Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
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- JulieParadise
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Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Auch wenn das off topic abdriftet: Vielleicht sehe ich meine Tagebücher ja tatsächlich als (elaborierte) Notizen. Daher behandle ich sie wohl auch so. Es wird gebraucht (zumeist als temporäre Referenz und innerer Dialog: "Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?"), es wird genutzt, es wird entsorgt.
Die Aufzeichnungen und inneren Diskussionen, Verschlingungen und Abgründe meiner persönlichsten Gedanken und Gefühle aber möchte ich nicht von anderen gelesen wissen.
Solange es um konkrete Erlebnisse und Daten und vielleicht auch um für andere interessante Geschehnisse geht, landen diese in unseren Fotoalben. Da befindet dann auf den Scrapbooking-"Layouts" auch "Journaling", das über das reine "wer - wie - was - wo - wann" hinausgeht, also tatsächlich ausformulierter Text. Das wird dann auch nicht weggeworfen und zeigt über die Jahre schön bebildert Entwicklungen und Ereignisse sowie Hintergründe unserer Leben.
Die Aufzeichnungen und inneren Diskussionen, Verschlingungen und Abgründe meiner persönlichsten Gedanken und Gefühle aber möchte ich nicht von anderen gelesen wissen.
Solange es um konkrete Erlebnisse und Daten und vielleicht auch um für andere interessante Geschehnisse geht, landen diese in unseren Fotoalben. Da befindet dann auf den Scrapbooking-"Layouts" auch "Journaling", das über das reine "wer - wie - was - wo - wann" hinausgeht, also tatsächlich ausformulierter Text. Das wird dann auch nicht weggeworfen und zeigt über die Jahre schön bebildert Entwicklungen und Ereignisse sowie Hintergründe unserer Leben.
Sina / Julie Paradise julieparadise.de | @wwwjulieparadisede | julieparadise.de/berlin-e-ink-meetup
Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Das ist eine schon sehr naive Gegenüberstellung von gutem und bösen Medium. Nicht das Medium entscheidet, ob etwas überliefert wird, sondern ob eine Kultur es als erhaltens- oder sammlungswürdig einstuft oder nicht. Selbst dort, wo glückliche Zufälle die Überlieferung ermöglichten, verdankt sich die Erhaltung nicht dem Medium, sondern dem, was dem Inhalt zugeschrieben wurde (so z. B. die Verbergungsumstände der Qumran-Schriften. Wären diese nicht verborgen worden, wären sie trotz des Mediums wohl unwiederbringlich verloren gewesen, wie die spärliche Überlieferung aus der Zeit beweist).Thom hat geschrieben:Von Mary Shelley sind 5 Tagebücher erhalten, weil sie die auf Papier schrieb, nicht auf USB-Stick.
Mit dem Blick auf Erhaltenes dieses zugleich als Beweis für dessen Dauerhaftigkeit anzuführen, hat notwendigerweise einen gewaltigen blinden Fleck: Wieviele Schriftstücke sind verloren, weil sie passiv zerstört, aktiv vernichtet, weggworfen, recycelt oder anderweitig verwendet wurden?
Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Johnson-Leser, was die Informationen nicht halten kann, kann sie nicht halten, wie 3 meiner USB-Sticks in den vergangenen Jahren. Man müsste's dann ständig umkopieren, wenn man den Wert rechtzeitig erkennt und solange man dazu in der Lage ist.
Bei Papier ist der Schwachpunkt Feuer, da sind die konzentrierten Informationsverluste der Vergangenheit, wie in Alexandria, Byzanz oder Weimar (war 'ne Glanzleistung). Außerdem ist die These, Internetveröffentlichung erhöhe die Haltbarkeit von irgendwelchen Pergamenten, auch Unsinn, weil so oder so nur die gleiche eingeschränkte Gruppe zugang hätte, die Anderen könnten's einfach nur nicht anschauen.
Was mich aber mehr interessiert ist Julies Aussage:
"I have now no friend. For eight years I communicated with unlimited freedom with one whose genius far transcending mine, awakened and guided my thoughts; I conversed with him; rectified my errors of judgement, obtained new lights from him. & my mind was satisfied. Now I am alone! Oh, how alone! The stars may behold my tears and the winds drink my sighs -- but my thoughts are a sealed treasure which I can confide to none. White paper -- wilt thou be my confident?
I will trust thee fully, for none shall see what I write."
