Materialfrage - wegen offensichtlich falscher Handhabung

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MrsColumbo
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Materialfrage - wegen offensichtlich falscher Handhabung

Beitrag von MrsColumbo »

Liebe Expertinnen und Experten,
ein lang zurückliegendes unangenehmes Füllererlebnis schleicht sich an dunklen Sonntagabenden immer wieder in meinen Kopf, und ich würde ihm nun gerne begegnen, indem ich wenigstens die Ursache kläre. Leider habe ich mit Google keine Antwort gefunden, aber sicher weiß jemand von Euch die Antwort:

Vor vielen Jahren schenkte mir eine Tante einen alten Füller, den sie auf einem Flohmarkt gefunden hat. Ich war begeistert, wollte ihn sofort reinigen und legte ihn dazu wie sonst auch einfach erst mal in ein Glas Wasser.
Als ich nach 2 Stunden nachsah, hatte sich das zweifarbige, spiralförmig gedreht Material total verformt. Ich bin total erschrocken, aber auch Trocknen half nicht mehr. Der Füller war zerstört. :( Und ich sehr traurig. :(

Wisst Ihr, was ich da zerstört habe, also materialmäßig?

Viele Grüße
Anke
LuettkenMo
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Re: Materialfrage - wegen offensichtlich falscher Handhabung

Beitrag von LuettkenMo »

Liebe Anke,

ich bin zwar kein Experte, aber denke trotzdem, dass es sich beim Material um Galalith gehandelt haben wird.
Das ist ein Kunststoff aus dem Casein von Milchprodukten und damit nicht feuchtigkeitsbeständig. Meines Wissens wurde dieser Werkstoff in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, aufgrund der kostengünstigen Herstellung bei gleichzeitig vielfältigen Möglichkeiten der Einfärbung und Musterung, häufig auch für Schreibgeräte verwendet. Die Füller sehen dann zwar schön aus, sind aber nicht wirklich für die Ewigkeit gedacht und lassen sich durch die mangelnde Feuchtigkeitsbeständigkeit auch nicht besonders gut reinigen.
Hier gibt es aber sicherlich auch Experten, die dir noch mehr und genauere Informationen geben können. Ich habe mich da jetzt bewusst etwas allgemein gehalten, da ich zwar vor Jahren etwas zu Füllern aus Galalith gelesen hatte, aber nicht ausschließen kann, dass es auch andere Materialien in der Füllhalterproduktion gab, die ähnliche Eigenschaften haben.

Viele Grüße
Mo
Viele Grüße
Mo
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MrsColumbo
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Re: Materialfrage - wegen offensichtlich falscher Handhabung

Beitrag von MrsColumbo »

Liebe Mo,
danke für die schnelle Antwort. Das klingt plausibel! :)
Anke
Crovax
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Re: Materialfrage - wegen offensichtlich falscher Handhabung

Beitrag von Crovax »

Galalith wurde auch noch in den 1950er Jahren in Europa verwendet, u.a. von Conway Stewart und von Burnham.
Laut einem Artikel (s.u.) hat CS Casein als Füllermaterial noch bis 2010 verwendet.
In den USA hat man recht schnell aufgehört, das Material zu verwenden, da es dort Gebiete mit hoher Luftfeuchtigkeit gibt (Florida) und solche Füller dort nicht lange überlebt haben.

Galalith ist ein Material aus Milcheiweiß und erlaubt wunderbare Farben, die in ihrer Tiefe und Leuchtkraft auch Zelluloid übertreffen, ABER:
Galalith nimmt gerne reichlich Wasser auf und dehnt sich dabei aus und wird weich. Beim Trocknen schrumpft es dann wieder, behält aber typische Falten (so wie Finger beim langen Baden). Das ist nicht reparierbar. Kurzes feuchtes Abwischen und Trocknen ist harmlos aber längere Nässe (auch hohe Luftfeuchtigkeit) schädigt die Optik dauerhaft.

Hier ein englischer Artikel zum Material:
https://fountainpenchronicles.blog/2022 ... -plastics/

Ich habe einen CS 15, bei dem die Kappe aufgrund von eingedrungener Tinte angeschwollen und dann gerissen ist. Nach dem Trocknen ist alles wieder auf Anfangsgröße geschrumpft und da die Feuchtigkeit nur in der Kappe war, sieht man von außen nichts aber ich habe den Füller aus dem normalen Gebrauch genommen.

Bei einem meiner Burnham-Füller kann man über den ganzen Füller mikro-Falten erkennen, die ein mattiertes Aussehen bewirken. Das könnte man vielleicht wegpolieren aber ich weiss nicht, wie dauerhaft das wäre also belasse ich den Füller in seinem Zustand.
gruß
stephan

Let grammar, punctuation, and spelling into your life! Even the most energetic and wonderful mess has to be turned into sentences.” ― Terry Pratchett
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Querkopf
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Re: Materialfrage - wegen offensichtlich falscher Handhabung

Beitrag von Querkopf »

Ein bisschen OT, weil nicht Füller betreffend - nur das Material als solches:
Galalith ist in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auch für andere Zwecke eingesetzt worden. Zum Beispiel für die Beläge weißer Klaviertasten. Was anfangs aussah wie ein guter Ersatz für das teure (und heute verbotene) Elfenbein, erwies sich rasch als höchst unpraktisch: Das Material reagiert auf die winzigen Feuchtigkeitsmengen des Fingerschweißes, bekommt rasch Mikrorisse, die die zuvor glatte Oberfläche aufrauen und dann verschmuddeln; und das lässt sich nicht wegpolieren, der ungleichmäßig verteilte Schmutz dringt tief ins Material ein.
Galalith diente auch als Material für Knöpfe. Wenn die Kleidungsstücke, an denen die Dinger dran waren, zu lange oder zu heiß gewaschen wurden, gab's auch da charakteristische Oberflächen-Spuren, Risse und Rauigkeiten.
Schöne Grüße
Doris
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