Federn selber flexibel machen?

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phouk
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Federn selber flexibel machen?

Beitrag von phouk »

Hallo,

es gibt ja bekanntlich Spezialisten in den USA, die einem jede (geeignete) Feder flexibel machen können. Weiß eigentlich jemand, *wie* die das anstellen? Ich hätte gut Lust, die eine oder andere Stahlfeder für ein Experiment zu riskieren...

Ich meine, vor langem irgendwo gelesen zu haben, daß früher bei irgendeinem Hersteller Federn teilweise von Hand durch Hin- und Herbiegen der Federschenkel flexibler gemacht wurden. Stimmt das? Hat das schon mal jemand selber versucht?

Was ich selbst schon herausgefunden habe: Wenn man Feder an den Seiten, dort, wo sie am breitesten ist, ganz leicht nach aussen/oben biegt, wird sie auch flexibler. Was auch logisch ist, je mehr Rundung, desto mehr Festigkeit.

Allerdings sieht die Feder jetzt auch etwas anders aus, schreibt aber besser. So wie ich's gemacht habe, sieht man auch, daß an der Feder gebogen wurde - jemand handwerklich geschickteres bekommt das sicherlich besser hin. Würde ich dennoch bei keiner Feder versuchen, die ich nicht zu opfern bereit wäre!!! Zeigt nachher nicht auf mich...

Noch etwas: Kann man das Feder-Tintenleiter-Modul von Pelikanen selber gewaltfrei weiter zerlegen? Wie?

Frohes Schreiben,
Falk Brügmann
phouk
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Feder zerlegen... Siehe...

Beitrag von phouk »

Zum Punkt "Feder-Modul zerlegen" habe ich unter dem Thema "federwechsel" (eins oberhalb dieses Thema in der Rubrik "Rund um die Feder") zwischenzeitlich selber eine Antwort eingestellt. Auch wenn die Qualifizierung "gewaltfrei" nur teilweise zutrifft. :wink:

Die restlichen Fragen bleiben...

8) Falk Brügmann
Thomas
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Beitrag von Thomas »

Hallo,
also im Grunde genommen ist das Material der Flex-Federn zwischen dem Herzloch und dem Schreibkorn nur dünner ausgewalzt. Das hat natürlich gravierende Auswirkungen, hauptsächlich auf die Möglichkeit des schnellen Schreibens. Eine flexible Feder reagiert ja ganz stark auf die kleinste Druckveränderung. Ausserdem ist sie von Natur aus immer EF, was schonmal ziemlich kratzbürstig ist. Wer's probieren will, der kauft sich ein einfaches Kalligrafieset. Da sind Federn mit gaaanz langen Gabeln dabei, die sich ganz leicht spreizen lassen.
Viel Spass wünscht

Thomas
nibby
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Registriert: 15.11.2004 19:18

Beitrag von nibby »

Hallo Falk,

an Stahlfedern experimentiern erfordert schon Geduld, da der Materialabtrag extrem langsam ist. Der einzige Vorteil ist, daß man im Vergleich zu den empfindlicheren Goldfedern nicht so vorsichtig sein muß.

Allgemein kann an vielen Stellen angesetzt werden, um eine Feder nachträglich "flexibler" zu machen (was immer das auch im einzelnen bedeutet, siehe hier auch die Diskussion "Auf der Suche nach der 'flexiblen Feder'"). Neben dem Hinweis von Thomas, daß die Federgabeln bei flexiblen Federn dünner sind, würde ich vor allem auf die Breite der Federgabeln, die Form/Größe des Herzloches und zusätzliche Schlitze hinweisen.

Im Internet sieht man z.B auf der Seite eines professionellen "Flexibilisierers" an der Feder des Pelikan M800, daß die Federgabeln (von außen) schmaler gemacht worden sind. Ebenso ist auf einer Seite zu sehen, daß das Herzloch die Federgabeln sozusagen "von innen" schmaler machen bzw. als Zusatzeffekt eventuell auch noch verlängern kann. Bei Tauchfedern sind zudem oft die Federgabeln mit zusätzlichen Schlitzen im oberen Bereich versehen. Im allgemeinen also "weniger Metall = mehr Biegung".

Wenn man einfach drauflos "feilt" gibt es aber zwei Haupt-Fallstricke:
a) Die Feder wird zwar weniger steif, die Federschenkel trennen sich jedoch nicht weit genug.
b) Die Federschenkel trennen sich gut, aber es fließt keine Tinte mehr.

Zu erkennen, wie die Effekte zusammenhängen erfordert Erfahrung und die muß man sich erkaufen:
Entweder durch Üben oder durch das Bestellen einer fertigen Feder. Vielleicht hat ja auch jemand mal Geduld und gibt eine Feder in ein Programm zur Deformationsberechnung z.B. mit finiten Elementen ein, da kann man sicher sehen, wo was abgetragen werden sollte und welche Effekte das hat.

Falls Du immer noch den Mut hast, selbst Hand anzulegen, hier ein paar Tips für den Anfang (sicher nicht perfekt, aber vielleicht ein paar Anregungen):

0) Vor dem ersten Versuch sollte man wenn möglich an "original-flexiblen" Federn studieren wie sie sich unter Druck verhalten. Schaut man sich die semiflexiblen Goldfedern der Pelikan 140 an, so sind sie oft zur Spitze hin nach unten gebogen: Wenn Druck ausgeübt wird werden die Federgablen gerade und trennen sich dabei, man hat also schon bei geringer Biegung eine deutliche Spreizung. Die recht flexiblen Stahl-Steno-Federn der Pelikan 120 sind eher gerade, sie biegen sich durch bevor sie sich spreizen, das gibt ein eher weiches Schreibgefühl und erfordert eine größere Biegung für die gleiche Spreizung. Interessant sind aber auch Tauchfedern, die in allen möglichen Geometrien vorhanden sind.

