Der Volvo
Der Parker 25 ist aus der an Klassikern, Innovationen und Capricen reichen Bandbreite von Füllhaltern aus dem Hause Parker vielleicht das beste Beispiel für den Begriff Industriedesign in seiner Essenz. Hier findet alles zusammen: Eine Optimierung des Herstellungsprozesses, Materialgerechtigkeit, Reduktion aufs Wesentliche (von einem Detail abgesehen) und nicht zuletzt eine prägnante, eigenständige Form.
Als Kenneth Grange Anfang der Siebzigerjahre von Parker GB beauftragt wurde, die Gestaltung eines neuen Volumenmodells zu entwickeln, war er bereits ein (zumindest in Großbritannien) bekannter Industriedesigner. Geboren 1929, hatte er seine Laufbahn als Bauzeichner begonnen, war in mehreren Architekturbüros tätig gewesen, bis er sich 1956 selbstständig machte und 1972 Pentagram gründete. Die Engländer waren es gewohnt, von ihm bzw. Pentagram gestaltete Objekte zu benutzen, seien es Küchengeräte, Rasierhobel, Kameras oder Parkuhren.
Granges Vorschlag, der schließlich auftraggeberseits akzeptiert wurde, war ein Ganzmetallfüller (mit Ausnahme des Griffstücks) aus mattiertem Edelstahl, mit neuentwickeltem einteiligem Kollektor und Steckkappe.
Kappe und Korpus sind aus Blech tiefgezogen, der Kollektor und das Griffstück Kunststoffspritzguss. Die Metallkappe endet in einem konifizierten Kappenkopf. Die Blindkappe ist ein einteiliger Kunststoffeinsatz, der am Kappenkopf ein stilisiertes Zitat des Parker-„Jewels“ bildet und im Inneren gleichzeitig als Aufnahme des Clips dient. Umgekehrt hält der Clip die Blindkappe in Position. Beide sind per Klickverbindung unlösbar miteinander verbunden, ein Resultat des vollautomatisierten Produktionsprozesses.
Der Bandclip bezeichnet einen Bruch mit dem üblichen Parker-Pfeilclip. Er ist, wie die gesamten Linien des 25, ungeschweift. Als Widerhaken dient ein kleiner quadratischer Kunststoffstecker, der in einem quadratischen Loch im Clipband einrastet. Dieser Stecker trägt das Pfeilring-Logo der Firma Parker und ist das gewissermaßen umstrittenste Teil am gesamten Füller, denn man hätte es auch weglassen, das Logo in den Clip prägen und den Widerhaken durch eine entsprechende Abkantung des Clipbandes erreichen können. Außerdem ist er ein ungeliebter Indikator für die Gebrauchsintensität, denn die Logoprägung nutzt sich mit der Zeit ab, während der gesamte restliche Stift dank seiner Edelstahlhülle extrem robust ist. Die Farbe des Steckers (wie die des „Jewels“) verweist auf die Farbe des Griffstücks. Dieses war zunächst blau, kurz darauf kam schwarz hinzu, grün und, für eine kurze Zeit von 1975 bis circa 1976, orange. Den 25 gab es als Flighter, gefolgt von einer sehr erfolgreichen Variante in mattschwarz (nur der Clip blieb materialfarbig) und weiß.
Der 25 ist von fast blockhafter, primärgeometrischer Gestalt. Ein reiner Zylinder mit zwei konischen Abschnitten, davon einer am Kappenkopf. Kappe und Korpus treffen aber nicht direkt aufeinander, sondern sind durch ein schmales Kunststoffband voneinander getrennt. Dieses Band ist an das Griffstück angeformt. Jewel, Logostecker und Band bilden also den einheitlichen Farbcode zum matten Edelstahl. Griffstück und Korpus sind verbunden über ein in den Korpus eingepresstes Messing-Feingewinde.
Das eigentliche formale Alleinstellungsmerkmal des 25 ist indes der konische Absatz des Korpus. Dessen übliche geschweifte oder stromlinienförmige Verschlankung erfolgt hier ansatzlos. Der Füller erhält dadurch eine unverwechselbare Form. Das schlanke Endteil wirkt wahlweise wie ein Zitat in Maschinensprache, die konischen Abschnitte der Apollo-Rakete oder eine reduziert-logohafte Darstellung eines zulaufenden Endes. Vor allem aber ermöglicht seine Geometrie ein nahtloses Aufstecken der Kappe. Kappe und Korpus haben selbstverständlich den selben Durchmesser, die straff reduzierte Linienführung ließe auch nichts anderes zu, aber der Kniff mit dem Konus ermöglicht es, sowohl im geschlossenen wie im offenen Zustand des Füllers diese formale Bündigkeit zu wahren und jede störende Kante beim „bekappten“ Schreiben zu vermeiden.
