Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

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YETI
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Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von YETI »

Hallo Gerhard

Ich hatte mich vielleicht etwas ungeschickt ausgedrückt.
In 50 Jahren kann wohl kaum noch jemand lesen, was heute geschrieben wird, egal in welcher Schrift. Wir können heute die Briefe unserer Großeltern nicht mehr entzffern, obwohl sie meist sehr ordentlich geschrieben sind. Die damalige Schreibschrift ist in Vergessenheit geraten, weil zu unserer Schulzeit eine andere Schrift gelehrt wurde.
Es wurde im Allgemeinen auch nicht mehr so viel Wert auf eine saubere Schrift gelegt, wie vor 100 Jahren. Das Ergebnis ist woh allen bekannt, die sich immer für ihre Sauklaue entschuldigen müssen.
Heute lernen die Kinder schon wieder eine andere Schrift und es wird weder auf gute Lesbarkeit noch auf Rechtschreibung viel Wert gelegt. So kann meine Tochter meine Schrift genauso wenig lesen, wie ich die Schrift meiner Großeltern lesen konnte. (daß ich es mir aus Interesse selber angeeignet habe, lassen wir mal unbeachtet)
Die Kinder oder Enkel meiner Tochter werden vermutlich garnicht mehr lesen und schreiben können, sondern der Sprachausgabe ihres Computers lauschen.
Ich wollte nur ausdrücken, daß die Haltbarkeit einer guten Tinte wohl deutlich höher sein dürfte, als die unserer Schrift, weil leider immer mehr Schreibkultur verloren geht.

Nachdenkliche Grüße

Andreas
Es ist besser ein kleines Licht anzuzünden, als auf die Dunkelheit zu schimpfen.
louzilla
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Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von louzilla »

Hallo zusammen!

Ich aktiviere diesen Thread mal aus aktuellem Anlass: Ich habe das Schreiben (auch Tagebuch) wieder für mich entdeckt und bin jetzt auf der Suche nache einer schönen aber beständigen Tinte. Eisengallus-Tinte mag ich nicht verwenden wegen der eher schlechten Fließfähigkeit und der Notwendigkeit, den Füller öfter zu reinigen.

Eine Kollegin hat mir heute erzählt, dass ihre alten Schreibhefte aus der Schule inzwischen deutlich verblassen (etwa 10 Jahre alte Schrift, sie hat damals mit blauer Lamy-Tinte geschrieben). Daraufhin habe ich meine alten Tagebücher und Poesie-Alben rausgekramt (zwischen 35 und 20 Jahre alte Schrift, eher feuchte Kellerlagerung) und alles ist superdeutlich lesbar und kaum verblasst! Ich habe damals mit blauer Pelikantinte geschrieben.

Jetzt meine Fragen:

Licht ist bei geschlossenen Büchern ja eher nicht der Faktor, der für ein Verblassen verantwortlich ist. Was denn aber dann?

Gibt es bestimmte Farben, die schneller verblassen als andere? Blau und schwarz scheinen ja eher beständig zu sein?

Welche Tinten stehen im Ruf, eher schnell zu verblassen?

Ich schreibe gerade mit R&K Altgoldgrün und mit Waterman Brown und suche noch etwas im violetten bzw. blauen Bereich. Wäre toll, wenn ihr mir helfen könntet!

Gruß louzilla
Thom

Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von Thom »

Hallo louzilla,

bestimmte Farbstoffe sind lichtempfindlicher als andere. An einzelnen Farben kann man das aber nicht unbedingt festmachen. Die killerbaren Königsblauen zumindest sind nicht die lichtbeständigsten, das trifft aber nicht auf alle Blauen zu.
Schau Dir mal Christoph's abgefahrenen Lichttest an:

http://www.penexchange.de/forum_neu/vie ... 991#p63991

Bei der Lamy ohne Licht könnte es z.B. an basischem Papier liegen, das die Tinte "gekillert" hat. Durch feuchte Kellerlagerung könnte's z.B. durch Gärung eher sauer werden, was den Farbstoff sichtbar hält, die Luftfeuchte bildet mit dem Kohlendioxid der Luft auch Kohlensäure. Das ist aus der Ferne aber alles nur Spekulation.
Aber auch die Eisenfarbstoffe der Eisengallustinten sind nicht konstant, sondern verändern sich mit der Zeit immer weiter, je nach Zusammensetzung von Tinte und Umgebungsluft. Und irgendwann holen sie sich das Papier. (Aber nicht in diesem Jahrhundert .:) )

