Azurin der Sidol-Werke Köln
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- mondindianer
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Azurin der Sidol-Werke Köln
Hallo,
durch eine Laborauflösung bin ich kürzlich in den Besitz einer 1l-Flasche Tinte gekommen: Auf dem Etikett steht zu lesen: "Azurin - Füllhaltertinte - Aus den Sidol-Werken - Köln".
Die Flasche ist zu etwa einem Drittel gefüllt. Der Inhalt riecht sehr unangenehm "chemisch", es hat sich ein braun-schwarzer Schlamm abgesetzt, über dem eine braune, halbtransparente Flüssigkeit steht. Als Tinte also nicht mehr zu gebrauchen.
Mir ist diese Tintensorte völlig unbekannt. Die Suche nach Informationen gestaltete sich aber überraschend schwierig: alle Labormitarbeiter, die ich fragen konnte, kannten diese Flache "schon immer", haben den Inhalt aber nie verwendet. Über die Geschichte der Sidol-Werke selbst kann man sich im Internet informieren (z. B. hier und hier) - keine Erwähnung von Tinte. Eine Bildersuche im Internetz ergab einen einzigen Hinweis auf das Museum für Schreibkultur in Wiehl - der nette Herr Heickmann konnte mir leider über die Herkunft seiner Flasche keine Auskünfte geben. Ich hatte Gelegenheit, in eine Festschrift zum 50. Jubiläum der Firma im Jahre 1953 zu schauen - außer dem Loblied auf Arbeitgeber und Produktionsstätte keine Hinweise auf die Produktpalette. Die Sidol-Werke wurden in den 70ern von Henkel AG & Co. KGaA übernommen und Anfang der 80er Jahre geschlossen. Eine Anfrage in den dortigen Corporate Archives ergab keine Spur zur Tinte, lediglich auf die Wäschekarten zum Bläuen von Weißwäsche mit demselben Namen, ebenfalls von den Sidol-Werken (Dank an Frau Scholz).
Schließlich habe ich auf einer bekannten Auktionsplattform eine Preisliste der Sidol-Werke wohl von 1950 entdeckt. Der Verkäufer weist in der Artikelbeschreibung neben Unmengen von Putz- und Pflegemitteln auf "azurin tinte in verschiedenen gebinde grössen (sic)" hin. Immerhin - in den 50er Jahren hergestellt und vertrieben.
Azurin ist eine Anilinfarbstoff, auch als Lichtblau oder Bleu de Lyon gehandelt. Als solches wurde es zum Bläuen von Weißwäsche eingesetzt oder eben zum Blaufärben von Baumwollstoffen und Garnen. In der Histologie gibt es eine Methode, Zellstrukturen damit einzufärben (habe ich mir erklären lassen).
Auf der Flasche steht allerdings "Füllhaltertinte" - mich würde schon interessieren, ob dieser Farbstoff auch in dieser Tinte verwendet wurde oder ob man sich nur des Farbeindrucks als Namen bedient hat.
durch eine Laborauflösung bin ich kürzlich in den Besitz einer 1l-Flasche Tinte gekommen: Auf dem Etikett steht zu lesen: "Azurin - Füllhaltertinte - Aus den Sidol-Werken - Köln".
Die Flasche ist zu etwa einem Drittel gefüllt. Der Inhalt riecht sehr unangenehm "chemisch", es hat sich ein braun-schwarzer Schlamm abgesetzt, über dem eine braune, halbtransparente Flüssigkeit steht. Als Tinte also nicht mehr zu gebrauchen.