Die Feder ist eine sehr kurze, starre Ringfeder mit hervorragenden Schreibeigenschaften. Die erste Generation hat noch ein Luftloch, auf das später verzichtet wurde. Angeboten wurde der 25 in vier Federstärken. Feder und Leiter lassen sich einfach nach vorne aus dem Griffstück herausziehen und reinigen oder wechseln. Den Übergang zum Kunststoffgriffstück bildet ein - natürlich konisches - Band aus elektropoliertem Edelstahl. Dekorative Zutat? Wohl nicht, eher ein Verstärkungsring der Kollektoraufnahme und in gestalterischer Hinsicht die Fortsetzung der Ringfeder.
Insgesamt besteht der 25 aus zehn Teilen plus Patrone. Weniger geht kaum, sehen wir vom Logostecker ab. Für Parker GB war der Füller über fast zwanzig Jahre eine cash cow, der in Newhaven für Vollbeschäftigung sorgte. Diese Zeiten sind vergangen, Parker gab den Standort Newhaven 2009 auf. Statt einer Schreibgerätefabrik gibt es seit 2011 eine Müllverbrennungsanlage, die zur Behebung der drückenden Strukturschwäche dort angesiedelt wurde. Sie ist allerdings stark automatisiert, schafft also kaum Arbeitsplätze, gleichzeitig jedoch derart überdimensioniert, dass Müll bis aus London herangeschafft wird, um sie einigermaßen auszulasten.
Der 25 ist Höhepunkt und Anfang vom Ende der Füllerproduktion in industriellem Maßstab aus einer Zeit, in der Füllhalter trotz starker, im eigenen Haus produzierter Konkurrenz (der Rollerball war ebenfalls ein Produkt aus dem Hause Parker) noch Gebrauchsgegenstände waren. Seine technisch-formale Integriertheit wird von nur wenigen anderen Füllhaltern erreicht. Er bezeichnet gewissermaßen den Gegenpol zur ausstaffierten, limitierten Sammleredition, bei der ein nur für die Schatulle produziertes Gerät, mit dem man auch schreiben könnte, mit allerhand emblematischem Zierat aufgepeppt wird, bis es einem Totempfahl gleicht oder einem Wanderstock mit Stocknägeln.
Eine Analogie, die sich auch bilden lässt zum gegenwärtigen Automobildesign. Alles geht. Aber muss alles gehen? Otl Aicher betrachtete nicht umsonst den Fiat Panda (die tolle Kiste, nicht seine Retro-Edition) als Musterbeispiel für gelungenes Automobildesign. Schaut man sich im Straßenbild um, stellt man fest, dass etwas Disziplin, um nicht zu sagen: Zurückhaltung gut täte.
Parker 25
Moderatoren: MarkIV, Zollinger, desas, Linceo, Lamynator
Re: Parker 25
Danke für den tollen Beitrag. Gerade die „Brot-und-Butter“-Füller haben oft spannende Hintergrund-Geschichten, die so lesenswert sind. Mir war es jedenfalls eine Freude, die Geschichte des Parker-Volvo zu lesen!
Viele Grüße
Bianka
"Blessed are the cheesemakers!" Monty Python
Bianka
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- mondindianer
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Re: Parker 25
Prima Lesestoff, vielen Dank! Es wird leicht vergessen, dass auch hinter den 'einfachen' Schreibgeräten viel Überlegung steckt. Der Parker 25 ist so ein Beispiel. Es ist längst nicht alles billig, was nicht teuer ist.
Viele Grüße
Fritz
Fritz
Re: Parker 25
Schön formuliert, da musste ich an den ein oder anderen Indikator bei meinen Arbeitstieren denken.
Klasse Beitrag, informativ und kurzweilig.
LG
Heinrich
Heinrich
Re: Parker 25
Vielen Dank für die unterhaltsame und informative Vorstellung des Parker 25 und dass Du Dir trotz aktueller Widrigkeiten die Zeit genommen hast, unserem Forum zu etwas mehr Inhalt zu verhelfen.
Wenn Du mir gestattest füge ich noch einen Punkte hinzu:
Die unverwechselbare Form des Parker 25 wurde von mindestens zwei Herstellern aufgegriffen:

