Ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk

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Saarländerin
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Ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk

Beitrag von Saarländerin »

Endlich ist es mir gelungen - kurz vor Weihnachten - einen alten Traum zu verwirklichen, für wenig Geld in der elektronischen Bucht einen Pelikan 140 grüngestreift zu fischen, der mein erster Schulfüller war.
Zu bewundern ist er hier:
http://www.ruettinger-web.de/pelikan-modell-120.html
Vielen Dank an Werner Rüttinger :lol:
Als ich 1956 in die Schule kam, war das Saarland unter französischer Besatzung. Unser Schulgebäude (Konfessionsschule) hatte die beiden Kriege mehr schlecht als recht überstanden. Der Lehrer musste jeden Morgen eigenhändig einen heftig rußenden und stinkenden Kohleofen im Klassenzimmer anheizen (Hausmeister und Heizungen waren noch nicht angesagt). Hatte er es nicht bereits lange vor Unterrichtsbeginn gemacht, froren wir erbärmlich in unseren krummen und schiefen Holzbänken, auf denen bereits unsere Großeltern gesessen hatten, bis es dem Kohleofen gelungen ist, den großen Klassenraum (für drei Klassenstufen) einigermaßen zu erwärmen. In den Pulten der Zweierbänke waren Tintenbehälter mit Schiebedeckel eingelassen. Sie blieben leer, denn der Kolbenfüller war bereits erfunden. Hinter dem Pausenplatz, ziemlich abseits im Freien, befanden sich drei Plumpsklos aus Holz für Schüler und Lehrer. Nachdem während des Krieges die Holztüren gestohlen worden waren, befand es niemand für notwendig, neue Türen zu beschaffen und zu montieren. Kinder und Lehrer waren gut und richtig, aber keineswegs wichtig. Wir lebten nicht schlechter als die Leute "im Reich", aber deutsche Erzeugnisse, wenn man sie denn unbedingt brauchte oder wollte, mussten aus dem "Reich" eingeführt (verzollt) oder geschmuggelt werden. Nach der Phase mit Schiefertafel, Griffel, jeden Morgen vom Lehrer auf ausreichend Feuchtigkeit kontrolliertem Schwämmchen und sauberem Lappen ging es Ende des ersten Schuljahres an das Schreiben mit Füllfederhalter in Hefte mit noch ziemlich üblem Papier. Wer etwas auf sich hielt, hatte statt des französischen (wohl kaum schlechteren) Pendants einen deutschen Pelikan Kolbenfüller aufzuweisen. Ein Onkel von mir konnte es eines Tages nicht mehr ertragen, dass seine Nichte nicht zu den Privilegierten mit Pelikan gehörte, machte sich auf ins "Reich" und kehrte mit dem Pelikan 140 für mich zurück...
Nun habe ich ein wohl mehr oder weniger identisches Exemplar in Händen, sehr gut erhalten, mit Namensgravur einer mir unbekannten Frau – und mit (anders als damals) OM-Feder (!) Wenn ich damit schreibe – er schreibt sehr weich und flott – kehren die Erinnerungen zurück. Erinnerungen an eine Schulzeit, in der wir alle während des ganzen Unterrichts mucksmäuschenstill und steif und mit auf dem Pult gefalteten Händen reglos verharren mussten. Jede unbotmäßige Bewegung oder Äußerung wurde sofort mit Stockhieben, entweder auf die Fingerkuppen (Mädchen) oder den entblößten Hintern (Jungen) schmerzhaft bestraft...ebenso jeder Tintenklecks in Buch oder Heft...
Unser Lehrer war ein begeisterter Vertreter der Kunst des Schönschreibens. Jedes Diktat, jeder Aufsatz musste so lange geschrieben werden, bis ihm die Handschrift des Schülers gefiel - vor allem verlangte er eine für heutige Zeiten extreme Rechtsneigung des Geschriebenen. Uns alle (nun fast 60 Jahre alt) hat er geprägt - wir sind auf den weiterführenden Schulen stets bewundert worden wegen unserer (teilweise recht brutal eingeprügelten) exakten Handschrift. Der Lehrer ist schon lange tot - aber ich halte hier und jetzt den 140er in Händen und schreibe damit fast reflexhaft wie vor mehr als 50 Jahren so sauber, deutlich, leserlich, dass ich sein Lob regelrecht hören kann...
Trotz aller Widrigkeiten: Danke, Herr W. :wink:
Bitte verzeiht mir diese ausführliche, aber keineswegs erschöpfende Schilderung meiner Zeit mit dem ersten richtigen Füller. Die Erinnerungen sind schlichtweg überwältigend, seit ich den "neuen" 140er wieder vor mir liegen habe...
Wenn der Admin oder die Moderatoren diesen Beitrag für allzusehr off-topic halten, nehme ich ihn gerne wieder raus...
Versonnene Grüsse von der Saarländerin
Zuletzt geändert von Saarländerin am 22.12.2008 11:02, insgesamt 1-mal geändert.
ibucgn
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Beitrag von ibucgn »