Mir ist diese Tintensorte völlig unbekannt. Die Suche nach Informationen gestaltete sich aber überraschend schwierig: alle Labormitarbeiter, die ich fragen konnte, kannten diese Flache "schon immer", haben den Inhalt aber nie verwendet. Über die Geschichte der Sidol-Werke selbst kann man sich im Internet informieren (z. B. hier und hier) - keine Erwähnung von Tinte. Eine Bildersuche im Internetz ergab einen einzigen Hinweis auf das Museum für Schreibkultur in Wiehl - der nette Herr Heickmann konnte mir leider über die Herkunft seiner Flasche keine Auskünfte geben. Ich hatte Gelegenheit, in eine Festschrift zum 50. Jubiläum der Firma im Jahre 1953 zu schauen - außer dem Loblied auf Arbeitgeber und Produktionsstätte keine Hinweise auf die Produktpalette. Die Sidol-Werke wurden in den 70ern von Henkel AG & Co. KGaA übernommen und Anfang der 80er Jahre geschlossen. Eine Anfrage in den dortigen Corporate Archives ergab keine Spur zur Tinte, lediglich auf die Wäschekarten zum Bläuen von Weißwäsche mit demselben Namen, ebenfalls von den Sidol-Werken (Dank an Frau Scholz).
Schließlich habe ich auf einer bekannten Auktionsplattform eine Preisliste der Sidol-Werke wohl von 1950 entdeckt. Der Verkäufer weist in der Artikelbeschreibung neben Unmengen von Putz- und Pflegemitteln auf "azurin tinte in verschiedenen gebinde grössen (sic)" hin. Immerhin - in den 50er Jahren hergestellt und vertrieben.
Azurin ist eine Anilinfarbstoff, auch als Lichtblau oder Bleu de Lyon gehandelt. Als solches wurde es zum Bläuen von Weißwäsche eingesetzt oder eben zum Blaufärben von Baumwollstoffen und Garnen. In der Histologie gibt es eine Methode, Zellstrukturen damit einzufärben (habe ich mir erklären lassen).
Auf der Flasche steht allerdings "Füllhaltertinte" - mich würde schon interessieren, ob dieser Farbstoff auch in dieser Tinte verwendet wurde oder ob man sich nur des Farbeindrucks als Namen bedient hat.
Viele Grüße
Fritz
Fritz
Re: Azurin der Sidol-Werke Köln
Hallo Fritz,mondindianer hat geschrieben: ↑03.03.2023 16:35
Auf der Flasche steht allerdings "Füllhaltertinte" - mich würde schon interessieren, ob dieser Farbstoff auch in dieser Tinte verwendet wurde oder ob man sich nur des Farbeindrucks als Namen bedient hat.
vielleicht könnte man eine Probe dieser Flüssigkeit mit einem Reduktionsmittel versetzen, oder auch mit dem pH-Wert spielen? Möglicherweise zeigt sich ja ein Hauch von Blau.
LG
Heinrich
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- JulieParadise
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Re: Azurin der Sidol-Werke Köln
Direkt weiterhelfen kann ich zwar nicht, aber die Erwähnung von Weißwäsche erinnert mich an diesen Faden im FPN, wo es darum geht, dass jemand offenbar so gern wie erfolgreich mit etwas schreibt, das ich bislang nur als Weiß-Auffrischer kannte: Siehe hier www.fountainpennetwork.com/forum/topic/ ... nt-4588354 die Erwähnung und hier www.fountainpennetwork.com/forum/topic/ ... uid-bluing der Thread dazu.
PS: Das Mittel/Die Tinte heißt Mrs. Stewart's Concentrated Liquid Bluing.
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Re: Azurin der Sidol-Werke Köln
OK, aber wie weit ist das entfernt von liquid blue inkJulieParadise hat geschrieben: ↑03.03.2023 20:19Direkt weiterhelfen kann ich zwar nicht, aber die Erwähnung von Weißwäsche erinnert mich an diesen Faden im FPN, wo es darum geht, dass jemand offenbar so gern wie erfolgreich mit etwas schreibt, das ich bislang nur als Weiß-Auffrischer kannte: Siehe hier www.fountainpennetwork.com/forum/topic/ ... nt-4588354 die Erwähnung und hier www.fountainpennetwork.com/forum/topic/ ... uid-bluing der Thread dazu.
PS: Das Mittel/Die Tinte heißt Mrs. Stewart's Concentrated Liquid Bluing.

