Tinte selber kochen?

Moderatoren: MarkIV, Zollinger, desas, Linceo, Lamynator, JulieParadise, HeKe2

Barbara HH
Beiträge: 2027
Registriert: 12.03.2009 2:06

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Barbara HH »

die Suche nach "Tinte Herstellen" ist ergiebiger:

Blaubeeren-Tinte für Kinder zum Malen

Einige Tintenrezepte

Tinte aus Bananenschalen

Wikisource: Neue Recept-Sammlung zu schwarzen, rothen, grünen und andern Tinten (1830)

Für Latein-Freaks: De atramentis cujuscunque generis. Opus sané novum, hactenus nemine promulgatum. von 1660 in Latein bei Google Books. - jetzt wissen wir auch, woher der Name de Atramentis stammt ;) (atramentum = Tinte, Schwärze, de atramentis = über Tinten)

Der Wikipedia-Artikel über Tinte enthält zwar keine Rezepte, ist aber trotzdem interessant

Eine Übersicht über die verschiedenen Arten von Tinte

Eine recht umfangreiche Rezeptsammlung bei mysterium-scribendi.de

Rezepte für Wein- oder Safrantinte habe ich aber leider noch nicht gefunden...
„Ich denke tatsächlich mit der Feder, denn mein Kopf weiß oft nichts von dem, was meine Hand schreibt.“ Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen
Murmi
Beiträge: 60
Registriert: 22.12.2011 18:27
Wohnort: CH

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Murmi »

Hallo Barbara

Ich habe das von Peter vorgeschlagene Büchlein "Kleines Rezeptbuch der historischen Tinten" gerade vor mir liegen. Da ich kalligraphiere, habe ich mir vor längerer Zeit mal ein Exemplar geordert (schon nur wegen dem wunderschönen Sekretär auf dem Cover :D )

Und du hast recht, da wird allerlei Giftiges verkocht, wie eben damals im Mittelalter. Das fängt bei Ätzkali und Ammoniak an und endet bei Zinnober und Zinnsalz. Dazwischen zähle ich über 20 Zutaten, die entweder gesundheitsschädlich, giftig, hochgiftig, ätzend oder explosiv sind, oft in Kombination miteinander. Also nichts mit Naturtinte, wie man sich das vorstellen würde.

Ein Rezept mit Wein gibt es da übrigens nicht, nur mit Weinstein. Zudem steht gleich am Anfang bei der Vorbereitung: "Achtung: Die vorgestellten Tinten lassen sich nicht in einem Füllfederhalter verschreiben! Hier ist die klassische und historisch korrekte "Tintenfass-Feder"-Methode angebracht. Es können sowohl Kalligraphiefedern (aus Stahl) als auch Vogelfederkiele benutzt werden."

Selber ausprobiert habe ich noch keines der Rezepte, der Aufwand schien mir bisher immer zu gross oder ich bin zu faul 8) .

Grüessli
Sonja
Europäer haben Uhren, Afrikaner haben Zeit.
Barbara HH
Beiträge: 2027
Registriert: 12.03.2009 2:06

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Barbara HH »

Hallo Sonja,

vielen Dank für die Info! Ich glaub, dann lass ich das mit dem Buch mal. Eigentlich wollte ich ja nur mal mit dem Glühwein experimentieren. Das Ganze soll ja nicht in Stress ausarten!

Herzliche Grüße,

Barbara
„Ich denke tatsächlich mit der Feder, denn mein Kopf weiß oft nichts von dem, was meine Hand schreibt.“ Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen
Benutzeravatar
Tenryu
Beiträge: 5276
Registriert: 10.06.2004 0:45
Wohnort: Basel

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Tenryu »

Das mit den Giftstoffen ist so eine Sache... In unserer infantilisierten Gesellschaft sind die Menschen ja inzwischen so hülflos und unmündig, daß man sie sogar vor den schrecklichen Gefahren von Mottenkugeln und Thermometern bewahren muß. :x

In meiner Jugend gab es noch so richtig gute, interessante Chemie-Experimentierkästen zu kaufen. Da waren tatsächlich (junge Leute mögen das kaum glauben) echte Chemikalien und richtige Laborgeräte aus Glas und (Gott bewahre!) ein echter kleiner Spiritusbrenner enthalten.
Wenn man heutzutage solch einen Kasten kauft, dann findet man noch drei Plastikbecher und ein Päckchen Backpulver drinen... :roll:
Da grenzt es doch fast an ein Wunder, daß so viele aus meiner Generation das Erwachsenenalter erreicht haben.
Barbara HH
Beiträge: 2027
Registriert: 12.03.2009 2:06

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Barbara HH »

Tenryu hat geschrieben:Wenn man heutzutage solch einen Kasten kauft, dann findet man noch drei Plastikbecher und ein Päckchen Backpulver drinen...
Wie jetzt...?!!! Plastik ist aber auch ganz schön giftig, mit den ganzen Weichmachern drin, und Backpulver - enthält das nicht Phosphat? Sofort verbieten diese Kästen!!!

