Gelegentlich komme ich in den Genuss, mich mit einer Premium-Limousine herumkutschieren lassen zu können und die Komfort-Diskrepanz zu meinem eigenen Gefährt ist erheblich. Nun mache ich mir aber nichts aus Automobilen und ich würde nie, weder aus Komfort- noch aus Prestigegründen danach trachten, ein 100000-Euro Mobil erwerben zu wollen.
Nun nütze ich eine Reihe von Füllfederhaltern, ausschließlich zum alltäglichen Gebrauch, als tatsächliche Schreibgeräte, die sich mehr oder weniger allesamt in der 100 und weniger Euro-Klasse ansiedeln: Einer meiner Lieblinge etwa ist ein mir unbekannter Waterman für 25 Euro und für den groben Einsatz hatte ich mir einen tadellosen Parker Frontier zugelegt, weil mir die Pelikane zu schade waren.
Mein Anspruch ist simpel: Ein Füller muß mir gefallen, gut in der Hand liegen, gut schreiben und funktional und ästhetisch den Anforderungen genügen. Füller sammeln tue ich nicht.
Nun weiß ich: Es gibt da auch ganz teure Teile. Nicht nur dieses verschwurbelte, stillose und überladene Sammlerzeug für Tausende von Euros, sondern sozusagen eben auch eine Art Füller-Premium-Klasse und ich sagte mir, der Sprung vom Volumenauto zum Exklusivfahrzeug wird dir nie gelingen, aber ein Füller für, na ja, 500 Euro wäre als einmalige Lebensanschaffung durchaus drin.
Und weil ich naiverweise auch irgendwie dachte, der Unterschied zwischen einem 25 Euro Teil und einem Nobelschreiber für das 20ig-fache müsse einen drastischen Lustgewinn beim Schreiben erzeugen, bin ich also in die Schreibwarenläden rein und habe probegeschrieben.
Man muß da, besonders in den Luxusgeschäften, sein eigenes Papier mitbringen, denn so schlau sind die dort auch, dass sie einem hochmatt satiniertes, platt gebügeltes und dampfgewalztes LuxusSchreibpapier unterlegen, auf dem die größte Gurke noch in der Lage ist, einen sauberen Strich zu ziehen.
Ich habe mich also durch viele große Namen durchgetestet, soweit man von einer fünf bis 10-minütigen Schreibprobe von Test sprechen kann, aber einen Eindruck erhält man allemal.
Und dieser Eindruck ist ernüchternd. Nicht dass ich irgendwelche Mängel festgestellt hätte oder gar Funktionsausfälle, nein, nein, die meisten Füller schrieben sich von 'ganz passabel' bis 'wunderbar', aber eben ‚wunderbar’ schreibt mein 50 Jahre alter Pelikan auch.
Dieses große Plus, das ich insgeheim erwartet hatte, diese exorbitante Steigerung des Schreibgefühls, diese Explosion an Schreiblust und jener erhoffte, beseeligende, den Gedanken bereichernde Füllerrausch, in den man sich hinein hätte kritzeln können: ist nicht eingetreten.
Meine Zusammenfassung daher: Ein 500 Euro Füller schreibt nicht unbedingt besser, schöner, eleganter als ein Massenfüller aus der Blisterverpackung.
Aber auch nicht schlechter. Ich wäre sogar bereit, für gleiche Schreibqualität enorm mehr Geld auszugeben, wenn ich dafür ein klug und zeitlos gestaltetes Designstück erhalten würde.
Aber in dieser Preisklasse scheint sich die gestalterische Kreativität in der hemmungslosen Applikation von Goldauflagen zu erschöpfen und skurrilen Deko-Kringeln, die man einem Füller um den Bauch flicht oder oben und unten draufsetzt.
Und ein schön gestaltetes Designstück habe ich eigentlich schon: Diesen alten Pelikan.
Meine kleine Reise in die Luxusfüllerwelt hat kein Mitbringsel erbracht und keine Leidenschaft entfacht.
Ich bin wieder da, wo ich war und sehe, mir fehlt nichts.
Ich sehe die glitzernden und blinkenden Füller in den Auslagen und bin gänzlich befreit.
Ich bleibe nicht einmal mehr stehen um zu gucken, sondern gehe einfach weiter.