Viele Grüße
Fritz
Fritz
Re: Azurin der Sidol-Werke Köln
Anilin ist wohl ein Jeansfarbstoff. Ich hatte auch vor einiger Zeit mal gelesen, dass er in Tinten verwendet worden ist.
Ich weiß nicht in welcher Form genau, aber Anilin soll auch durch Einatmen und Hautkontakt zu Vergiftungen führen können.
Lass die alte Flasche lieber zu und gib sie zum Sondermüll.
Ich weiß nicht in welcher Form genau, aber Anilin soll auch durch Einatmen und Hautkontakt zu Vergiftungen führen können.
Lass die alte Flasche lieber zu und gib sie zum Sondermüll.
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Re: Azurin der Sidol-Werke Köln
Ui, muss ich jetzt auch meine Blue-Jeans ausziehen und unverzüglich dem Sondermüll zuführen? Und was sagt eigentlich die BASF ( = Badische Anilin- und Soda- Fabriken ) dazu?
Ich bin entsetzt!
Jacky

Ich bin entsetzt!
Jacky
Re: Azurin der Sidol-Werke Köln
Nochmal zur alten Laborflasche: Mir wärs zu heikel die zu öffnen, zumal auch niemand genau wissen kann, was da drin ist. Es muss ja nicht drin sein was drauf steht! Und selbst das muss keineswegs harmlos sein.
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Re: Azurin der Sidol-Werke Köln
Ich muß mal bißchen Haarspalten. Anilin selbst ist mitnichten schon ein Farbstoff, es ist ein relativ ungesundes Zeugs, was als Grundstoff für Farbstoffe usw. genutzt wird. Ein auf Anilin oder auf was auch immer basierender Textilfarbstoff, korrekt angewendet, beißt sich wiederum normalerweise so im Gewebe fest, daß er keine Gesundheitsgefahr für die Person, die das Textil trägt darstellen sollte.
lG Matthias
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Re: Azurin der Sidol-Werke Köln
@ Sina: nicht böse sein - das Wortspiel lag einfach zu nahmondindianer hat geschrieben: ↑03.03.2023 21:03OK, aber wie weit ist das entfernt von liquid blue inkJulieParadise hat geschrieben: ↑03.03.2023 20:19Direkt weiterhelfen kann ich zwar nicht, aber die Erwähnung von Weißwäsche erinnert mich an diesen Faden im FPN, wo es darum geht, dass jemand offenbar so gern wie erfolgreich mit etwas schreibt, das ich bislang nur als Weiß-Auffrischer kannte: Siehe hier www.fountainpennetwork.com/forum/topic/ ... nt-4588354 die Erwähnung und hier www.fountainpennetwork.com/forum/topic/ ... uid-bluing der Thread dazu.
PS: Das Mittel/Die Tinte heißt Mrs. Stewart's Concentrated Liquid Bluing.![]()

Heute bin ich schon wieder normal(er): Dein Tipp zum Wäscheblau hat mich auf die richtige Spur gebracht. Das Datensicherheitsblatt von Mrs. Stewart's Concentrated Liquid Bluing weist neben Wasser, Oxalsäure und einem Desinfektionsmittel einen Eisen-Farbstoff aus ... den sie geheim halten wollen. Im Abschnitt 10 Stabilität und Reaktivität steht aber der Hinweis, dass aus der Lösung mit starken Alkalien, heißen Mineralsäuren und starken Oxidationsmitteln Ammoniak und Blausäure freigesetzt werden können. Das deutet ganz stark auf Berliner Blau hin. In Wasser ist dieses Pigment eigentlich nicht löslich, es bildet aber kolloidale Lösungen und kann daher schon fast als Farbstoff bezeichnet werden. In Oxalsäure wiederum löst es sich gut (hier). Mit Alkalien bildet sich braunes Eisenhydroxid, das als brauner Schlamm ausfällt - sowas habe ich in großer Menge in meiner Flasche gefunden.
Der Farbstoff Azurin andererseits, dessen Namen die Tinte trägt, enthält keine Stickstoffatome, die für eine Reaktion zu Ammoniak oder Blausäure notwendig wären. Ich vermute daher sehr stark, dass der Name geborgt wurde für den Farbeindruck.
Eine solche Tinte hätte einen hohen Feststoffanteil und wäre irgendwo zwischen Farbstoff- und Pigmenttinte angesiedelt. Mal sehen, ob ich an so ein Produkt herankomme zum Ausprobieren.
Problem gelöst, Hypothese steht.
Sehr schön. Ganz am Ende meiner Recherche öffne ich aus Spieltrieb die Seite eines Museumsshops mit der Produktbeschreibung "Mrs. Stewart’s Bluing is a colloidal suspension of minute particles of Fe2Fe3(CN)6. When used with ammonia and water, the particles help to nucleate crystals on a porous surface."