Politisch korrekte Grüße,

Barbara :wink:
„Ich denke tatsächlich mit der Feder, denn mein Kopf weiß oft nichts von dem, was meine Hand schreibt.“ Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen
Frodo
Beiträge: 797
Registriert: 16.10.2005 0:31

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Frodo »

Tinte aus Wein, das sollte schon gehen. Das Weingut Clauer hat gemeinsam mit einem Schreibwarengeschäft in Heidelberg eine Rotweintinte herausgebracht. Es soll sich dabei um Spätburgunder bester Lage und Qualität gehandelt haben. Das Gebräu, über dessen Herstellung sich der Erzeuger allerdings ausschweigt, hat im Geruch schon noch eine beerige bis holzige Note gehabt. Jetzt, nachdem ich das Gläschen so 3-4 Jahre hier rumstehen habe, ist nur noch eine schwerere Duftnote, die eher an Lackritz erinnert, geblieben.
Clauer Tinte.jpg
Clauer Tinte.jpg (157.53 KiB) 5216 mal betrachtet
Wenn ichs zu kochen hätte, würde ich wohl keine Reste von Gly- Wein verwenden. Dornfelder ist in Ordnung, der ist von Natur aus schon starkfarbig, aber auf jeden Fall trockenen Wein verwenden. Farblich am besten geeignet sein dürfte Oberlin, den findet man allerdings nicht so leicht. Dann sollte zunächst der Alkohol verkocht und die Flüssigkeit etwas einreduziert werden, bis die Strichfarbe gut sichtbar ist. Trocknen lassen, die Farbe ändert sich sicher während des Trocknungsvorganges, abhängig vom pH Wert ist sie mal blauer, mal roter. Dann mit einem G4 Filtertigel filtrieren und noch heiß geringste(!) Mengen Gelatine oder Pektin zufügen. Die Gelatine dient als Schutzkolloid, das heißt, winzigste ausfallende Festteilchen werden in der Schwebe gehalten. Sollte allerdings zu viel zugegeben worden sein, dann haben wir aus unserem Füller nachher ein prima Marmeladeglas für Zwerge hergestellt. Bis hierher war das alles auch noch trinkbar, doch um ein Schimmeln zu unterbinden, sollte ein Desinfektionsmittel zugegeben werden. In den alten Tinten war Phenol drin, die Älteren unter uns werden sich auch noch an den Geruch erinnern können. Mit Sorbinsäure sollte es auch gehen. Allerdings: Für die Brauchbarkeit der Tinte und die Unversehrtheit des Füllers wird keine Garantie übernommen.
Gruß, Frodo
Barbara HH
Beiträge: 2027
Registriert: 12.03.2009 2:06

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Barbara HH »

Hallo Frodo,

vielen Dank, das klingt genau nach der Info,die ich suchte! Ich bin im Moment etwas müde und anerkältet, muss mir das morgen abend noch mal in Ruhe durchlesen. Was ein G4 Filtertiegel ist, weiss ich nicht, klingt aber nach etwas Professionellem, das man (gemeinsam mit Desinfektionsmittel vielleicht) in einem Shop für Laborbedarf bestellt?

Mit Tinte trocknen lassen meinst Du die Schriftprobe? Kann grad nicht mehr richtig denken...

Das Weinglas auf dem Foto sieht nach de Atramentis aus, ob das Zufall ist? Stellt ja auch die Manufactum Spätburgundertinte her.

Verschnupfte Grüße,

Barbara
„Ich denke tatsächlich mit der Feder, denn mein Kopf weiß oft nichts von dem, was meine Hand schreibt.“ Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen
Barbara HH
Beiträge: 2027
Registriert: 12.03.2009 2:06

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Barbara HH »

Barbara HH hat geschrieben:Wie jetzt...?!!! Plastik ist aber auch ganz schön giftig, mit den ganzen Weichmachern drin, und Backpulver - enthält das nicht Phosphat? Sofort verbieten diese Kästen!!!

Politisch korrekte Grüße,

Barbara :wink:
Hallo Tenryu,

jetzt bist Du schon zum dritten Mal in diesem Fred Opfer meines trockenen Humors geworden, ich hoffe nur, Du denkst nicht, ich hätte das ernst gemeint :)

Herzliche Grüße in die Schweiz,
Barbara
„Ich denke tatsächlich mit der Feder, denn mein Kopf weiß oft nichts von dem, was meine Hand schreibt.“ Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen
Niagara Falls

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Niagara Falls »

Hallo,

Filtertiegel sind entweder Glas- oder Keramikgefäße mir fest eingebauter Filterfritte, also einer porösen Filterschicht. Je höher die Nummer, desto geringer der Porendurchmesser, also desto kleinere Partikel werden zurückgehalten.
Filterfritten haben in diesem Zusammenhang gegenüber Filtrierpapier den Nachteil, daß sie dann eben kaum mehr entfernbar durchgefärbt werden, filtriert man Tinte durch. Es gibt aber auch recht teure Alternativen für die Biochemie mit austauschbaren hydrophoben oder hydrophilen Kunststoffritten...je nach Variante krieg ich dann, betrachtet man den Preis für sowas, einen Liter Tinte vom Hersteller auch schon...

