
Das in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus bearbeiteter Baumwolle in Verbindung mit Campher hergestellte Thermoplast erlebte seinen Siegeszug bei der Füllfederhalterproduktion in der zweiten Hälfte der 20er Jahre (und ersetzte peu á peu das zuvor verwendete Ebonit/Hartgummi), bevor es nach und nach, ab den 40er Jahren durch modernere Plastiken ersetzt wurde, bevor Visconti das Material in den 1990ern mit zwiespältigem Ergebnis wiederentdeckte (so scheinen sich einige der frühen Viscontifüller zwischenzeitlich übelst zersetzt zuhaben) und es seither ausschliesslich (?) für hochpreisige Stifte verwendet wird, wobei die heutige Zelluloidvielfalt nicht annähernd an das Goldene Zeitalter heranreichen kann (Gründe dafür spare ich mir jetzt).
Leider ist es auch ein recht empfindliches Material (im Gegensatz zu Ebonit, das höchstens durch UV Licht ausbleicht) & den verschiedenen modernen Plastikvarianten (abgesehen von dem frühen, von Wahl-Eversharp für das Skyline verwendete, schrumpfanfällige "Billigplastik")
Schrumpfung/Deformierung
Möglicherweise hauptsächlich aufgrund von zu schneller Weiterverarbeitung von nicht lange genug gelagertem Zelluloid (?) sind insbesondere (basierend auf meiner limitierten Erfahrung) französische Zelluloidfüller aus den 30ern und 40ern schon fast notorisch bekannt für schrumpfendes bzw. deformiertes Zelluloid.
Mich würden weitere Ursachen für den Deformiererungsprozess interessieren (Übermässige Hitze kann für Zelluloid nicht gut sein ?!).
Leider scheint dies kein Problem ausschliesslich alter Füller zu sein!
Neulich endete auf der Bucht ein Aurora Optima in grauem Zelluloid, angeboten von einem französischen Verkäufer, der seit geraumer Zeit vorwiegend limitierte Editionen anbietet, bei etwa 330 Euros. Da der Aurora Optima eines jener wenigen zeitgemässen Füller ist, die mich interessier(t)en, hatte ich das Angebot beobachtet & mir 2 Stunden vor Schluss mal die Detailfotos des Italieners näher betrachtet. Offensichtlich war das Zelluloid -gut sichtbar- geschrumpft, was sich auf die Ästhetik des Füllers höchst unschön ausgewirkt hat! Es hatte mich verwundert, dass jemand (es gab zahlreiche Mitbieter) soviel für einen Schrumpfaurora zu zahlen bereit war!
Neulich wurden zwei Aurora Optimas bei FPN angeboten: Einer aus rotem Zelluloid (die Kappe war leicht geschrumpft) & ein Blauer (die Kappe war leicht verformt). Im Gegensatz zum Ebayverkäufer, der sich, wie ich mal unterstellen möchte, nicht wirklich auskennt, wies die Verkäuferin auf den Mangel hin & bot Beide daher für "nur" 250 $ an (sie sind mittlerweile verkauft!).
Es scheint sich bei diesem Füller also nicht um einen Einzelfall zu halten!
Meine Frage an Jene, die einen AO aus Zelluloid haben: Ist Euch da schon mal etwas aufgefallen? Wie sind Eure Erfahrungen?
Für mich jedenfalls ist das Modell erstmal gestorben (als ob die bekanntermassen rigiden Federn nicht Grund genug wären, von einem Kauf abzusehen

Verfärbung
Die Verfärbung von Zelluloid ist bei alten Füllern sehr häufig zu beobachten. Insbesondere Farben wie Cremeweiss, Jadegrün, Lapislazuli haben sich häufig ungünstig verfärbt. Aus Cremeweiss (auch oft Pearl genannt) wird Orange bzw. ein dunkles Braun; Jadegrün bekommt die Farbe von gekochtem und leicht angebranntem Spinat usw.
Das Problem scheint ALLE Marken und Modelle gleichermassen zu betreffen und ist irreversibel

Nach allgemeiner Auffassung sind dafür Tintenschläuche, die über einen längeren Zeitraum gewisse Gase (?) ausströmen, verantwortlich zu machen. Ob moderne Latexschläuche ebenfalls diesen Effekt haben, konnte ich beim Lesen zahlreicher internationaler Forenbeiträge & Artikel bislang nicht eindeutig klären. Selbst bin ich dazu übergegangen, in meine Z-Pens sicherheitshalber nur noch Silikonschäuche zu verwenden 8) .
Wie haltet Ihr`s damit?
Als Kuriosität sei hier noch kurz die in gewissen spanischen Verschwörungszirkeln kursierende, irrwitzige These erwähnt, demnach die Verfärbung, insbesondere die ins Orange gehende (zuweilen auch Ambering -Amber=Bernstein- genannt, ein Begriff, der häufiger für die durch Tinte (?) verursachte Verfärbung von Zelluloidtintenfenstern verwendet wird), habe mit dem ebenfalls orangefarbenen Insektensekret Schellack zu tun.
Kristallisierung/Celluloid Disease
Die oben genannten Zelluloidprobleme, irreversibel & unreparierbar, wie sie nun mal sind, scheinen vorwiegend kosmetischer Art zu sein.
Jetzt aber wird es regelrecht kriminell!
Ich muss den Leser an dieser Stelle warnen, da die folgenden Informationen eine schlaflose Nacht auslösen könnten

Zuweilen nämlich verwest das Material, d.h., es löst sich mehr oder weniger in seine Bestandteile auf!!
Die genauen Ursachen sind mir als Chemiephobiker nicht klar.
Besonders oft ist das Phänomen bei den Wahl-Eversharp Dorics aus den 30er Jahren in unrühmlicher Häufigkeit anzutreffen, insbesondere bei den grünen und rötlichen Modellen. Gleich einem Sterbenden, der noch mal kurz aufblüht bevor er die Jenseitsreise antritt, beginnen die Enden besagter Füller in wunderschönen Neonfarben zu leuchten (was den ein oder anderen Ebay-Bieter erst recht animiert, fleissig zu bieten ob der schönen Farbigkeit

Das erschreckende an diesem remarkablen Vorgang ist nicht der todgeweihte Füller (ich habe keine Ahnung, wie lange es sich hinzieht), sondern die Tatsache, dass diese Zersetzung ANSTECKEND (!!!) ist, sofern besagter Stift zusammen mit anderen Zelluloidfüllern aufbewahrt wird! Offenbar initiiert der Zerfall gewisse ausströmende Gase, die wiederum das gesunde Zelluloid befallen und den Kristallisierungsprozess in Gang setzen.
Schaut Euch mal Eure Z-Pens an - findet Ihr Spuren, die auf Celluloid Disease hindeuten?
Schönes Wochenende wünscht,
KK