V.G.
Thomas
Bei Papier ist der Schwachpunkt Feuer, da sind die konzentrierten Informationsverluste der Vergangenheit, wie in Alexandria, Byzanz oder Weimar (war 'ne Glanzleistung). Außerdem ist die These, Internetveröffentlichung erhöhe die Haltbarkeit von irgendwelchen Pergamenten, auch Unsinn, weil so oder so nur die gleiche eingeschränkte Gruppe zugang hätte, die Anderen könnten's einfach nur nicht anschauen.
Was mich aber mehr interessiert ist Julies Aussage:
Mary schrieb nach dem Tode Shelleys das hier in ihr Tagebuch:JulieParadise hat geschrieben:Die Aufzeichnungen und inneren Diskussionen, Verschlingungen und Abgründe meiner persönlichsten Gedanken und Gefühle aber möchte ich nicht von anderen gelesen wissen.
"I have now no friend. For eight years I communicated with unlimited freedom with one whose genius far transcending mine, awakened and guided my thoughts; I conversed with him; rectified my errors of judgement, obtained new lights from him. & my mind was satisfied. Now I am alone! Oh, how alone! The stars may behold my tears and the winds drink my sighs -- but my thoughts are a sealed treasure which I can confide to none. White paper -- wilt thou be my confident?
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V.G.
Thomas
Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Ich kann aber aus eigener beruflicher Erfahrung sagen, dass das Medium schon sehr relevant ist. Denn genügend Entscheidungen zur Archivierung, wegen entscheidender Relevanz, sind mit dem falschen Medium getroffen worden. Nicht umsonst wird wertvolles Schriftgut immer noch weit überwiegend analog archiviert. Nicht unbedingt auf Papier, aber sehr wohl auf einem analogen Träger.Johnson-Leser hat geschrieben:Das ist eine schon sehr naive Gegenüberstellung von gutem und bösen Medium. Nicht das Medium entscheidet, ob etwas überliefert wird, sondern ob eine Kultur es als erhaltens- oder sammlungswürdig einstuft oder nicht. Selbst dort, wo glückliche Zufälle die Überlieferung ermöglichten, verdankt sich die Erhaltung nicht dem Medium, sondern dem, was dem Inhalt zugeschrieben wurde (so z. B. die Verbergungsumstände der Qumran-Schriften. Wären diese nicht verborgen worden, wären sie trotz des Mediums wohl unwiederbringlich verloren gewesen, wie die spärliche Überlieferung aus der Zeit beweist).
Mit dem Blick auf Erhaltenes dieses zugleich als Beweis für dessen Dauerhaftigkeit anzuführen, hat notwendigerweise einen gewaltigen blinden Fleck: Wieviele Schriftstücke sind verloren, weil sie passiv zerstört, aktiv vernichtet, weggworfen, recycelt oder anderweitig verwendet wurden?
So naiv ist die Gegenüberstellung daher nicht. Die Halbwertszeit aktueller digitaler Medien ist praktisch so kurz, dass die Entscheidung ob etwas relevant ist oder nicht, gar nicht mehr getroffen werden kann. Denn Mary Shelly hat zu ihren Lebzeiten sicher nicht erkannt, wie relevant ihre Tagebücher werden könnten. Aktuelle digitale Medien haben keine Halbwertszeit eines Lebensalters.
Also, das Medium entscheidet nicht ob überliefert wird, aber ganz sicher darüber ob überliefert werden kann.
Aus meiner Sicht zum Thema, meine privaten Notizen sind ausschließlich analog in Notizbüchern, die ich je nach Relevanz

Mark
Man muss die Steine, über die man schreibt, angefasst haben!
Hildegard Maria Rauchfuß
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Wenn ich offiziell schreibe, dann in Grün
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Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Ja, z.B. die Bach-Renaissance begann ja erst 80 Jahre nach Bachs Tod. Mit meinen USB-Sticks wäre da nix mehr zu machen gewesen.MarkIV hat geschrieben:Also, das Medium entscheidet nicht ob überliefert wird, aber ganz sicher darüber ob überliefert werden kann.
Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Jede Kultur hat nur eine begrenzte Lebensspanne. Nach ihrem Niedergang wird sie oft von Barbarenvölkern endgültig vernichtet.