1) Tauchfedern sind zudem für die ersten Schritte ein ideales Übungsfeld. Bei ebay kann man einen "Sack gebrauchte" für wenig Geld erwerben und hat so genug Material für Experimente und Fehlversuche stören nicht.

2) Für die Versuche an Füllfederhaltern empfehle ich Pelikan-Federn, da sie gut zugänglich und relativ einfach zu zerlegen und wieder zusammenzubauen sind.

3) Man sollte nach jedem noch so kleinen Schritt kontrollieren, wie weit man bzw. ob man überhaupt noch auf dem richtigen Weg ist. Dazu empfiehlt es sich einen geborstenen Haltering aus einem der alten Füller z.B. Pelikan 120, 140, 400 zum provisorischen Fixieren der bearbeiteten Feder auf dem Tintenleiter aufzuheben, das funktioniert fürs Probeschreiben recht gut und geht vor allem sehr schnell.

4) Abtrag der Federschenkel von unten ("Ausdünnen "):
+ ist anschließend nicht zu sehen
+ größere Ausdünnung und damit Durchbiegung im Spitzenbereich macht die Feder u.U. im Ansatz weicher (nachgiebiger, ohne daß die Gabeln sich trennen)
+ größere Ausdünnung im breiteren Bereich macht die Feder "trennfreudiger"
- Materialreste/Grate im Federschlitz können der Tintenfluß behindern
- Ausdünnung und Verformung der Kanten des Federschlitzes können die Tintenkapazität im Schlitz reduzieren.
- man muß vorsichtig sein, um das Schreibkorn nicht anzugreifen

5) Abtrag an den Federschenkeln von außen ("Verschlankung")
+ recht genaue Kontrolle der Durchbiegung
+ keine Änderung der Geometrie des Schlitzes, also "original Tintenfluß"
- eventuell unschön
- bei zu starkem Abtrag nimmt zwar die Durchbiegung zu, die Feder spreizt aber nicht mehr richtig (der Effekt der generellen Rundung ist geringer)

6) Veränderung des Herzloches
+ kombinierte Effekte möglich
- meist sehr auffällig, evtl. unschön
- schon kleine Änderungen haben einen großen Effekt

7) Zusätzliche Schlitze
+ starker Einfluß auf Biegecharakteristik
- ohne spezielles Werkzeug praktisch unmöglich kontrolliert durchzuführen

8) Flexibel bedeutet nicht automatisch Schreibfreude. Speziell vor allem, wenn sich die Feder zwar anfühlt wie gewünscht aber keine Tinte fließen will. Zu starke Durchbiegung im Bereich des Tintenleiters bewirkt ein Abreißen der Tintenzufuhr vom Tintenleiter in den Schlitz. Zu starke Spreizung des Schlitzes bewirkt ein Abreißen der Tinte in demselben, da die Oberflächenspannung eventuell nicht mehr ausreicht den Spalt zu überbrücken bzw. genug Tinte nachzuziehen (hier hilft es z.B. wenn die Federgablen zwar schmal aber nicht zu dünn sind).

9) Verbessert werden kann der Tintenfluß u.a. durch fließfreudige Tinte (z.B. Quink) oder die Verwendung eines satt schreibenden Tintenleiters (z.B. ein alter aus Ebonit, den man sowieso aus der defekten 140/400er Feder hat, die den kaputten Haltering für Tip 3 geliefert hat, aber Achtung 140er Federn sind kleiner als 400er und auch die Tintenleiter sind anders). In begrenztem Umfang ist es möglich durch Modifikation des Tintenleiters den Tintenfluß leicht zu erhöhen (der Grat von etwas besser zu total schlecht ist aber sehr schmal). Tintenfluß ist überhaupt das eigentliche Problem (nicht nur) bei flexibilisierten Federn, so hat die (breite) Pelikan Musikfeder aus diesem Grund zwei Schlitze oder alte Füller haben teilweise ein zweigeteiltes Tintenleitsysten (unter und über der Feder).

10) Tip für das erste Projekt eines "Ungeduldigen": Verlängern des Atemlochs einer Pelikan M 200 Stahlfeder in den Logo-Bereich hinein: Das ist relativ einfach mit einer dünnen Feile bzw. dem "Dremel-Klon" und einem Schleif-/Fräseinsatz zu machen. Mit etwas Vorsicht sieht es einigermaßen professionell aus, und gibt eine fast "semi-flexible" Feder.

11) Da sich sehr viele Faktoren gegenseitig beeinflussen ist es sehr wahrscheinlich, daß eine Menge "Schrott" produziert wird bis man endlich etwas wirklich brauchbares in den Händen hält.

Ob die so flexibilisierten Federn etwas mit den "wahren, alten Flexiblen" zu tun haben weiß ich nicht, da ich noch keinen Füller dieser Art in Händen hatte. Auf jeden Fall kann man die Schreibcharakteristik in weiten Bereichen einstellen. Man ist zwar meilenweit von den Spreizungseigenschaften der Tauchfedern entfernt, hat aber oft bessere Schreibeigenschaften.

Viel Spaß

nibby
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