Postkarte von 1905 - Welche Feder ist das?

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Schneeflocke
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Postkarte von 1905 - Welche Feder ist das?

Beitrag von Schneeflocke »

Hallo!

Auf Flickr.com sah ich dieses tolle Bild einer Postkarte von 1905:

http://img100.imageshack.us/img100/4812/postcardrh7.jpg

Was für eine tolle Feder hat das geschrieben? Sie scheint EF-schmal schreiben zu können, aber wenn man will, etwa bei den Großbuchstaben, wechselt es auch schonmal zu einer "XXL-B". Sieht äußerst schick aus. Heute gibt es wohl keine modernen Federn mehr, die das auch können?

Noch eine Frage: Wie kann es sein, daß die Federn vor 60, 80 oder 100 Jahren auf dem Papier so gut und flüssig schrieben, während heutige Feder so riesige Probleme mit Kratzen und stockendem Tintenfluß haben? Früher war das Papier doch um Lichtjahre schlechter als heute! Und die Federn waren doch auch Massenproduktion wie heute. Dennoch sind alte Federn generell super, während heutige zu mächtigem Frust führen...

Liebe Grüße
Schneeflocke
M. Richter
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Beitrag von M. Richter »

Das ist eine sehr schöne Postkarte!

Die Feder ist eindeutig eine feinere EF-F Feder die zusätzlich sehr flexibel ist; diese kann man durch einen erhöhten Schreibdruck spreizen, so dass diese - soweit dies der Tintenfluss erlaubt - viel breiter schreibt.

Solche Feder gibt es hauptsächlich bei alten Füllern - teilweise bei Pelikan und Montblanc bis in die 50er Jahre - oder man kann sich eine moderne 14K Pelikan Feder nachräglich in eine flexible Feder umwandeln lassen.

Aber die Postkarte kann durchaus auch mit einer flexiblen Stahlfeder und einem Federhalter beschriftet worden sein.

Die alten Füller schreiben in der Regel besser weil diese noch ausschließlich zum Schreiben verwendet wurde, teilweise andere Marerialien für Tintenleiter verwendet wurde, es noch keine Patronen-/Konverter Füller gab und mehr "Liebe ins Detail" in das Federschleifen gesteckt wurde....


Viele Grüße

Michael
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Tenryu
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Beitrag von Tenryu »

Ja, die gute alte Zeit, wo es noch derart flexible Federn und kultivierte Handschriften gab; und das Porto nur einen Cent kostete. :D
M. Gonkohlt
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Beitrag von M. Gonkohlt »

Das war vor allem auch die gute alte Zeit, wo die Leute noch fremde Handschriften lesen konnten. :)

Hier ist eine schöne Seite zu dem Thema:
http://www.solingen-internet.de/si-hgw/ ... reiben.htm

Freundliche Grüße
Mathias
G-H-L
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Schönschrift

Beitrag von G-H-L »

M. Gonkohlt hat geschrieben:Das war vor allem auch die gute alte Zeit, wo die Leute noch fremde Handschriften lesen konnten. :)
Damals nahm man sich halt noch die Zeit um solche Schriftstücke zu erstellen. Auf eine schöne Schrift wurde damals großen Wert gelegt. Heute muß alles schnell gehen und auf eine schöne saubere Handschrift wird kein großer Wert mehr gelegt.

Gruß
Gerhard
Gruß
Gerhard

Nein, das ist keine unleserliche Handschrift!
Der Text ist nur analog verschlüsselt! :)
absia
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Beitrag von absia »

Prostest!!!
G-H-L
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Re: Schönschrift

Beitrag von G-H-L »

G-H-L hat geschrieben:
M. Gonkohlt hat geschrieben:Das war vor allem auch die gute alte Zeit, wo die Leute noch fremde Handschriften lesen konnten. :)
Damals nahm man sich halt noch die Zeit um solche Schriftstücke zu erstellen. Auf eine schöne Schrift wurde damals großen Wert gelegt. Heute muß alles schnell gehen und auf eine schöne saubere Handschrift wird kein großer Wert mehr gelegt.

Gruß
Gerhard
PS: Nach dem Protest von absia! Anwesende sind natürlich ausgenommen. :-)))
Gruß
Gerhard

Nein, das ist keine unleserliche Handschrift!
Der Text ist nur analog verschlüsselt! :)
hotap

Re: Schönschrift

Beitrag von hotap »

Hallo zusammen,
G-H-L hat geschrieben: Damals nahm man sich halt noch die Zeit um solche Schriftstücke zu erstellen. Auf eine schöne Schrift wurde damals großen Wert gelegt.

…und in der Broschüre „75 Jahre F. Soennecken, Bonn – Diener der Schrift“ erfahren wir, das der spätere Gründer gleichnamiger Schreibgeräte- und Büroartikelfirma in seiner Schulzeit in Sonderkursen die Schönheiten der Schrift erlernte.
Später in seiner Lehrzeit durfte er dann u. a. verantwortungsvolle (Schrift)Arbeiten übernehmen, wie „das Schreiben der Köpfe“ in den Geschäftsbüchern und alles weitere was mit Schrift und Schreiben im Kontor zusammenhing.