Vom Gebrauchs- zum Luxusfüller und zurück
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Hallo Michi,
wenn ich den letzten Absatz so lese habe ich ganz ambivalente Gefühle:
einerseits: hier ist jemand resistent gegen den Füllhaltervirus, andererseits:
schade, denn die schönen Füllhalter wenigstens anzuschauen macht doch auch Spass, selbst wenn man nicht alles unbedingt haben/kaufen muss.
Aber jeder darf das natürlich für sich selbst entscheiden. Ich bekenne mich zu den Infizierten... und genieße es sowohl mit teuren als auch preiswerten langjährigen "Schreibgefährten" zu schreiben, je nach Stimmung und Anlass.
LG
Ursel
wenn ich den letzten Absatz so lese habe ich ganz ambivalente Gefühle:
einerseits: hier ist jemand resistent gegen den Füllhaltervirus, andererseits:
schade, denn die schönen Füllhalter wenigstens anzuschauen macht doch auch Spass, selbst wenn man nicht alles unbedingt haben/kaufen muss.
Aber jeder darf das natürlich für sich selbst entscheiden. Ich bekenne mich zu den Infizierten... und genieße es sowohl mit teuren als auch preiswerten langjährigen "Schreibgefährten" zu schreiben, je nach Stimmung und Anlass.
LG
Ursel
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Re: Vom Gebrauchs- zum Luxusfüller und zurück
Erwartest Du nun Widerspruch?michi hat geschrieben: Dieses große Plus, das ich insgeheim erwartet hatte, diese exorbitante Steigerung des Schreibgefühls, diese Explosion an Schreiblust und jener erhoffte, beseeligende, den Gedanken bereichernde Füllerrausch, in den man sich hinein hätte kritzeln können: ist nicht eingetreten.
Meine Zusammenfassung daher: Ein 500 Euro Füller schreibt nicht unbedingt besser, schöner, eleganter als ein Massenfüller aus der Blisterverpackung.
Aber auch nicht schlechter. Ich wäre sogar bereit, für gleiche Schreibqualität enorm mehr Geld auszugeben, wenn ich dafür ein klug und zeitlos gestaltetes Designstück erhalten würde.
Den wirst Du wohl nicht bekommen, denn diese Erfahrung haben wohl alle hier gemacht bzw. werden sie noch machen.
Wenn Du die für Dich optimale Feder gefunden hast, wirst Du sie für noch so viel Geld nicht toppen können.
Aber es gibt noch andere Dinge zusätzlich zum Schreibverhalten, die vielen wichtig sind: die Wertigkeit, will sagen die verwendeten Materialien, die Sorgfalt bei der Herstellung, das Design, das "sich-einfach-gut-fühlen" mit einem bestimmten Modell einer bestimmten Marke, bei Sammlern auch die Möglichkeit, je nach Stimmung und Laune einen anderen FH nutzen zu können...
FHs sollten nicht mit PC-Tastaturen verglichen werden. Die hier geposteten Buchstaben sehen bei allen Mitgliedern gleich aus - aber es existieren unzählige unterschiedliche Tastaturen, rein funktional, super ergonomisch, mit oder ohne mehr oder weniger nützlichen Gimmicks - aber beim Lesen kann ich nicht sehen, ob jemand eine Tastatur für 10€ oder 200€ genutzt hat. Dem Poster mit der 200€-Tastatur hat das Draufrum-Gehacke womöglich aber einfach mehr Spass gemacht...
Übrigens: vom Preis-Leistungsverhältnis her gesehen und mit Blick auf das Design finde ich sowohl die Souverän-Serie von Pelikan als auch den Lamy 2000 sehr gelungen. Meinen Beiträgen hier sieht man das nicht an

Alleine die Planung und die Vorfreude, einen Tag oder für eine bestimmte Arbeit den FH X mal wieder zu nutzen, motiviert (mich) und macht (mir) die manchmal ungeliebte Arbeit ein klein wenig leichter - sagt die
Saarländerin
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Hallo Michi,
es ist für die langjährigen Sammler klar, daß in bezug auf das Schreibverhalten alte Füller meist überlegen sind. Das habe ich ja oft genug geschrieben. Die meisten modernen Modelle kommen bei mir über eine "Zwei" nicht hinaus.
Gründe:
1. Da viele Benutzer nicht mehr gewöhnt sind, mit einer Feder zu schreiben, gibt es für die Hersteller mit rigiden Federn weniger Probleme.