Die beste Chance auf eine dauerhafte Überlieferung besteht, wenn die Informationen auf zahlreichen, wartungsfreien und langlebigen Trägern gesichert werden. Digitale Daten lassen sich leicht vervielfältigen, aber nicht lange lagern. Die politischen und Herrschaftsverhältnisse können sich rasch ändern. Man bedenke nur, wie viele unterschiedliche Regimes in Deutschland innerhalb des 20. Jahrhunderts an der Macht waren, die alle ihre Vorlieben hatten und feindliches Schrifttum vernichteten und verbannten. Man denke an religiöse Fanatiker wie die Protestanten oder die Taliban, die rücksichtslos alles, was nicht in ihr Weltbild paßte, zerschlugen und verbrannten.
Ein Buch kann man, luft- und wasserdicht verpackt, nach tausend Jahren wieder ausgraben, wenn die Barbaren verschwunden sind. Eine Festplatte wäre dann nur noch nutzloses Altmetall.
Vieles, was wir heute als wertvolle Informationen über vergangene Zeiten betrachten, waren damals nur kurzlebige Notizen. Papyri aus Ägypten etwa mit Steuerlisten und Warenverzeichnissen.
Das mit dem Tagebucharchiv finde ich eine gute Idee. Aber man sollte es eigentlich erweitern zu einem Allgemeinen Volksarchiv, das auch Bilder und andere Dokumente wie Briefe, Filme oder Manuskripte, Memoiren u.ä. speichert.
Die beste Chance auf eine dauerhafte Überlieferung besteht, wenn die Informationen auf zahlreichen, wartungsfreien und langlebigen Trägern gesichert werden. Digitale Daten lassen sich leicht vervielfältigen, aber nicht lange lagern. Die politischen und Herrschaftsverhältnisse können sich rasch ändern. Man bedenke nur, wie viele unterschiedliche Regimes in Deutschland innerhalb des 20. Jahrhunderts an der Macht waren, die alle ihre Vorlieben hatten und feindliches Schrifttum vernichteten und verbannten. Man denke an religiöse Fanatiker wie die Protestanten oder die Taliban, die rücksichtslos alles, was nicht in ihr Weltbild paßte, zerschlugen und verbrannten.
Ein Buch kann man, luft- und wasserdicht verpackt, nach tausend Jahren wieder ausgraben, wenn die Barbaren verschwunden sind. Eine Festplatte wäre dann nur noch nutzloses Altmetall.
Vieles, was wir heute als wertvolle Informationen über vergangene Zeiten betrachten, waren damals nur kurzlebige Notizen. Papyri aus Ägypten etwa mit Steuerlisten und Warenverzeichnissen.
Das mit dem Tagebucharchiv finde ich eine gute Idee. Aber man sollte es eigentlich erweitern zu einem Allgemeinen Volksarchiv, das auch Bilder und andere Dokumente wie Briefe, Filme oder Manuskripte, Memoiren u.ä. speichert.
Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Das mit den Barbaren ist so eine Sache, wer weiß wie der Spiegel, den unsere Nachfolger uns ins Gesicht halten, aussehen wird. Möglicherweise sind wir dann die Barbaren. Aber auch das ist ein Punkt der es wert ist überliefert zu werden. Die Bandbreite ist es doch, die die Meinungsbildung fördert. War doch das Interesse der Barbaren unserer Zeit eher darauf gerichtet anders denkendes Wissen zu vernichten.Tenryu hat geschrieben:Das mit dem Tagebucharchiv finde ich eine gute Idee. Aber man sollte es eigentlich erweitern zu einem Allgemeinen Volksarchiv, das auch Bilder und andere Dokumente wie Briefe, Filme oder Manuskripte, Memoiren u.ä. speichert.
Aber, so ein "Volksarchiv" gibt es meines Wissens sowohl in Deutschland, als auch in der Schweiz. In Deutschland wir als historisch wertvolles Wissen, wie auch Trivialwissen archiviert und das schon seit geraumer Zeit. Dafür werden die Dokumente auf 35 und 70mm Film abgelichtet, feuerfest in Fässern verpackt und an verschiedenen Stellen in Stollen eingelagert. Idee dazu war ein möglichst breites Bild der Gesellschaft zu erhalten und späteren Generationen zugänglich zu machen. Der Großteil dieses Archives ist über Universitäten und insbesondere die Momumenta Germaniae auch digital verfügbar, also erst analog auf Film archiviert und danach der Film wieder digitalisiert.
