Ich bin in den letzten Wochen und Monaten der Frage nachgegangen, wie der Tintenfluss, das Gefühl der "Schmierung" beim Schreiben und das Trocknungsverhalten einer Tinte zusammenhängen. Mit Trocknungsverhalten meine ich sowohl die Trocknung auf dem Papier als auch das Austrocknen im Füller, was ich persönlich gar nicht mag.
Angestossen wurde das Ganze durch die Arbeit von InesF über den Zusammenhang zwischen Oberflächenspannung und Tintenfluss. Ihre Überlegungen haben mich dazu gebracht, die Rolle einzelner Zusätze bei EG-Tinten genauer anzuschauen.
Ich habe mit drei Zusätzen experimentiert: einem klassischen anionischen Tensid, Gummi Arabicum und Glycerin. Dabei ergab sich folgendes Bild:
1. Ein Tensid beeinflusst Fluss, Schmierung und das Verhalten auf dem Papier zugleich.
Tinten, die gut fliessen, fühlen sich automatisch auch geschmeidiger an. Das Tensid sorgt aber auch dafür, dass Papierfasern die Tinte schneller aufnehmen. Das ist angenehm beim Schreiben, kann aber je nach Papier zu Durchbluten und Ausfransen führen. Die Dosierung ist heikel – schon kleine Änderungen haben grosse Wirkung.
2. Gummi Arabicum wirkt dem Ausfransen und Durchbluten entgegen.
Das ist an sich nichts Neues. In meinen Tests stabilisiert es die Linie und bremst die Faserpenetration. Die Menge ist dabei weniger kritisch: leichte Abweichungen verändern das Schriftbild kaum. Gummi Arabicum wirkt eher dämpfend als steuernd. Bei hohen Mengen leidet der Tintenfluss, wodurch das Austrocknen im Füller begünstigt wird. Die Tinte wirkt bei unterschiedlichen Mengen an Gummi Arabicum nicht unterschiedlich geschmiert.
3. Glycerin verhindert das Austrocknen im Füller.
Durch seinen hohen Siedepunkt und den wasserziehenden Effekt hält es das Wasser länger in der Tinte. Nebenwirkungen sind etwas mehr Faserpenetration, ein kleiner Schub im Fluss und eine leicht verlängerte Trocknungszeit auf dem Papier.
Getestet habe ich alles mit Eisengallustinten. Dabei wurde klar, dass die drei Zusätze zwar zusammenarbeiten, aber unterschiedlich stark eingreifen. Gummi Arabicum und Glycerin verhalten sich eher zurückhaltend. Beim Tensid hingegen entscheidet schon wenig darüber, ob eine Tinte angenehm geschmeidig schreibt oder bereits zu stark ins Papier zieht.
Schwierigkeit beim Experimentieren mit käuflichen Tinten:
Man weiss nicht, welche Stoffe bereits enthalten sind. Ein Zusatz von Gummi Arabicum kann den Fluss verschlechtern, wenn die Tinte ohnehin schon davon enthält. Glycerin kann helfen, wenn eine Tinte an der Feder eintrocknet. Gleichzeitig kann das Ausfransen auf schlechtem Papier zunehmen. Eine schlecht fliessende Tinte lässt sich in der Regel mit einer sehr kleinen Menge einer schwachen Tensidlösung verbessern, allerdings nur im Tintenglas. In einem Konverter kann ein einzelner Tropfen leicht zu viel sein.
Das sind meine bisherigen Beobachtungen. Es würde mich interessieren, ob andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben.
Tintenfluss, Schmierung und (Ein-)Trocknungsverhalten
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Re: Tintenfluss, Schmierung und (Ein-)Trocknungsverhalten
Bis jetzt beschränkten sich Überlegungen zu Zusätzen wie Gycerin mehr oder weniger auf die physikalischen und chemischen Eigenschaften dieser Lubrikanzien, wie schön, dass jetzt dazu praktische Erfahrungen geteilt werden.
