Vom Sinn alter Stifte

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Dirk Barmeyer

Vom Sinn alter Stifte

Beitrag von Dirk Barmeyer »

Ich kaufe sehr gerne alte Füllfederhalter, die 50-100 Jahre alt sind. Diese Stifte nutze ich besonders gerne zum Schreiben, für die Vitrine sind sie mir zu schade.
Hiergegen lassen sich mindestens drei Argumente finden:
1.) vielleicht ist der Besitzer gestorben - er hat eine Geschichte und die gehört nicht in MEIN Leben.
2.) vielleicht musste er all sein Hab und Gut verkaufen, weil er kein Geld mehr hatte und er hang so sehr an der Feder.
3.) Ich bin eine ANTI-REPARIERERIN. Wenn etwas defekt wäre, dann müsste ich weinen. Sehr weinen.
(Danke an Cori für die Argumente, ich habe sie aus einem anderen Text hierher kopiert.)

zu 1.
Nun, ich möchte auch nicht Anzüge einer verstorbenen Person tragen. Bei Füllfederhaltern sehe ich es jedoch anders: Ich kaufe nicht die Geschichte des Vorbesitzers, sondern die des Füllfederhalters. Möglicherweise hatte er viele Vorbesitzer und kommt erst bei mir zu seinem wohlverdienten "Lebens"abend. Ich hätte auch kein Problem, in einem alten Haus zu wohnen.

zu 2.
Möglicherweise konnte der Vorbesitzer mit Hilfe des Verkaufs seines Füllers sich etwas zu essen kaufen. Gäbe es keine Käufer für alte Füller wäre der Füller unverkäuflich gewesen und der Mensch verhungert!

zu 3.
Reparieren muß man nicht selbst. Es gibt Fachleute, die für erträgliche Preise Wunder vollbringen. Ein gut und sorgfältig restauriertes Stück kann besser schreiben als ein ohne angemessene Qualitätssicherung in den Handel gebrachter neuer Füller.

Daher:kauft alt !

Viele Grüße
Dirk
Cori
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Beitrag von Cori »

Lieber Dirk,

stell Dir vor es ist Krieg und die Bomben fliegen um die Ohren und irgendein Karl oder Franz sitzt in einem Eck und schreibt die letzten Zeilen an Therese, seine Frau. Kurze Zeit später ist unser Mann tot. Therese bekommt sein Hab und Gut und auch den Federhalter. Sie benützt ihn nicht, nein, weil er ihrem Mann gehört hatte, aber hie und da nimmt sie ihn in die Hände und streicht sanft über die Kappe und ihre Augen spiegeln sich schemenhaft im sanften Licht des Clips.
Therese hat aber auch ein Ablaufdatum und so muss sie sterben. Später finden die Enkelkinder den Federhalter und verscherbeln ihn am Flohmarkt.
Mir tut allein der Gedanke in der Seele weh.
Sicher, schöne Teile, aber diese Geschichten sind NICHT UNSERE!
al cori
Dirk Barmeyer

Beitrag von Dirk Barmeyer »

Liebe Cori,
ich sehe schon, Du hast Phantasie...
...aber auch ein wenig recht. Ich kann Dich verstehen.
Viele Grüße
Dirk
P.S.: Stell Dir vor, in Hannover gibt es einen tödlichen Unfall. Ein Arbeiter kommt in eine Maschine, die Schäfte herstellt. Die Schäfte kommen aber nicht zu Schaden und werden verwendet. Unter anderem, um DEINEN Lieblingsfüller herzustellen.... :wink:
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esp
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Beitrag von esp »

Liebe Cori,

noch ein Argument für alte Füllfedern: Sie haben meist Federn, die heutzutage offensichtlich von keiner Firma mehr erzeugt werden kann.

Ja, es gibt eine Handvoll Nibmaster, die aus guten Federn sehr gute machen können. Aber ich hab's noch nicht übers Herz gebracht, eine Feder in die USA zu schicken ...

