Interessant finde ich daran die schnelle Wasseraufnahme in den ersten Sekunden des Eintauchens. Was auch immer in der Tinte beweglich ist, sollte von dieser Flut mitgerissen werden. Auf dem weiteren Weg werden die Farbstoffe dann wieder abgeschieden. Ich dachte mir, das könnte eine geeignete Schnellmethode für eine erste Einschätzung einer Tintenzusammensetzung sein. Also habe ich mir einige Packungen Taschentücher genommen, eine Methode entwickelt (damit will ich euch hier nicht langweilen) und vier recht unterschiedliche Tinten untersucht. Als Lösemittel habe ich Wasser verwendet. Ich habe zunächst die Tinten verwendet, die ich gerade auf dem Schreibtisch hatte: Pangong Tso von Shanghai Stationary (blau), Syrah von Diamine (rot), Land of Shangrila von Ferris Wheel Press (braun), und Onyx von Scribe (schwarz). Parallel dazu habe ich dieselben Tinten auch mit meinem üblichen Filterpapier nach der aufsteigenden Methode untersucht.
Bei den Ergebnissen unten liegt außerdem jeweils ein horizontales Chromatogramm, das mMn die Zusammensetzung der Tinte am Besten wiedergibt (das Lösemittel der Wahl ist je nach Tintenzusammensetzung nicht immer Wasser). Typischerweise ändert sich die Abfolge der Farben bei unterschiedlichen Lösungsmitteln; ich vergleiche also zunächst die beiden Chromatogramme links (Filterpapier) und rechts (Papiertaschentuch) im Bild, anschließend bewerte ich die Auflösung im Vergleich zum mittleren Chromatogramm.
Shanghai Stationary Pangong Tso: einfache Zusammensetzung, sehr gute Übereinstimmung der Methoden.
Diamine Syrah: etwas komplexere Zusammensetzung, auch hier eine ordentliche Übereinstimmung. Die Trennung der roten Farbstoffe gelingt im Taschentuch nicht.
Scribe Onyx: schwarze Tinten sind fast immer undankbare Proben. Bei dieser Tinte ist das nicht viel anders. Die Komplexität der Zusammensetzung kommt allerdings auch mit Wasser als Lösemittel nicht gut heraus. Beim Taschentuch fehlt das zweite Gelb, das Türkis wird nicht mehr von Gelb getrennt. Positiv hervorzuheben ist allerdings die gute Übereinstimmung der beiden Tempo-Chromatogramme untereinander.
Ferris Wheel Press Land of Shangrila: Braune Tinten sind immer eine Wundertüte, das ist hier auch nicht anders. Das Taschentuch gibt einen sehr guten EInblick in die Zusammensetzung, auch hier reicht die Auflösung im oberen Bereich nicht aus. Wer genau hinsieht kann aber erkennen, dass zwischen dem Pink und dem Blau ein gelber Farbstoff sein sollte. Die Übereinstimmung zwischen Filter und Taschentuch ist also sehr ordentlich. Auch hier ist Wasser nicht das geeignete Lösemittel, wie das Kreischromatogramm zeigt.
Fazit: die Tempo- oder Tissue-Chromatographie ist viel besser als ihr Ruf. Mit ein wenig Sorgfalt durchgeführt, erlaubt sie vernünftige Aussagen über die farbliche Zusammensetzung vieler Tinten. Die Vorteile liegen im geringen materiellen und apparativen Aufwand, vor allem aber in der Geschwindigkeit (daher der Name

Vielen Dank an Sina für die Anregung, diese oft belächelte Methode selbst einmal auzuprobieren