Verschiedene Publizisten und Printmedien haben versucht, komplett auf analoge Archive zu verzichten, haben das aber wieder revidiert, da digitale Speicher nicht dieselbe Sicherheit bieten wie analoge. Es sind immer Hilfsmittel notwendig um die Archive auszuwerten, die auch erhalten werden müssen. Wer kann heute schon noch Magnetbänder, Lochkarten oder trivialer, Disketten auswerten und ich meine die 10", nicht die 5 1/4" oder 3 1/2".
Perspektivisch halte ich es bei vielen Dingen für absolut sinnvoll über einen zeitlich weiten Blickwinkel nachzudenken. Kann man doch bei sehr vielen Dingen gar nicht absehen, ob es sich lohnt sie zu erhalten. Wie ich meine Tagebuchschreiberei angefangen habe, habe ich mit Sicherheit keine Sekunde daran verschwendet sie für lange zeit aufzuheben, heute bin ich dankbar dass es zu der Zeit nur die Papieroption gab. Auch in Perspektive meines Großvaters, denn der hat vor dem Krieg angefangen zu schreiben und mir seine Tagebücher vererbt. So entstehen Zeitdokumente, die es erlauben einen Blick zurück zu werfen, keinen spezifischen, sondern einfach nur einen Blick zurück, in dem Fall sogar einen in die eigene Geschichte.
Mark
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Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Zäumen wir das Pferd mal von vorne auf: Die Kultur hat den Wert Deiner USB-Sticks längst erkannt und deswegen gar kein Problem mit ihnen.Thom hat geschrieben:Johnson-Leser, was die Informationen nicht halten kann, kann sie nicht halten, wie 3 meiner USB-Sticks in den vergangenen Jahren. Man müsste's dann ständig umkopieren, wenn man den Wert rechtzeitig erkennt und solange man dazu in der Lage ist.

Aber rate mal, was man beispielsweise im Mittelalter gemacht hat. Von den großen deutschsprachigen Werken ist kein einziges Autorenoriginal erhalten. Wir verdanken deren Erhaltung dem Kopisten. Man hats ständig umkopiert und ein paar Kopien haben überlebt. Da hats halt ein Mönch durch Zufall in die Finger gekriegt und kopiert.
Jede Kultur hat ihre Techniken entwickelt. Das Altertum hat das Archiv erfunden, das Abschreiben, das Buchregal, den Rotulus, den Kodex, den Sammler, den Druck, die Nationalbibliotheken. Genauso entwickelt unsere Zeit ihre Kulturtechniken zur Verwaltung ihres jungen digitalen Erbes. Sammlungen beschäftigen heute Digitalisierungsspezialisten, Archive wie Marbach kaufen heute nicht nur Papier, sondern digitale Nachlässe auf (der von Kittler ist übrigens spektakulär!), verstetigen diese und machen sie der Allgemeinheit zugänglich. Daten werden heute nicht nur an einem Ort, sondern verteilt und mehrfach vorgehalten um Verlusten vorzubeugen (für Baden-Württemberg sind das Freiburg und Karlsruhe). Die DNB archiviert ihre Publikationen heute nicht mehr nur als gedrucktes Buch, sondern als PDF/A-Dateien. Klar, man braucht Hilfsmittel für die Rezeption, aber auch für dieses Problem wird unsere Kultur eine Antwort finden, wie sie es für viele andere Probleme auch getan hat. Und klar, eine der vielen Antworten auf derartige Probleme werden in Zukunft Digitalarchäologen sein, die sich mit unseren Dateien so beschäftigen wie heute Wissenschaftler mit der "analogen" Linearschrift A. Kryptographieexperten der Zukunft werden unsere verschlüsselten Dateien so anziehend finden wie heutige Wissenschaftler das Voynich-Manuskript. Und wer weiß, welche Hilfsmittel in mehreren 1000 Jahren zur Rekonstruktion zur Verfügung stehen. Ötzi konnte sich sicher auch nicht vorstellen, dass man über 5000 Jahre später seine verlorene Augenfarbe aus seiner DNA rekonstruieren kann.
Ich gucke da äußerst optimistisch und mit Faszination in die Zukunft, zum Schwarzmalen sehe ich keinerlei Grund.
Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Na ja, nur ist vorne nicht automatisch da, wo Du's gerne hättest.