Um weniger Geld habe ich nämlich einen Schildpatt-400er von Pelikan aus den 50ern; und ja, auch einen 344G von Montblanc bekommen. Unter anderen :)
Auf Wiederlesen ...
Edi
yoda
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Beitrag von yoda »

Cori hat geschrieben:......Später finden die Enkelkinder den Federhalter und verscherbeln ihn am Flohmarkt.
Und nun endlich, findet sich das Gerät wieder in Händen, die es mit derselben Hingabe benutzen wie damals der erste Besitzer. Neue Briefe entstehen und schöne Geschichten und so entsteht ein Band von jenem frühen Briefeschreiber in das Leben zurück. Dieses Band hat jener Füller gewoben. Und weil ich es gar nicht weiß, das alte Gerät aber mit Ehrfurcht behandle ist es auch eine schöne Geschichte.

Die Alternative wäre die Müllpresse. Auch nicht schön.

Nein Cori, gerade Deine Geschichte hat mir gezeigt wie schön es sein kann alte Geräte zu besitzen. Vielleicht auch sie zu benutzen. Ich habe Deine Geschichte ganz anders gelesen.

Aber ich glaube auch zu verstehen, was Du meinst und kann das durchaus akzeptieren und nachvollziehen.

Alles Gute
Hugo
hotap

Beitrag von hotap »

Hallo Ihr Lieben.

Zuerst einmal ein dickes Lob für unseren Dirk, dass er diesen Artikel ins Leben gerufen, bzw. ins weltweite Netz gestellt hat.
Mögen wir viele schöne Antworten, wie bisher schon geschehen, bekommen.
Cori hat geschrieben:Sicher, schöne Teile, aber diese Geschichten sind NICHT UNSERE!
Doch Cori (und auch Dirk), diese Geschichten sind auch unsere – vor allem wenn wir die Geschichte dieses Füllers kennen.

Ich selber habe viele Füller von Freunden, Bekannten und anderen lieben Menschen bekommen, mit einer diesbezüglichen Geschichte dazu (oder Biografie, wie es ja heute heißt), weil sie meinten, dass diese Füller dann „bei mir weiterleben würden“.
Und diese Geschichten werde ich nicht einfach vergessen oder in einer der hintersten Ecken meines Gehirns verstecken. Die gehören für mich auf Ewig dazu.
Zu meiner Verwunderung waren es allerdings zu ca. 75% Schreibgeräte von Montblanc.

Stellvertretend zwei Beispiele.
Der MB-Safety der Mutter meines Bierdosentauschkumpels. http://community.fountainpen.de/content/view/38/2/
Oder der Füller einer entfernten Bekannten, die jetzt leider mit ihren über 80 Jahren, nach einem Schlaganfall ein Pflegefall geworden ist. http://community.fountainpen.de/index.p ... tid=16#141
Und noch viele Geschichten mehr.

Natürlich habe ich in meiner Sammlung älterer, bzw. historischer, Füllfederhalter sehr viele, die ich auf Flohmärkte, über ein Internetkaufhaus oder auf Schreibgerätebörsen erstanden habe. Teils sind diese defekt, teils noch schreibbereit. Auch wenn diese ihr Dasein jetzt in speziellen Schreibgerätesammelmappen fristen, haben sie doch eines gemeinsam. Sie sind wieder ordentlich gereinigt worden, teilweise repariert und erfreuen (nicht nur) mein Herz.

Viele Grüße
Günter
Cori
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Beitrag von Cori »

Guten Morgen,
lassen wir doch ungustiöse Herstellungen links liegen (der Arbeiter in der Maschine!) und wenden wir uns den Tatsachen zu...

Ich denke auch, dass Federhalter von damals bessere Federn haben.
Aber, ich geh auch ungerne auf Flohmärkte, wegen meines Einwandes. Ich schaff das einfach nicht.
Ich wüsste nicht, wie ich umgehen sollte mit so einem wertvollen Ding. Ihr habt ja KEINE AHNUNG wieviele Köpfe von den Barbies flogen - rein unabsichtlich...also, ich bin heute noch ein kleiner Rowdy.
Zum wertvollen Ding.-.---- ja, ich habe mir einen Toledo gekauft und ja, er wird mit Glace Handschuhen benützt, aber das ist eine neue Definition von "wertvoll" bei Fountain pens - da steckt ein Leben dahinter. Vielleicht ein Schriftstellerleben (eine Füllfeder von Thomas Mann wär ein Riss) oder eine Tragödie oder eine Komödie (Füllhalter von Jerry Lewis) - (Übrigens: Off topic: Wir sollten Mal über Füllhalter der Reichen und Schönen und Berühmten reden. Da beginnen wir zu weinen. Vermutlich)
- wie auch immer, aber ich betone nochmals:

Es ist nicht die Geschichte meiner Familie!
Und das macht mir ein ungutes Gefühl.