Pilot Birdie 1987
Parker 25 1975
Aurora Auretta 1980

PS: Ich habe noch ein Foto gefunden eines schwarzen Set gefunden:

PPS: die Analogie zum Fiat Panda passt hervorragend.
Wenn Du mir gestattest füge ich noch einen Punkte hinzu:
Bei einem meiner Exemplare ist es mir gelungen, die Verbindung zu lösen und den abgenutzten Klipp zu tauschen. Wenn ich mich recht erinnere, lässt sich der Stopfen austreiben....Beide sind per Klickverbindung unlösbar miteinander verbunden, ein Resultat des vollautomatisierten Produktionsprozesses...
Die unverwechselbare Form des Parker 25 wurde von mindestens zwei Herstellern aufgegriffen:

Pilot Birdie 1987
Parker 25 1975
Aurora Auretta 1980

PS: Ich habe noch ein Foto gefunden eines schwarzen Set gefunden:

PPS: die Analogie zum Fiat Panda passt hervorragend.
Beitrag in schwarz: Zollinger als Sammler - Beitrag in grün: Zollinger als Moderator
Re: Parker 25
Oh, der Pilot Birdie ist ja ein äußerst attraktiver Exot! Danke Dir für die Ergänzung und Horizonterweiterung. Japan ist ein ganzer Kontinent verlockender Schreibgeräte. Ich befürchte Verzettelung, wirtschaftlichen Ruin und technoid-romantische Totalauflösung, wenn ich mich dem zuwende. Aber die Verlockung ist groß.
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jobojangles
- Beiträge: 23
- Registriert: 16.04.2008 14:25
Re: Parker 25
Den Parker 25 fand ich auch schon immer spannend. Hier die Standard-Varianten:
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Re: Parker 25
Danke für diesen tollen Beitrag zum Parker 25. Du zeigst eindrucksvoll, dass auch ein einfacher Füllfederhalter ein interessantes Industrieprodukt sein kann und dass hinter seiner Entwicklung viele Gedanken zu Herstellung, Materialien, Wertanmutung und Markt stehen.
Du hast absolut recht - zu jener Zeit hat bei Parker eine Neuorientierung stattgefunden. Wir können lange jammern, dass der 25 lange nicht die Klasse eines 75, "51", Vacumatic usw. hat. Hat er nicht, aber die Zeiten für solche hochwertigen massenproduzierte Füllhalter waren vorbei und das hat Parker UK wohl erkannt. Sonst gäbe es diese Marke heute wohl nicht mehr.
Zum Parker 25 fiel mir auch gleich der Pilot Birdie ein, den Zollinger schon gezeigt hat
Den 25 habe ich als Parker und Flighter Fan natürlich auch
. Und den werde ich anläßlich dieser Geschicht gleich mal wieder in Betrieb nehmen.
Grüße,
Andi
Du hast absolut recht - zu jener Zeit hat bei Parker eine Neuorientierung stattgefunden. Wir können lange jammern, dass der 25 lange nicht die Klasse eines 75, "51", Vacumatic usw. hat. Hat er nicht, aber die Zeiten für solche hochwertigen massenproduzierte Füllhalter waren vorbei und das hat Parker UK wohl erkannt. Sonst gäbe es diese Marke heute wohl nicht mehr.
Zum Parker 25 fiel mir auch gleich der Pilot Birdie ein, den Zollinger schon gezeigt hat
Den 25 habe ich als Parker und Flighter Fan natürlich auch
Grüße,
Andi
Don't feed the troll.
Re: Parker 25
Auch die rote Variante, das ist eindrucksvoll! I‘ve heard people say, den hätte es nur kurze Zeit und dann Stress mit rotring gegeben. Angesichts des geschlossenen Füllers kann ich das gut nachvollziehen. Danke für die appetitanregende Bilderserie!jobojangles hat geschrieben: ↑17.11.2025 15:51Den Parker 25 fand ich auch schon immer spannend. Hier die Standard-Varianten:
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Re: Parker 25
Moin, es gab den 25 auch als Fasermaler.Oder wie auch immer man das nennen mag.
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