V.G.
Thomas
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Cepasaccus
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Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von Cepasaccus »

Von den blauen hoert man schon, dass sie verblassen. Das mag daran liegen, dass es eine anfaellige Farbe ist, oder auch, weil sie einfach so haeufig verwerwendet werden. Es verblasst nicht immer, wie Du an Deinen Schriften siehst. Nachdem der blaue Farbstoff immer der gleiche sein sollte wird es wohl am Papier liegen, aber genauer untersucht hat es wohl noch niemand. Das passiert, wenn sich Museumsarchivare fuer unsere Schulhefte interessieren.

Normale schwarze Tinten sind in der Regel aus mehreren Farbstoffen zusammengesetzt. Es ist wahrscheinlicher, dass ein Farbstoff ueberlebt. Die schwarze Tinte, die ich kenne, ist auch wasserresistent, so dass bei einem Wasserschaden nicht gleich alles weg ist.

Eine andere Moeglichkeit sind die modernen Nanopartikeltinten. Mit den Schreibeigenschaften haben aber einige Leute Probleme. Und ob da schon jemand die Langzeiteigenschaften angeschaut hat?

Cepasaccus
Thom

Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von Thom »

Cepasaccus hat geschrieben:Nachdem der blaue Farbstoff immer der gleiche sein sollte...
Nein. Deshalb hab ich geschrieben die "killerbaren Königsblauen".

V.G.
Thomas
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Cepasaccus
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Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von Cepasaccus »

Du hast recht, Thom, ich meinte oben die killerbaren blauen, aber das ist eben das, was man in der Schule hat. Bei mir war damals die schwarze 4001 die Ausnahmetinte.
Thom

Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von Thom »

Cepasaccus, schon klar. Z.B. J.Herbin "1670" Blue ocean kommt mir auch irgendwie zusammengesetzt vor, aus was killerbarem und was nicht.
@louzilla, bei der Tagebuchsache würde ich auf die killerbaren verzichten. Was Licht betrifft sind Pigmente schon härter (EG-Tinten Jahrhunderte; Kohlenstoff-Tinten Jahrtausende), man kann aber auch den Buchdeckel zumachen.
Wasserfestigkeit (zusätzl. Probleme im Füller) mußt Du wissen welche Anforderungen Du an Deine Tagebücher stellst. Wenn die von Deiner Segelyacht in den Atlantik fallen, ist's soundso schlecht.

V.G.
Thomas
louzilla
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Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von louzilla »

Zunächst einmal danke für die schnellen Antworten :) !
Der Lichttest ist ja sensationell. Man sieht, dass tendenziell die violetten und violett-blauen Nuancen zum stärkeren Verblassen neigen.

Meine Anforderungen an die Tinte sind eigentlich ganz einfach: Sie soll bei Lagerung (in Kisten im Keller oder Arbeitszimmer) nicht verblassen. Ich fände es schrecklich, wenn ich in 10 Jahren eine alte Aufzeichnung aufschlage und man könnte nichts mehr lesen. Und sie muss mir natürlich gefallen.

Licht ist nicht das Problem, eher, wie Thom schon angedeutet hat, die chemischen Wechselwirkungen zwischen Papier und Tinte. Dabei habe ich den Verdacht, dass Feuchtigkeit der Haltbarkeit förderlich ist (allerdings ist ein Tagebuch leicht angeschimmelt :cry: ... aber die Tinte hat sich top gehalten).

Die Nanotinten sind mir wie die EG-Tinten eher unsympathisch.

Hat denn jemand hier Langzeiterfahrungen mit Tinten ausgenommen den Standard-Schultinten?
Thom

Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von Thom »

Na ja, also ich wäre schon froh, wenn ich 10 Jahre alte Aufzeichnungen noch fände.
Der Zeitraum ist aber für keine Tinte ein wirkliches Problem. Die "verschwundene" Lamy ist vermutlich auch noch da, nur teilweise in den Leukofarbstoff gekippt. Das passiert aber nicht bei nichtkillerbaren. (könnten theor. aber durch Bakterien entfärbt werden, also lieber trocken lagern)
Das was ich unter "Langzeiterfahrungen" verstehe, erfordert Tinten, die es schon in dergleichen Zusammensetzung lange Zeit gibt. Und da bist Du wieder bei den EG. Wie Cepasaccus schon andeutet, gibt's z.B. bei den Nano schlichtweg keine Langzeiterfahrungen.