Viele Grüße
Fritz
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Re: Azurin der Sidol-Werke Köln
Ah ja, und wenn man dem Link von Sina folgt, findet man auch alle diese Informationen
- inclusive eines Artikels aus dem Jahr 1940 von einem Robert S. Casey (W. A. Sheaffer Pen Company, Fort Madison, Iowa), in dem Vorteile des Fabstoffs/Pigments in Tinten aufgelistet sind. Größter Nachteil: Goldfedern werden aufgelöst.

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Fritz
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Re: Azurin der Sidol-Werke Köln
Der Link funktioniert erst in dieser Version. Die Zeit zum Editieren ist einfach zu knapp bemessen, wurde das schon mal angemerkt?mondindianer hat geschrieben: ↑04.03.2023 15:05Ah ja, und wenn man dem Link von Sina folgt, findet man auch alle diese Informationen- inclusive eines Artikels aus dem Jahr 1940 von einem Robert S. Casey (W. A. Sheaffer Pen Company, Fort Madison, Iowa), in dem Vorteile des Fabstoffs/Pigments in Tinten aufgelistet sind. Größter Nachteil: Goldfedern werden aufgelöst.

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Fritz
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Re: Azurin der Sidol-Werke Köln
Quark, wieso sollte ich bei einem kleinen Wortspiel bös sein?mondindianer hat geschrieben: ↑04.03.2023 14:37@ Sina: nicht böse sein - das Wortspiel lag einfach zu nahmondindianer hat geschrieben: ↑03.03.2023 21:03OK, aber wie weit ist das entfernt von liquid blue inkJulieParadise hat geschrieben: ↑03.03.2023 20:19PS: Das Mittel/Die Tinte heißt Mrs. Stewart's Concentrated Liquid Bluing.Und nach einer fordernden Arbeitswoche mit dem Höhepunkt am Freitag fand ich 'was Lustiges passend.

Mich würde jetzt nur mal interessieren, ob das Zeug (Mrs. Stewart's Concentrated Liquid Bluing, dieser Wäscheweißer) nun als Tinte taugt oder nicht. Also, eine Antwort ohne Ausführungen, für die man irgendwie was mit Chemie verstehen müsste. Davon kommt bei mir nämlich ungefähr so viel an wie bei anderen Erklärungen zum Soqotri-Verbsystem.

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Re: Azurin der Sidol-Werke Köln
Menschen haben das getan - sieh selbstJulieParadise hat geschrieben: ↑04.03.2023 15:34[...]Mich würde jetzt nur mal interessieren, ob das Zeug (Mrs. Stewart's Concentrated Liquid Bluing, dieser Wäscheweißer) nun als Tinte taugt oder nicht.[...]

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Re: Azurin der Sidol-Werke Köln
Aaah, da muss ich drübergescrollt haben, genau sowas habe ich in dem Faden nämlich vergeblich gesucht. Danke!mondindianer hat geschrieben: ↑04.03.2023 15:55Menschen haben das getan - sieh selbstJulieParadise hat geschrieben: ↑04.03.2023 15:34[...]Mich würde jetzt nur mal interessieren, ob das Zeug (Mrs. Stewart's Concentrated Liquid Bluing, dieser Wäscheweißer) nun als Tinte taugt oder nicht.[...].

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Re: Azurin der Sidol-Werke Köln
My pleasure
Wenn du über eine Probe stolperst, wäre ich für ein Tröpfchen oder zwei auch dankbar

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Viele Grüße
Fritz
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