Ja, ich verstehe diese Überlegung und weiß es leider auch nicht.
Trigger Warning: Das Folgende ist zu einem lauten Nachdenken darüber geraten, woran es wohl liegen mag, dass mich die Füllerschreiberei im Augenblick mehr nervt und frustriert als alles andere. Zarte Gemüter mögen diese Reflektionen überlesen.
Ich erinnere mich aber noch, wie ich als junger Physikstudent auf meine Kritzeleien blickte und mich fragte, wie lange es wohl dauern wird, bis ich sie ohne Lesebrille nicht mehr entziffern kann.
Ich habe einige vorhin aus dem Regal geholt und erleichtert festgestellt, dass ich immer noch alles problemlos lesen kann.
Früher hatten sogar China-Kladden, diese schwarzen mit den roten Ecken und Rücken, eine feine, graue Lineatur, unaufdringlich, auf der man wunderbar schreiben konnte, auch mit schwarz.
Das waren die billigsten der billigen Kladden, und ich konnte mit dem Pilot G-Tec 0.4mm, ja sogar mit den Pelikan Inky-Stiften darauf schreiben, ohne dass da etwas durchgesuppt ist. (Die schwarze Schrift scheint zwar durch, aber nichts blutete.)
Wie ich das gerade geschrieben habe, kam mir spontan folgende Idee: Ich schreibe mal mit der Carbon Ink auf das Papier, das über 20 Jahre alte Papier aus China, wo die Kladde 3,80 D-Mark gekostet hat.
Ergebnis: Die Platinum Carbon Ink blutet auch nicht durch.
Ich stelle mich ja ernsthaft selber in Frage! Ich frage mich ernsthaft, ob ich ein komischer Kauz geworden bin, warum mich früher diese Sachen nicht gestört haben, die mich heute so sehr stören.
Wenn ich jetzt diese alte Kladde in der Hand halte, meine kleine, feine Handschrift betrachte, geschrieben mit einem Pilot G-Tec 0.4mm, der heute durch 10 Moleskine-Seiten durchschreiben würde, darauf mit der Carbon Ink schreibe, die man in so gut wie keinem gängigen Notizbuch benutzen kann, und sehe, dass vor 20 Jahren die allerbilligste China-Kladde eine Papierqualität hatte, die ausreichend ist für die Carbon Ink, dass die allerbilligste Chinakladde eine hellgraue, feine Lineatur hatte, die sich nicht massiv ästhetisch störend mit der Tintenfarbe beißt, dann frage ich mich, ob ich mich so sehr mit meinen Ansprüchen verändert habe, oder ob heute einem einfach nur noch - mit Verlaub - Dreck als Papier verkauft wird.
Ja, ich mag blaue Lineatur, aber früher habe ich mich auch nicht gestört, wenn die Lineatur nicht blau war, und warum? Weil sie damals fein, hellgrau und unaufdringlich war, und heute fette, dunkle Linien auf das Papier gedruckt werden, die sich mit den Schwarztönen der Tinte beißen.
Jedes Schulheft für 30 Pfennig hatte eine Papierqualität, die man problemlos mit Tinte beschreiben konnte, sogar dieses "Umweltpapier" mit der ekelhaften grauen Farbe, das in den 1990ern so in Mode war.
Aber es fällt heute niemandem mehr auf, weil fast jeder mit einem Kugelschreiber schreibt, und die Paste kann man eben gut - oder sogar besser - auf einer Papieroberfläche abrollen, die rauh und durchlässig ist.
Möglicherweise ist meine aktuelle Füllerkrise in Wahrheit eine Papierkrise.
Ich habe aus meinen Studienzeiten noch unerschöpflich viel Übungsmaterial im Regal stehen, das ich nie gerechnet habe, das ich heute zum Spaß in meiner Freizeit rechne, so wie andere Kreuzworträtsel oder Sudokus lösen.
Im Augenblick benutze ich die Kladden vom RNK-Verlag und schreibe darauf mit Thoms Nachtblau. Sehr günstig, und noch althergebrachte graue Lineatur, aber dann habe ich wieder was zu meckern, steife Bindung, die lassen sich nicht flach aufschlagen, und ja, die billige Billig-Chinakladde von vor 20 Jahren konnte das auch, flach auf dem Tisch liegen, ohne dass man drücken muss, um die Seite zum Schreiben eben zu kriegen.
So, jetzt habe ich laut darüber nachgedacht, was denn der Grund für meine aktuelle Frustration mit der Füllerschreiberei sein mag, und wen's langweilt, kann es gerne ignorieren.
Ich habe einen alten Pelikan P495 aus den 1970er Jahren; die Goldfeder habe ich gegen eine EF-Stahlfeder aus der gleichen Zeit getauscht, und siehe da, diese Feder zieht tatsächlich einen Strich, den man als "extra fein" bezeichnen kann, sogar nach japanischen Maßstäben.
Warum geht das alles heute nicht mehr?
Vielleicht habe nicht ich mich so sehr zum Kauzigen verändert, vielleicht ist einfach das Material schlechter als damals, weil keiner mehr Wert darauf legt und keiner mehr mit der Hand schreibt, ja sogar die Schulen darauf verzichten, den Kindern Schreibschrift beizubringen.
Um aber zum eigentlichen Thema zurückzufinden: Dennoch werde ich versuchen, meinen Platinum #3776 UEF etwas nasser zu bekommen, weil der nämlich eine feine Linie zieht, die so fein ist wie ein Uniball 0.38mm-Gelstift. Die Füllerlinie ist aber nicht ganz so schwarz wie die Gel-Linie, deswegen hätte ich ihn gerne ein wenig nasser, ohne die Feder auseinanderzuspreizen, denn dann hätte ich ja nicht mehr die feine Linie.
Schönen Vatertag

Arda