Zunächst mal hat niemand im Mittelalter irgendwas zufällig kopiert, das war eine jahrelange Arbeit, die statistisch keiner bezahlen konnte (alleine ein Buch aus Pergament war ja kaum bezahlbar). Ich male auch nicht schwarz, sondern weise auf die unterschiedliche Datensicherheit verschiedener Datenträger hin. Und das im Kontext mit privaten Notizen, was ein zugegebenermaßen weites Feld ist, die aber nicht automatisch von Baden-Württemberg eingetütet werden. Es ist auch nicht unbedingt erforderlich, mich auf die Kompetenzen einer Gesellschaft bei der Informationsauswahl hinzuweisen, ich stamme nämlich aus einem Staat mit Informationszensur zur Gedankenkontrolle.
V.G.
Thomas
Zunächst mal hat niemand im Mittelalter irgendwas zufällig kopiert, das war eine jahrelange Arbeit, die statistisch keiner bezahlen konnte (alleine ein Buch aus Pergament war ja kaum bezahlbar). Ich male auch nicht schwarz, sondern weise auf die unterschiedliche Datensicherheit verschiedener Datenträger hin. Und das im Kontext mit privaten Notizen, was ein zugegebenermaßen weites Feld ist, die aber nicht automatisch von Baden-Württemberg eingetütet werden. Es ist auch nicht unbedingt erforderlich, mich auf die Kompetenzen einer Gesellschaft bei der Informationsauswahl hinzuweisen, ich stamme nämlich aus einem Staat mit Informationszensur zur Gedankenkontrolle.

V.G.
Thomas
Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Und damit Johnson-Leser nicht schon wieder denkt, ich wolle seine schöne digitale Welt verunglimpfen:
Ich habe nicht aus Quatsch geschrieben, ich verwende Millenniata Disc (und 'ne Schreibtischlampe hab ich auch).
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Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Darum beneide ich dich, von meinen Eltern und Großeltern gibt's nicht einmal alte Fotos, die wenigen, die sie hatten sind während des Krieges verloren gegangen.MarkIV hat geschrieben: Auch in Perspektive meines Großvaters, denn der hat vor dem Krieg angefangen zu schreiben und mir seine Tagebücher vererbt. So entstehen Zeitdokumente, die es erlauben einen Blick zurück zu werfen, keinen spezifischen, sondern einfach nur einen Blick zurück, in dem Fall sogar einen in die eigene Geschichte.
Mark

Und um beim Thema zu bleiben: ich mache meine Notizen mit Zettel und Stift, Termine landen auch im elektronischen Kalender, der auch rechtzeitig piepst um mich daran zu erinnern.
LG
Frischling
Es gibt kein Fundbüro für verpasste Gelegenheiten
Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Damit eure Scrhiften erhalten bleiben, müßt ihr auch jemand sein. Den sonst kommen eines Tages eure Erben, bestellen den großen Abfallcontainer und den Entrümpelungstrupp, und alles, was nicht Gold und Kunst und Antiquität ist, wandert auf die Müllhalde.
Daß es keine Autorenoriginale aus dem Mittelalter gibt, liegt u.a. auch daran, daß die Bücher selbst von Kalligraphen und professionellen Schreibern hergestellt wurden. Das Originalmanuskript hingegen war nur die Vorlage zum Abschreiben, die auf irgendwelche Schmierzettel oder Wachstäfelchen geschrieben wurde, denn Pergament wäre dafür viel zu teuer, und Papier gab es noch keines bzw. höchstens als Importware aus dem Orient.

Daß es keine Autorenoriginale aus dem Mittelalter gibt, liegt u.a. auch daran, daß die Bücher selbst von Kalligraphen und professionellen Schreibern hergestellt wurden. Das Originalmanuskript hingegen war nur die Vorlage zum Abschreiben, die auf irgendwelche Schmierzettel oder Wachstäfelchen geschrieben wurde, denn Pergament wäre dafür viel zu teuer, und Papier gab es noch keines bzw. höchstens als Importware aus dem Orient.
- NicolausPiscator
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Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Deshalb ist die Frage von zentraler Bedeutung: Welches Ziel verfolge ich mit meinen Notizen? Dem Ziel folgt die Wahl der Mittel.