Sicher, wir können auch hergehen und sagen: Das ist ein Ding, ist mir egal und schön.
Ja, das könnt ihr. Ist ja auch nett.
Aber, ich kann das nicht.

al cori


P.s.: Das ist der Grund warum ich mir von meinem Mann niemals Schmuck aus dem Dorotheum kaufen lassen würde - von den Einzelstücken. Ich schaff das nicht. Das sind GANZ PERSÖNLICHE Dinge. Die Betonung liegt auf ganz.

P.P.S.: Lange Rede - kurzer Sinn:
Eine neue Feder bekommt einen neuen Hauch. Es ist immer ein Neubeginn.
diogenes
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Registriert: 10.10.2006 9:21

Beitrag von diogenes »

Du argumentierst sehr emotional. Das Problem an einer rein emotionalen Argumentation ist, dass sie einfach beliebig und eine Frage des persönlichen Geschmacks ist. Genauso wie für Dich die Geschichte einer alten Füllfeder ein Grund dafür ist, sie nicht zu kaufen oder zu verwenden, ist für andere genau das aus genauso rein emotionalen Motiven ein besonderer Grund dafür, erst recht mit alten Federn zu schreiben. Jeder fühlt anders. Wer hat nun Recht?

Schöne Grüße,
diogenes
Dirk Barmeyer

Beitrag von Dirk Barmeyer »

Cori hat geschrieben:wenden wir uns den Tatsachen zu...
Liebe Cori,
hast Du dich wirklich den Tatsachen zugewendet ?
Viele Grüße
Dirk
Cori
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Beitrag von Cori »

Hallo! :)
Wenden wir uns den Tatsachen tatsächlich zu.
Ihr seid Vollprofis. Ihr sammelt nicht nur, sondern repariert, reinigt, putzt und verehrt. Ihr kennt Euch aus. Ihr werdet nicht über`s Ohr gehauen.
Ihr wisst, zu wem ihr gehen müsst, wenn etwas nicht selbst zu reparieren geht und ihr kennt die Preise.

So.

Trifft das für jeden zu?

Ich stelle die Frage Mal in den Raum.
Wenn ich zum Flohmarkt gehen würde, dann könnte mir jeder x-Beliebige eine Füllfeder um 80 Euro andrehen. Angenommen ich habe Glück und die Feder ist eine echte Marke. Wie erkenne ich, dass sie in Ordnung ist?
So, jetzt habe ich das Ding zuhause. Ich kenn mich null aus,...
mehr brauche ich nicht zu sagen, außer, dass bei mir (wegen Laientum!) die 80 Euro in 500 Euro steigen werden mit der Zeit, vielleicht, vielleicht auch drunter, weil man IMMER irgendetwas braucht oder reparieren muss.
Rational genug?
al cori
Dirk Barmeyer

Beitrag von Dirk Barmeyer »

Liebe Cori,
ich schlage vor:
1.Du kaufst Da Book! (für nichteingeweihte: Frank Dubiel hieß der Verfasser), z.B. im Fountainpenhospital und die alte deutsche Ausgabe vom Lambrou (gelegentlich auf ebay für unter 30 Euro, häufig auf eurobuch.com für Mondpreise)
2.Du gehst zum nächsten Reparaturseminar, z.B. Anfang Oktober in Hamburg
3.Du kaufst auf Flohmärkten Stifte bis 10 Euro und zerlegst sie zur Übung
4.Du besuchst Sammlerbörsen und plauderst mit den Verkäufern.

Dann bist Du auch Vollprofi, so schnell geht das!
Lehrgeld muß jeder zahlen. In Wien gibt es aber auch viele nette Leute, die Dir viel beibringen können. Gibt es eigentlich Leo Grahofer (habe ich den Namen richtig geschrieben?) noch ?

