßig.
Kurzum: Alles tippitoppi und so wie es soll. Vor allem so wie es muss, wenn man den Preis von 120,- bedenkt.
Finish:
Die Anlassfarben sind bunt – reichen von stahlgrau über blau und lila zu messingfarben – aber wirken über den gesamten Stift betrachtet doch stimmig wie aus einem Guss (das hatte ich damals bei meinen Werkbrücken irgendwie nicht geschafft...). Wie bei allen glatten Stahlflächen sind Fingerabdrücke gut sichtbar und ob die bunten Farbverläufe das nun besser oder schlimmer machen, liegt im Auge des Betrachters... einerseits lenken all die bunten Farben sicherlich etwas von den Fingerabdrücken ab, andererseits heben sie sich farbig ab: bläulicher Fingerabdruck auf lilanem Grund, linlane Abdrücke auf messingfarbenem Grund etc.

Vielleicht ist es eine 'love it or hate it'-Sache. Ich mag das Fireblue-Finish sehr. Es ist eindeutig mal etwas ganz anderes. Und es steckt tatsächlich Handarbeit dahinter. Andererseits ist es auch alles andere als ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass nur das Finish etwa 50,- € mehr kostet als die stainless steel Version. Selbst ich mit meiner durch die einleitende Anekdote begründeten Affinität, bin nicht ganz sicher, ob ihn mir kaufe.
Unabhängig vom Preis allerdings bin ich begeistert von der perfekten Verarbeitungsqualität und auch vom sehr stimmigen Finish. Der Witz besteht darin, dass die bunten Farbverläufe trotzdem aus 'gedeckten' Farben bestehen. Der Fireblue ist nicht in dem Sinne knallig oder spiegelnd oder 'bling-bling'. Dezentes Understatement lässt sich ganz gewiss auch nicht sagen, aber ich persönlich finde ihn zurückhaltender als bspw. die Kupferversion.
Schreibeigenschaften:
Wenn ich es richtig sehe, ist es das Standardaggregat. Kaweco üblich schreibt es zuverlässig, wenn auch auf der trockenen Seite. Was in Anbetracht der Tintenversorgung nur über kleine Patronen und vor dem Hintergrund der Idee eines Reisefüllers allerdings durchaus von Vorteil ist: Die Tintenfüllung hält schlicht länger. Der Tintenfluss ist gleichmäßig, die Feder schrieb sofort an und gibt, hart wie ein Nagel aber sauber geschliffen, gutes Feedback.
Aufgrund der Abmessungen ist das Griffstück extrem schmal und sehr dicht an der Federspitze, sprich: Auch wenn das Griffstück hübsch wie ein Griffstück aussieht, dürfte zum bequemen Schreiben wohl kaum jemand tatsächlich auch dort anfassen. Ich persönlich fasse am Korpus knapp überm Gewinde und finde dort nicht nur die Griffposition bequem, sondern auch den Umfang bequemer – immer noch sehr schmal, machen wir uns nichts vor, aber praktikabel schmal. Das passt schon
Alles in allem finde ich die Idee zum Fireblue großartig und auch die Umsetzung sehr gelungen. Aufgrund der begrenzten Stückzahl und des Preises ist es ein Liebhaberstück – aber ganz im Ernst: kaum einer von uns 'braucht' wirklich irgendeinen seiner Füller

Grüße in die Runde,
Armin
P.S. Ich habe bei den Fotos mein Möglichstes versucht, aber gerecht wird es dem Farbspiel nicht so wirklich...