Tinten aus früheren Jahrhunderten

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Schreibpix
Beiträge: 2
Registriert: 08.06.2025 14:24

Tinten aus früheren Jahrhunderten

Beitrag von Schreibpix »

Liebe Forummitglieder,

ich bin hier neu und habe eine Frage zu alten Tinten - Eisengallustinte, aber vielleicht auch andere.
Wenn man Briefe aus früheren Jahrhunderten betrachtet, fällt auf, dass die Tinte nicht zerfasert ist, obwohl die damaligen Papiere handgeschöpft und somit sehr saugfähig gewesen sein müssen. Dass auf Urkunden, die auf Pergament geschrieben wurden, die Schrift nicht zerfasert aussieht, ist verständlich. Aber einfache Briefe, Texte auf Büttenpapier und dergleichen, wie man sie in Archiven und Museen findet, wurden ja nicht auf Pergament geschrieben. Auch auch bei alten Schriftstücken aus Japan, die auf Washi geschrieben wurden, sieht die Schrift nicht zerfasert aus. (während es heute schwierig ist, selbst industrielle Papiere zu finden, bei denen die Tinte nicht zerfasert). Selbst Tinte aus Papyrus, die mehr als zweitausend Jahre alt ist, sieht nicht zerfasert aus. Ich habe selbst ein Gläschen Eisengallus-Tinte (aus heutiger Zeit), aber auf den meisten Papieren zerfasert auch sie.
Hat es mit der Beschaffenheit der damaligen Tinten zu tun? Waren sie etwa so dickflüssig, dass sie nicht in das Papier eindrangen? Oder hatten sie eine andere Zusammensetzung und konnten deshalb nicht zerfasern?
Ich würde mich freuen, wenn jemand eine Erklärung dafür hat.
Viele Grüße
Schreibpix
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vanni52
Beiträge: 7094
Registriert: 02.03.2016 17:57

Re: Tinten aus früheren Jahrhunderten

Beitrag von vanni52 »

Nach meinem Kenntnisstand sind Eisengallustinten eher für eine gewisse Linienrandschärfe bekannt.

Was die Rezepturen historischer Eisengallustinten betrifft, hat es zumindest zwei grundsätzliche Änderungen gegeben, einmal in der Mitte des 18.Jahrhunderts eine Verringerung enthaltener Oxidationsmittel aufgrund der Einführung der Metallfedern und am Ende des 19.Jahrhunderts eine Erhöhung der Resistenzen.

Und ein herzliches Willkommen hier im Forum.
LG
Heinrich
maggutefueller
Beiträge: 875
Registriert: 30.11.2016 10:41
Wohnort: Thüringen

Re: Tinten aus früheren Jahrhunderten

Beitrag von maggutefueller »

Papier, tinte, feder angeben mit fotos
Helmut
Beiträge: 166
Registriert: 11.02.2024 23:04

Re: Tinten aus früheren Jahrhunderten

Beitrag von Helmut »

Zuerst einmal ein herzliches Willkommen im Forum.
Sehr viele Eisen-Gallus-Tinten der heutigen Zeit sind so "eingerichtet" daß sie im Füller problemlos verwendet werden können.Die Zusammensetzung erfolgt im Labor bzw in laborgerechtem Umfeld. Verwendet werden hierzu möglichst chemisch reine Zutaten (um einmal ganz allgemein den Herstellungsvorgang zu beschreiben).
Die klassische Eisen-Gallus-Tinte wird aus gemahlenen Galläpfeln, destiliertem Wasser (früher nahm man möglischt klares Fluss- oder Regenwasser) und Eisen-II-Sulfat (heute auch als Moos-Vernichter im Gartenshop bekannt - kann auch in Säcken mit 25 kg bezogen werden, ausreichendes Materialfür ein paar hundert Liter Tinte). Allerdings schreibt diese Tinte sehr wässrig und fasert auf nahezu jedem Papier aus. Ursprünglich versuchte man bereits schon bei den tierischen Schreibfedern Hohlräume als Tintentank zu nutzen.Das klappte allerdings nur bedingt. Man mischte daher schon vor Jahrhunderten GummiArabikum hinzu. Hierdurch verdickt sich die Tinte, die Oberflächenspannung wird erhöht und man kann größere Tintenmengen an der Feder halten womit auch die Schreibleistung erhöht wird. Mit Einführung der Metallfeder verringert sich das Tintenvolumen der Feder. Für höhere Schreibleistungen wurden Unter-und Oberfedern entwickelt. Mit solchen Federn kannst Du dann problemlos bis zu 10 A4-Zeilen mit einmal Eintunken schreiben.
GummiArabikum war jedoch nicht nur ein Bindemittel welches eine höhere Menge von Tinte auf der Feder hielt. Im Gegensatz zur wässerigen Tinte, welche nur wenig oder kein GummiArabikum enthielt und dazu noch im Schriftbild ausfaserte und verlief, bildtete sich auch auf dem Papier eine kraftfolle Tintenschicht welche zwar relativ lange zum Trocknen brauchte, sich fest mit der Papieroberfläche verband. Die Menge der füllhaltertauglichen Eisen-Gallus-Tinte wurde im Schreibbetrieb durch den Tintenleiter begrenzt.
Die ursprüngliche Eisen-Gallus-Tinte ist nicht fühhaltertauglich. Auf runde 60ml Tinte wurden damals bis zu 6 Gramm GummiArabikum gelöst. Bei dieser Konzentration verkelbt Dir jeder Füller. Diese Tinte taugt nur für dieTauchfeder!
Viele Grüße

Helmut

PS. Ich stelle meine Tinte schon seit Jahren selbst her!
Schreibpix
Beiträge: 2
Registriert: 08.06.2025 14:24

Re: Tinten aus früheren Jahrhunderten

Beitrag von Schreibpix »

Ganz, ganz, ganz herzlichen Dank für diese wertvollen und faszinierenden Erklärungen. Ich bin begeistert! So hat sich meine Frage/Überlegung in der Tat ganz einfach lösen lassen.
Allen noch einen schönen Tag und bis zum nächsten Mal in diesem Forum.
maggutefueller
Beiträge: 875
Registriert: 30.11.2016 10:41
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Re: Tinten aus früheren Jahrhunderten

Beitrag von maggutefueller »

Gern. Und tschüss
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