LG
Heinrich
Heinrich
Re: Tintenfluss, Schmierung und (Ein-)Trocknungsverhalten
Leider kann ich als Laie der Chemie und auch als sonstiger Tinten-Nichtkenner wenig dazu beitragen. Aber neben Tinte und Papier ist auch der Füller ein wichtiger Faktor wie ich lernen durfte. In modernen Füllern mit gemässigtem Tintenfluss ist mir EG Tinte in der Regel zu zahm, also zu trocken. Bei alten Füllern mit grosszügigem Tintenfluss sieht das aber schon ganz anders aus.
Füller, Papier und Tinte ergeben eine Formel mit drei Variablen. Viel Spass beim Erforschen!
...wird Zeit, dass ich mal wieder etwas Tinte bestelle beim Tintenlabor um die Fortschritte selber beurteilen zu können.
Füller, Papier und Tinte ergeben eine Formel mit drei Variablen. Viel Spass beim Erforschen!
...wird Zeit, dass ich mal wieder etwas Tinte bestelle beim Tintenlabor um die Fortschritte selber beurteilen zu können.
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GentryStone
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Re: Tintenfluss, Schmierung und (Ein-)Trocknungsverhalten
Hallo zusammen,
ein interessantes Thema, wo ich mich schon mehrfach im Kreis gedreht habe.
Was mir im Laufe meiner bisherigen Erfahrungsreise hängen geblieben ist, vermag ich nur so zu beschreiben, ohne die chemischen Hintergründe zu kennen, oder gar Ableitungen daraus zu ziehen. Plausibel ist mir das ein oder andere, mehr aber auch nicht
Mein Füller, den ich quasi zu 98% verwende ist ein Pilot Custom 823 ehemals gekauft mit B Feder, welche ich zu einer Italic umgeschliffen habe, allerdings so, dass das Korn vorn erhalten blieb und in der B-Breite eine Italic Schreibspitze ergibt.
Meine Tintenerfahrungen:
Original Namiki/Pilot Black, welche beim Custom 823 dabei war = fließt etwas trockener und ist auch nicht so "schmierfreudig"
Schriftbild ist dafür dem Italic Schliff entsprechend fein ausgeprägt, mit guter Linienvariation zwischen dünn und dick.
Rohrer & Klingner Dokumentus Schwarz, als auch Dunkelblau, sehr fließfreudig und sehr schmierfreudig
Schriftbild dadurch aber mit weniger Linienvaritation / weniger vom Italiceffekt (wenn ich das so nennen darf)
Diamine Onyx Black ist für mich, für meinen Geschmack genau die richtige (nicht wasserfeste) Tinte, von der Fließfreudigkeit her so, dass auch das Schmierverhalten einen sehr angenehmen Schreibfluß ermöglicht, was sich auch im Schriftbild zeigt.
Rohrer & Klingner Eisengallustinten:
- Salix ist gut fließfreudig, schmierverhalten (so scheint es bei allen Eisengallustinten wohl zu sein) ist etwas schlechter, fühlt sich stumpfer an = als wasserfeste Alternative zur Diamine Onyx Black im Schreibverhalten gut.
- Scabiosa läuft trockener und stumpfer, als die Salix und teilweise aus dem Custom 823 zu trocken, daher verwende ich sie nicht mehr im Füller und nutze die Eigenschaften dann eher mit der Tauchfeder, wo ein trockener Tintenfluß für mich von Vorteil ist.
- 2023 limited "ivory" fließt im Füller ein wenig besser als die Salix und ist für mich am nächsten an der Diamine Onyx Black im Fließ und Schmierverhalten dran, auch wenn sie sich beim Schreiben ein wenig stumpfer anfühlt.
Nun kommt der Faktor Papier hinzu...
Eines meiner Lieblingspapiere ist das 90g Bindewerk , welches ich in etlichen Tagebüchern (Notizbüchern) hatte, als mir auch direkt bei Bindewerk A4 und A3 Bögen gekauft hatte und liebend gern verwende.