2. Die Kompetenz, gute Federn zu schleifen, geht mehr und mehr verloren. Es dominiert das Standardprodukt der Firma Bock. Gute Schrägfedern und feine Federn sind zunehmend ein Problem.
3. Die meisten Hersteller verzichten auf die überlegenen Hartgummi-Tinteleiter.
4. Klassische Materialien wie Celluloid und Hartgummi mit ihrer überragenden Haptik sind sehr sehr teuer geworden und schwer zu fertigen.
5. Früher war ein Füller ein Gebrauchsprodukt, heute im Hochpreisbereich eher Status- oder Geschenkobjekt. Montblanc ist so ein unrühmliches Beispiel.
Aber:
1. Man sollte sich Alternativen zu seinem geliebten alten FH aufbauen, um einen Verlust kompensieren zu können. Ein Celluloid-Halter ist z. B. im Urlaub bei hohen Temperaturen problematisch. Ersatzteile sind bei alten FH immer problematisch, auch bei einem Pelikan. Mit der Zeit steigt auch die Bruchempfindlichkeit. Man denke nur an die Bakelit-Sichtfenster der 100er Pelikane, die irgendwann reißen und sich nicht mehr vom übrigen Corpus lösen lassen.
2. Moderne Füller sind oft robuster.
3. Kompliziertere Füllsysteme (nicht unbedingt die Kolben-, aber die amerikanischen Vakuum-Füller) sind in Europa schwierig zu reparieren.
4. Die Produkte im Fachhandel decken nur einen Teil des Marktes ab. Die Italiener sind meist gar nicht erhältlich. Und: Ein Delta läßt sich in Anmutung und Schreibverhalten (mit Hartgummi-Tintenleiter) allemal mit alten Haltern vergleichen. Vielleicht nicht, was flexible Federn anbelangt, aber ansonsten absolut empfehlenswert.
Viele Grüße
Thomas
es ist für die langjährigen Sammler klar, daß in bezug auf das Schreibverhalten alte Füller meist überlegen sind. Das habe ich ja oft genug geschrieben. Die meisten modernen Modelle kommen bei mir über eine "Zwei" nicht hinaus.
Gründe:
1. Da viele Benutzer nicht mehr gewöhnt sind, mit einer Feder zu schreiben, gibt es für die Hersteller mit rigiden Federn weniger Probleme.
2. Die Kompetenz, gute Federn zu schleifen, geht mehr und mehr verloren. Es dominiert das Standardprodukt der Firma Bock. Gute Schrägfedern und feine Federn sind zunehmend ein Problem.
3. Die meisten Hersteller verzichten auf die überlegenen Hartgummi-Tinteleiter.
4. Klassische Materialien wie Celluloid und Hartgummi mit ihrer überragenden Haptik sind sehr sehr teuer geworden und schwer zu fertigen.
5. Früher war ein Füller ein Gebrauchsprodukt, heute im Hochpreisbereich eher Status- oder Geschenkobjekt. Montblanc ist so ein unrühmliches Beispiel.
Aber:
1. Man sollte sich Alternativen zu seinem geliebten alten FH aufbauen, um einen Verlust kompensieren zu können. Ein Celluloid-Halter ist z. B. im Urlaub bei hohen Temperaturen problematisch. Ersatzteile sind bei alten FH immer problematisch, auch bei einem Pelikan. Mit der Zeit steigt auch die Bruchempfindlichkeit. Man denke nur an die Bakelit-Sichtfenster der 100er Pelikane, die irgendwann reißen und sich nicht mehr vom übrigen Corpus lösen lassen.
2. Moderne Füller sind oft robuster.
3. Kompliziertere Füllsysteme (nicht unbedingt die Kolben-, aber die amerikanischen Vakuum-Füller) sind in Europa schwierig zu reparieren.
4. Die Produkte im Fachhandel decken nur einen Teil des Marktes ab. Die Italiener sind meist gar nicht erhältlich. Und: Ein Delta läßt sich in Anmutung und Schreibverhalten (mit Hartgummi-Tintenleiter) allemal mit alten Haltern vergleichen. Vielleicht nicht, was flexible Federn anbelangt, aber ansonsten absolut empfehlenswert.
Viele Grüße
Thomas