Als er wegen einer Unachtsamkeit die eingetauchte Feder vor Eifer zu schnell aus dem Tintenfass zog, riss er das Tintenfass um, sodass sich ein schwarzer Strom voller Tinte über das kostbare Hauptbuch ergoss. Umgehend setzte die Rechte des Chefs zu einem kräftigen Schwung an und hell klatschend fand seine Rechte den Weg an Soenneckens Backe.
Und aus dieser Ohrfeige heraus wurde das erste stehende Soennecken-Tintenfass geboren. Es war ein derber Holzklotz in dem sich ein Loch für den Tintenbehälter befand. Und Soennecken sagte zu seinem Chef: So, niemals mehr wird ein Tintenfass umfallen und ein Hauptbuch verderben. (Alles nachzulesen in obiger erwähnter Broschüre.)

Das hat damals bestimmt mehr Spaß gemacht, als heute immer alles „am ollen Computer“ zu entwerfen.

Viele Grüße
Günter
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Tenryu
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Beitrag von Tenryu »

Ich habe mal ein Titenfaß (aus Glas) gesehen, das man auf den Kopf stellen konnte ohne, daß Tinte herausläuft (es hat keinen Deckel). Ich weiß aber leider nicht, wie das Modell heißt oder wo man es bekommt.
nibby
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Registriert: 15.11.2004 19:18

Beitrag von nibby »

Hallo,

ich finde die (inzwischen mehrfach auch hier im Board aufgetauchte) Diskussion um die eventuell verlorengegangene "schöne" Handschrift recht anregend.

Bei der Argumentation sollte man aber folgende Punkte bedenken:

- Die angeführten Beispiel-Abbildungen stammen oft aus dem Bereich der "formalen" Schrift und wurden von Menschen geschrieben, die das "repräsentative Schönschreiben" als Beruf erlernten und täglich ausführten. Auch jetzt gibt es noch genug professionelle "Schreiber" (heute nennt man sie vielleicht eher "Kalligraphen") die Schrift beherrschen und auch "schön" schreiben können.

- Oft ist der Eindruck, die alte Handschrift sei schön, durch die ungewohnte Schrift-Art hervorgerufen. (So ähnlich wie man bei chinesischen Schriftzeichen zunächst keine "geübten" Kriterien für Harmonie und Schönheit hat und alles schön aussieht). Eine nähere Betrachtung zeigt dann im Detail doch wieder genau die Eigenheiten, die uns bei der gewohnten Schrift sofort als unangenehm auffallen.

- Der Begriff Schönheit ist ein durch die Referenz-Gruppe definierter Begriff. Eine schöne Asiatische Kalligraphie ist oft praktisch unleserlich. Schön und leserlich muß also nicht unbedingt zusammenfallen. Was ist der Sinn der Schrift? Ein wichtiger Zweck z.B. in einem Brief ist die Kommunikation. Besser man bekommt einen Brief als keinen. Es gibt ein schönes Zitat von Dürrenmatt: „Leserlichkeit ist die Höflichkeit der Handschrift.” Übertragen auf eine Fremdsprache wird es vielleicht klarer: "Gib Dir Mühe verständlich und deutlich zu sein" mit dem impliziten zweiten Halbsatz "... fange aber an, selbst wenn Du noch nicht perfekt bist".

- Gleichmäßigkeit in der Schrift wird oft als schön empfunden. Diese läßt sich relativ leicht durch Übung erreichen. Hat man diese erreicht, kann man auch schnell sehr gleichmäßig schreiben. Ich denke, daß man einen schönen Brief bei mittelmäßiger Übung schneller schreiben kann als auf einem Computer (solange man nicht wieder eine Sekretärin als Vergleich nimmt). Die Zeitfrage ist also eventuell nicht die relvanteste, eher vielleicht der gesellschaftliche Kontext.

Wenn man sich die Lehrpläne anschaut, dann ist das Faktenwissen nicht mehr so wesentlich, wie das Erkennen von Zusammenhängen. "Auswendiglernen und Wiederholen kann jeder" das Übertragen und "Anwenden alter Prinzipien in neuen Zusammenhängen" und finden neuer "kreativer Lösungen" haben heute einen viel höheren Stellenwert. Übertragen heißt das aber auch: "Schönschrift ist nur Übungssache, der Inhalt ist viel wichtiger".

Für mich kann ich nur sagen, ich freue mich über einen lieben Brief viel mehr als über eine inhaltsleere Kalligraphie. Trifft aber beides zusammen, so freue ich mich doppelt!

Was meine Briefe angeht, so versuche ich einen Kompromiß zwischen Schönheit und Leserlichkeit zu finden, der meinen Respekt dem Gegenüber ausdrückt. (Wohlwissend, daß es keinen perfekten Kompromiß gibt).

Ich hoffe, nicht zu sehr gelangweilt zu haben.

Mit bestem Gruß

nibby
Dirk Barmeyer

Beitrag von Dirk Barmeyer »

Hallo Nibby,
danke für Deinen Text und volle Zustimmung von mir.
In der "guten alten Zeit" hätte ich vermutlich 3-4 Jahre Schulbildung genossen und säße jetzt nicht am Computer, sondern wäre bei der Feldarbeit oder in der Fabrik.
Nee, da habe ich lieber eine etwas schwerer zu entziffernde Handschrift.
Viele Grüße
Dirk
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