Hier macht die Dokumentus ein klein wenig zu "nasses" Schriftbild, wo die Diamine Onix genau richtig fließt.
Das ist auch ein wenig mein Referenz Papier, weil von dort aus z.B. zu Rössler 100g, Conqueror 100g, G.Lalo 100g. Laid/Vergé
Papieren, welche allesamt mit nasserem Tintenfluß klar kommen, nur Nuancen sind.
Tomoe River aus einem Hobonichi Notizbuch empfand ich mit der Dokumentus schrecklich, das es dort zu nass lief (für meinen Geschmack)
Da war dann eine trockenere Tinte angenehmer, auch andere japanische Papiere in z.B. midori Notizbuch haben mir nicht so gut gefallen.
Ich vermag die Unterschiede nur schwer zu beschreiben, es ist einfach ein Schreibgefühl und da ist für mich Bindewerk auf Platz 1.
Es ist also nicht nur die Tinte allein. Ich finde es gibt da halt Füller-Tinte-Papier Kombinationen, die einfach passen, oder auch nicht,
nebst einiger nuancierten Grauzonen drumherum
Aber wovon das jeweils in der chemischen Zusammensetzung abhängt, war mir zu tief im Kaninchenbau - ich wollte dann eher schreiben, statt mir darüber Gedanken zu machen und zu recherchieren.
beste Grüße
Olli
ein interessantes Thema, wo ich mich schon mehrfach im Kreis gedreht habe.
Was mir im Laufe meiner bisherigen Erfahrungsreise hängen geblieben ist, vermag ich nur so zu beschreiben, ohne die chemischen Hintergründe zu kennen, oder gar Ableitungen daraus zu ziehen. Plausibel ist mir das ein oder andere, mehr aber auch nicht
Mein Füller, den ich quasi zu 98% verwende ist ein Pilot Custom 823 ehemals gekauft mit B Feder, welche ich zu einer Italic umgeschliffen habe, allerdings so, dass das Korn vorn erhalten blieb und in der B-Breite eine Italic Schreibspitze ergibt.
Meine Tintenerfahrungen:
Original Namiki/Pilot Black, welche beim Custom 823 dabei war = fließt etwas trockener und ist auch nicht so "schmierfreudig"
Schriftbild ist dafür dem Italic Schliff entsprechend fein ausgeprägt, mit guter Linienvariation zwischen dünn und dick.
Rohrer & Klingner Dokumentus Schwarz, als auch Dunkelblau, sehr fließfreudig und sehr schmierfreudig
Schriftbild dadurch aber mit weniger Linienvaritation / weniger vom Italiceffekt (wenn ich das so nennen darf)
Diamine Onyx Black ist für mich, für meinen Geschmack genau die richtige (nicht wasserfeste) Tinte, von der Fließfreudigkeit her so, dass auch das Schmierverhalten einen sehr angenehmen Schreibfluß ermöglicht, was sich auch im Schriftbild zeigt.
Rohrer & Klingner Eisengallustinten:
- Salix ist gut fließfreudig, schmierverhalten (so scheint es bei allen Eisengallustinten wohl zu sein) ist etwas schlechter, fühlt sich stumpfer an = als wasserfeste Alternative zur Diamine Onyx Black im Schreibverhalten gut.
- Scabiosa läuft trockener und stumpfer, als die Salix und teilweise aus dem Custom 823 zu trocken, daher verwende ich sie nicht mehr im Füller und nutze die Eigenschaften dann eher mit der Tauchfeder, wo ein trockener Tintenfluß für mich von Vorteil ist.
- 2023 limited "ivory" fließt im Füller ein wenig besser als die Salix und ist für mich am nächsten an der Diamine Onyx Black im Fließ und Schmierverhalten dran, auch wenn sie sich beim Schreiben ein wenig stumpfer anfühlt.
Nun kommt der Faktor Papier hinzu...
Eines meiner Lieblingspapiere ist das 90g Bindewerk , welches ich in etlichen Tagebüchern (Notizbüchern) hatte, als mir auch direkt bei Bindewerk A4 und A3 Bögen gekauft hatte und liebend gern verwende.