Gruß Günther
Zuletzt geändert von Niagara Falls am 09.01.2012 16:20, insgesamt 1-mal geändert.
Frodo
Beiträge: 797
Registriert: 16.10.2005 0:31

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Frodo »

Ja, natürlich ist die Tiegel- Filterung nur mit einer Absaugeinrichtung sinnvoll, so etwas hat man in den wenigsten Fällen zu Hause. Die Filtrierung wird aber auch mit einem Papierfilter gehen, Weißband- oder Blaubandfilter, das dauert dann aber ziemlich lange. Kaffeefilter sind zu grobporig. Ein weiterer ungeklärter Vorgang, der mir noch dazu einfällt und der wohl alle organisch- biologisch erzeugten Tinten betrifft, ist der Alterungsprozess durch die Oxidation von Polyphenolen, der vermutlich weitere unlösliche Bestandteile hervorbringt.
Gruß, Frodo
Barbara HH
Beiträge: 2027
Registriert: 12.03.2009 2:06

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Barbara HH »

Hallo Günther und Frodo,

danke für die Erklärungen zu den Filtern! Das ist mir fast ein bißchen zuviel für den Anfang. Bevor ich mich da einarbeite und anfange Geld auszugeben, werde ich lieber erstmal darauf verzichten, die Tinte in Kolbenfüller zu geben. Im ersten Stadium des Experiments reicht es mir erstmal, ein Gläschen Dornfelder einzukochen und mit der Feder im Federhalter auszuprobieren. Wenn das dann Lust auf mehr macht, fange ich an, mich in angewandte Filterologie einzufuchsen :)

Viele Grüße,

Barbara
„Ich denke tatsächlich mit der Feder, denn mein Kopf weiß oft nichts von dem, was meine Hand schreibt.“ Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen
Benutzeravatar
Tenryu
Beiträge: 5276
Registriert: 10.06.2004 0:45
Wohnort: Basel

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Tenryu »

@ Barbara:

Keine Sorge. Ich besitze meinen patentierten Sarkasm-o-meter™, der mich in solchen Fällen rechtzeitig warnt. :D

Grüße zurück vom (noch völlig unverschneiten) Oberrhein :)
Niagara Falls

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Niagara Falls »

Hallo Barbara,

beim Einkochen wird sich natürlich die Viskosität erhöhen und dadurch die Fließfreudigkeit auch bei der Feder-Eintunk-Technik sinken. Vielleicht mit einem Tropfen Spüli die Spannung herabsetzen und mal etwas experimentieren.

Gruß Günther
Zuletzt geändert von Niagara Falls am 10.01.2012 13:51, insgesamt 1-mal geändert.
Barbara HH
Beiträge: 2027
Registriert: 12.03.2009 2:06

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Barbara HH »

Hallo Günther und Alle,

ja, da hast Du wahrscheinlich recht!

ich hatte gestern Abend dann aus Spielerei doch noch ein Gläschen des besagten Glühweins eingekocht. Das Resultat war tatsächlich, dass die Tinte zwar eine interessante Farbe hatte, aber alles andere als fließfreudig war. Ein Tropfen Spüli hat da leider auch nicht viel geholfen. Daraufhin habe ich das ganze wieder etwas verdünnt, woraufhin ich zwar damit schreiben konnte, aber die Farbe war recht blaß.

Kann gut sein, dass der Zucker, der im Glühwein enthalten ist, die Pampe zusätzlich angedickt hat, denn meines Wissens hat Zucker allein auch schon eine andickende Wirkung beim Kochen. Deshalb hoffe ich mal, dass sich trockener Rotwein da anders verhält.

Auf alle Fälle war es schon mal ein lustiges Gefühl, mit einer selbstgekochten Tinte zu schreiben :) The experiment continues...

Viele Grüße,

Barbara
„Ich denke tatsächlich mit der Feder, denn mein Kopf weiß oft nichts von dem, was meine Hand schreibt.“ Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen
Niagara Falls

Re: Tinte selber kochen?

Beitrag von Niagara Falls »

Hmmmm....

eine Teilmenge einkochen und wiederum mit etwas von dem uneingekochten Wein verdünnen...dadurch bleibt die Farbe intensiver...allerdings hast eben wieder Alkohol drin...

Gruß Günther
Antworten

Zurück zu „Die Tinte und der Tintenfluss / Ink and the ink flow“