Hallo Saarländerin!

Ich wüsste nicht, warum die Admins den Beitrag beanstanden sollten. Füller haben doch schließlich auch mit Emotionen zu tun. Und finde Deine Schilderungen sehr schön und wichtig. Wir alle haben doch schließlich irgendwann angefangen mit Füller zu schreiben... Da Du jetzt Deinen "ersten Füller" wieder hast, ist doch vollkommen logisch, dass dort Erinnerungen wieder erwachen.
Mir ist es ähnlich ergangen, als ich im Nachlaß meine Mutter einen alten Montblanc 252 mit Durchschreibefeder gefunden habe, der aber noch aus dem Nachlaß meine Großmutter zu stammen scheint. Ich kannte diesen Füller vorher gar nicht und habe erst bei Recherchen herausgefunden, dass diese Füller nur von meiner Großmutter stammen kann und ich gehe mittlerweile davon aus, dass meine Großmutter sich diesen Füller zum einen in den 50er Jahren vom Mund abgespart hat und zum anderen dass dies ihr Füller wurde, als sie Ihre erste Anstellung beim Rechtsanawlt und Notar angetreten hatte.
Und auch wenn dieser Pelikan 140 von Dir nicht direkt der Füller ist, der Dein erster Füller war, so ist es doch zumindest das gleiche Modell. Es ist doch toll, wenn man nach so vielen Jahren ein Stück seiner Kindheit wieder in den Händen halten kann!

Viele Grüße,

Ingo.
Thomas Baier
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Beitrag von Thomas Baier »

Hallo allerseits,

diese Beiträge sind doch das Salz in der Suppe, Sie freuen mich immer sehr, weil sie die Verbindung herstellen zwischen einem an sich profanen Schreibgerät (und ein Füllhalter ist halt wesentlich mehr) und der eigenen Persönlichkeit mit all ihren Schattierungen und Empfindungen.

Daß ein Pelikan diese Emotion trägt, ist umso erfreulicher. Denn uns allen, die wir uns hier engagieren, ist bewußt, wie sehr Pelikan uns Schreibgerätefreunden hier entgegenkommt, ohne Einfluß zu nehmen.

Viele Grüße
Thomas
werner
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Beitrag von werner »

Liebe versonnene Saarländerin,
Hallo zusammen,

auf keinen Fall darf dieser Beitrag aus dem Forum wieder entfernt werden. Solche Schilderungen sind wirklich die Würze unseres, wie ich meine, doch menschlich und nicht nur sachlich geprägten Forums. Und off-topic ist diese Schilderung überhaupt nicht, geht es doch in erster Linie hier um Füllfederhalter und die Empfindungen die so ein Schreibgerät auslösen kann.

Mein Schulbeginn liegt noch 10 Jahre früher und ich kann viel von den Schilderungen nachfühlen. Bei uns waren die Tintenbehälter noch mit Tinte gefüllt, der Kolbenfüller war sicherlich schon erfunden, aber für mich kam er erst später. Das erste war ein Holzfederhalter mit einer Stahlfeder. Und Heizmaterial für den Kohleofen im Klassenzimmer wurde anfangs noch von den Schülern von zu Hause mitgebracht.

Schöne Feiertage und viele Grüße in das "Saarland"
Werner
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