Hier macht die Dokumentus ein klein wenig zu "nasses" Schriftbild, wo die Diamine Onix genau richtig fließt.
Das ist auch ein wenig mein Referenz Papier, weil von dort aus z.B. zu Rössler 100g, Conqueror 100g, G.Lalo 100g. Laid/Vergé
Papieren, welche allesamt mit nasserem Tintenfluß klar kommen, nur Nuancen sind.
Tomoe River aus einem Hobonichi Notizbuch empfand ich mit der Dokumentus schrecklich, das es dort zu nass lief (für meinen Geschmack)
Da war dann eine trockenere Tinte angenehmer, auch andere japanische Papiere in z.B. midori Notizbuch haben mir nicht so gut gefallen.
Ich vermag die Unterschiede nur schwer zu beschreiben, es ist einfach ein Schreibgefühl und da ist für mich Bindewerk auf Platz 1.
Es ist also nicht nur die Tinte allein. Ich finde es gibt da halt Füller-Tinte-Papier Kombinationen, die einfach passen, oder auch nicht,
nebst einiger nuancierten Grauzonen drumherum
Aber wovon das jeweils in der chemischen Zusammensetzung abhängt, war mir zu tief im Kaninchenbau - ich wollte dann eher schreiben, statt mir darüber Gedanken zu machen und zu recherchieren.
beste Grüße
Olli
Re: Tintenfluss, Schmierung und (Ein-)Trocknungsverhalten
Da hast du wohl recht, Schreiben ist sicher besser als sich den Kopf über Tinte zu zerbrechen.
Die R&K EG Tinten kenne ich aus eigener Erfahrung nicht, kann mir aber vorstellen, dass man am Fluss etwas machen könnte, halt zu Lasten der Papierfreundlichkeit gegenüber saugenden Papieren. Für mich stimmt es jedoch, wenn eine Tinte ihre Qualitäten auf gutem Papier zeigt und nicht auf schlechtem. Guter Wein wird auch nicht für Schnabeltassen optimiert
Wenn ich schlechtes Papier vorgesetzt bekomme und darauf schreiben will, ist es für mich einfacher, einen trockeneren Füller mit F oder EF Feder zu verwenden. Ausserdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass sogar die Luftfeuchtigkeit einen Einfluss darauf hat, wie ein grenzwertiges Papier auf Tinte reagiert. Zu einer im Füller eintrocknenden, nur mühsam anschreibenden Tinte sage ich dagegen immer nein (oder schütte etwas Glycerin hinein).
Die R&K EG Tinten kenne ich aus eigener Erfahrung nicht, kann mir aber vorstellen, dass man am Fluss etwas machen könnte, halt zu Lasten der Papierfreundlichkeit gegenüber saugenden Papieren. Für mich stimmt es jedoch, wenn eine Tinte ihre Qualitäten auf gutem Papier zeigt und nicht auf schlechtem. Guter Wein wird auch nicht für Schnabeltassen optimiert
Wenn ich schlechtes Papier vorgesetzt bekomme und darauf schreiben will, ist es für mich einfacher, einen trockeneren Füller mit F oder EF Feder zu verwenden. Ausserdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass sogar die Luftfeuchtigkeit einen Einfluss darauf hat, wie ein grenzwertiges Papier auf Tinte reagiert. Zu einer im Füller eintrocknenden, nur mühsam anschreibenden Tinte sage ich dagegen immer nein (oder schütte etwas Glycerin hinein).
Re: Tintenfluss, Schmierung und (Ein-)Trocknungsverhalten
Deshalb hat der Gutenberg seine Bibeldruckerschwärze auch täglich an Luftfeuchte und Temperatur angepasst. Ich sage ja immer, man kann bei einer Tinte keine einzelne Eigenschaft verändern ohne dass sich eine andere mitverändert. Aber wir Tintenleute müssen selbstverständlich schreiben und uns über Tinte den Kopf zerbrechen.