V.G.
Thomas
Thom

Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von Thom »

Zu schwarz hat ja Cepasaccus schon was geschrieben. Hier ist Else Marie's legendärer Blau-Killertest:

http://www.penexchange.de/forum_neu/vie ... 283#p59283

V.G.
Thomas
louzilla
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Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von louzilla »

Interessant finde ich, dass killerbare Tinten lediglich reduziert werden. Demnach müsste ein starkes Oxidationsmittel die verblasste Schrift wieder sichtbar machen.

Ich werde meine Kollegin fragen, ob sie mir für entsprechende Versuche eines ihrer alten Hefte zur Verfügung stellt und gegebenenfalls hier berichten.

Ansonsten werde ich es darauf ankommen lassen müssen und nehme einfach die Tinte, die mir am besten gefällt.
Thom

Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von Thom »

Jetzt wird's!
Wegen Tintenkillerei kannst Du mal hier lesen:

http://www.penexchange.de/forum_neu/vie ... 722#p76722

V.G.
Thomas
Sabine
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Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von Sabine »

Eigentlich habe ich nur mit einer einzigen Tinte jemals erlebt, daß sie nach einigen Wochen verblaßt, und zwar war das die Lavendel-Duftinte von Herbin. Da scheint es auch keine Rolle zu spielen, ob die Schrift dem Licht ausgesetzt ist oder nicht.
Gerade habe ich meine Aufzeichnungen vom Studium aus den frühen 80ern überprüft: sie sehen von der Tinte her aus wie am ersten Tag. Es muß die schwarze Pelikan 4001 gewesen sein, denn andere Marken kannte ich damals nicht. Wasserfest wird sie eher nicht sein, aber das ist auch nicht nötig.
Auch sehr gut konserviert hat sich die schwarzblaue Tinte von Pelikan, die Aufzeichnungen stammen etwas aus der gleichen Zeit wie die schwarz geschriebenen. Das Papier ist ein eher billiges; für ein Fach habe ich sogar eine China-Kladde benutzt, wo man am ehesten denken könnte, es hätte mit der Zeit eine negative Auswirkung auf die Tinte. Aber auch hier sieht alles wie neu aus, ohne Alterungsspuren - jedenfalls was die Tinte betrifft.
G-H-L
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Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von G-H-L »

Hallo,

ich bin in letzter Zeit dazu übergegangen die königsblaue Tinte mit der schwarzen Pelikan-Tinte zu mischen. Der Farbton der blauen Tinte wird dadurch kräftiger und dunkler. Die Lichtbeständigkeit dürfte durch die schwarze Tinte etwas besser werden. Das Blauschwarz von Pelikan wird beim trocknen der Tinte eher grau, was mir nicht so gut gefällt.

Für ein Tagebuch, das auch noch nach Jahren einwandfrei lesbar sein soll, würde ich eher Tusche und Federn in Betracht ziehen. Alte Briefe aus dem Nachlaß meiner Mutter waren zumeist mit Kugelschreiber geschrieben. Auch diese verblassen im Laufe der Zeit, bzw. schlagen auf die Rückseite durch. Einen Füller hat meine Mutter nie besessen.

Gruß
Gerhard
Gruß
Gerhard

Nein, das ist keine unleserliche Handschrift!
Der Text ist nur analog verschlüsselt! :)
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Tenryu
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Re: Tagebuch schreiben -- Dokumentenecht ja oder nein?

Beitrag von Tenryu »

Pigmentierte Tinte oder Füllertusche sind extrem beständig. Ich hatte mal einen Fleck von Fount India auf dem T-Shirt. Der ging auch nach mehrmaligem Waschen bei 60°C nicht mehr weg.

Die blauschwarze 4001 enthält etwas Eisengallus. Die dürfte noch beständiger sein, als eine Mischung aus blau und schwarz.
Wenn dir die blauschwarze zu grau aussieht, könntest du die mit etwas schwarz nachdunkeln. :idea:
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