Viele Grüße
Dirk

P.S.:der Kauf von neuen Stiften ist einfacher. Du kannst aber auch so Müll einkaufen und teurer ist es auf jeden Fall.
Cori
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Beitrag von Cori »

Seufz, die "Kleine"rennt gegen Windmühlen.
Ich habe kein Argument mehr, außer mein persönlicher Einwand, dass ich neue Dinge einfach bequemer finde. Ich denke, das ist das richtige Wort. Ich bewundere Euch wirklich, aber ich habe nicht die Muße dazu....
Das gebe ich zu.
Ich finde zum Beispiel Conway super schön, die cracked ice--- (wo ist sie????!!!!) oder eine alte MB, aber ich weiß nicht.
al cori
yoda
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Beitrag von yoda »

Hallo Cori
Nein gegen Windmühlen rennst Du nicht. Ich kann Dich gut verstehen. Mir geht es im Prinzip ganz ähnlich. Alte Füller traue ich mir auch nicht zu kaufen. Ich habe einen Füller für 10 Euro gekauft, der war 9 Euro zu teuer. Beim ersten Versuch ihn wieder in Gang zu setzen war sofort der Drehknopf für die Kolbenmechanik ab.
Dann habe ich einen Lamy gekauft, der funktioniert aber irgendwie war er es doch nicht und das Geld war eigentlich auch in den Sand gesetzt. Aber der war wenigstens auch unter 10 Euro.
Ich kaufe eigentlich auch fast nur neue Stifte oder Stifte, die zwar gebraucht aber in bestem Zustand sind. Unter anderem weil alle Versuch von mir handwerklich tätig zu werden bislang gescheitert sind. Es ist gut, daß ich Programmiere, da brauche ich meine Hände nur zu tippen :oops:

Ich habe nur auf Deine erste Story geantwortet weil die Argumentation mit der Geschichte bei mir genau zu einem anderen Schluß führt. Aber wie gesagt: Ich habe auch keine alten Geräte und bei Börsen habe ich dann doch immer wieder lieber die Finger weg gelassen.

Gruß an alle
Hugo
lw7275
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Beitrag von lw7275 »

Hallo allerseits,
manche Leute, die alten Schmuck erben oder erwerben, halten ihn spätestens vor dem ersten Tragen unter fließendes Wasser, aus der etwas diffusen Vorstellung heraus, ihn sozusagen neutralisieren zu müssen.

Ähnliches geschieht mit Meditationskugeln, Qi-Gong-Kugeln. Hat man sie mal verliehen, hält man sie ebenfalls unter fließendes Wasser. Nur dass die Vorstellung etwas konkreter ist, man möchte das fremde Qi entfernen.

Für mich sind Besitz und, ganz wichtig!, Verwendung alter Gegenstände sehr reizvoll, gerade wenn es persönliche Dinge sind wie Füllhalter oder Werkzeuge in langem Familienbesitz. Aber warum?
Nun habe ich einiges dazu geschrieben und wieder gelöscht - ich kriege es nicht recht auf die Reihe.

Schöne Weihnachten!
Lars
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stift
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so so

Beitrag von stift »

hallo ihr lieben!

na wenn ich mir jede woche gedanken machen würde wer oder was dann hätte ich heute keine füllersammlung mit historischen füllern.

sicher denke ich nach wem dieses stück vieleicht gehört hat und wer er oder sie war.
sicher ist oft das bei den superstücken die leute nicht arm waren.
den ein handwerker oder bediensteter in den 20iger oder 30iger jahren hatte sowas nicht,die hatten nichts.
es war eine schlimme zeit für das arbeitende volk!

wie ich schon geschrieben habe sammle ich auch alten schmuck und uhren,ja
da wird das nachdenken dann sehr eng für mich,den wertvollen schmuck hatte in dieser zeit nur eine kleine menge an leuten.
aber wie wird es in 50 oder mehr jahren sein ?genauso wie heute dann kaufen die leute unsere sachen und haben eine freude wie wir heute.

für mich sind meine alten füller mit denen ich schreibe und vorher restauriere eine richtige freude.
ich könnte da mein ganzes geld investieren nur da hätte meine frau und kinder keine freude mit mir.aber es tun auch kleine sache um 30 oder 100€,ich meine da habe ja dann schon ein superstück das ich wieder zum schreiben bringen kann.
soviel zu den alten füllern.

ICH WÜNSCHE ALLEN LIEBEN FÜLLERFREUNDEN IM FORUM EIN FROHES UND GESEGNETES WEIHNACHTSFEST!!!
mlg
harald
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