Ich schreibe meine Notizen grundsätzlich für mich, die muss auch niemand anders als ich selbst lesen können, geschweige denn mit ihnen etwas anfangen. Kontingenz ertrage ich ganz gut. Wenn ich allerdings auf dem Flohmarkt oder sonstwo die alten Tagebücher, Briefe und andere persönliche Schriftstücke sehe, mit denen ich gar nichts zu tun habe, dann stimmt mich das melancholisch.
Ich schreibe meine Notizen grundsätzlich für mich, die muss auch niemand anders als ich selbst lesen können, geschweige denn mit ihnen etwas anfangen. Kontingenz ertrage ich ganz gut. Wenn ich allerdings auf dem Flohmarkt oder sonstwo die alten Tagebücher, Briefe und andere persönliche Schriftstücke sehe, mit denen ich gar nichts zu tun habe, dann stimmt mich das melancholisch.
Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Also, da das alles weit weg ist, markiere ich das mal farbig als Off-Topic, sodass jeder gleich sehen kann, ob das ins Thema abzielt oder nicht. (Könnte man vielleicht als generelle Markierregel einführen.)
Sage ich ja die ganze Zeit. Nicht das Medium entscheidet, ob überliefert wird, sondern das, was dem Manuskript von außen zugeschrieben wird. Das Tagebuch von Mary Shelley hat deswegen überlebt, weil dessen Autorin bei ihrem Tod eine bekannte Autorin war und ihr Nachlass dementsprechend behandelt wurde. Sie war halt schon berühmt. Würde jemand die USB-Sticks von Daniel Kehlmann in die Hände kriegen, wären die Inhalte in nullkommanix kopiert. Meine papiernen Notizbücher interessieren hingegen zurecht niemanden. Das vermeintlich dauerhafte Ausgangsmedium hat die schlechteren Erhaltungswahrscheinlichkeiten. Außerdem gibts technischen Fortschritt. Übermalte Gemäldepartien oder unleserliche Texte können wir durch Bestrahlung sichtbar machen. Wer will ausschließen, dass Datenträger, die heute im PC ihren Dienst versagen, nicht in 100 Jahren mit Technik für ein paar Euro ausgelesen werden können? Man könnte ja auch mal was ganz verrücktes machen und in der Zukunft etwas positiveres als nur Bedrohung sehen.
Das mag für einen Teil der Texte stimmen - z. B. für Kurzpoesie. Langtexte wurden aber, dafür gibt es genügend Hinweise, gleich in entsprechend angefertigte Pergamentbücher geschrieben und das nicht selten von den Verfassern. Dafür gibt es Belege auf mehreren Ebenen:
1. Autographen: Otfrids lateinische Evangelienharmonie. Hier hat man ausnahmsweise ein Autograph aus dem 9. Jahrhundert, das deswegen besonders spannend ist, weil Otfrid den Endreim erfunden hat. Das ist ein Kodex und kein Faszikel. Steht übrigens als Digitalisat im Netz.
2. Textinterne Äußerungen von Autoren: Heinrich von Veldeke schreibt in seinem Eneasroman (12. Jhd.), dass ihm noch während des Schreibens das unvollendete Buch geklaut wurde. Das habe er erst mehr als 10 Jahre später durch eine glückliche Fügung aus Thüringen (er selbst war im Niederländischen ansässig) zurückerhalten und konnte es so fertigstellen. Sehr hübsche Anekdote, interessant aber deshalb, weil es ein weltlicher Autor ist.
3. Sinneinheiten und Zäsuren in Texten: Viele mittelalterliche Texte weisen auffällige Regelmäßigkeiten auf. Wolframs Parzival beispielsweise schließt auffallend häufig nach exakt 30 Versen mit Sinneinheiten ab. Bei Hartmann von Aue lässt sich sowas auch identifizieren. Es ist anzunehmen, dass die Autoren, die ja neben ihrer Dichtung häufig in Diensten standen, pro Tag ein bestimmtes Pensum dichteten. Umfang, Regelmäßigkeit und Zusammenfall mit den Sinneinheiten sprechen aber eher für einen vorgefertigten Kodex mittleren Formats und regelmäßiger 30-Zeilen-Vorlinierung schon beim Verfassen des Textes. Das ist ein typisches und verbreitetes Seitenformat.
Pergament war zwar teuer, aber "Arbeitsbücher" gab es natürlich, vor allem dann, wenn die Dichter im Dienst eines Mäzens standen, der das zur Verfügung stellte. Zumindest bei den kanonischen Dichtern des 12. und 13. Jahrhunderts ist auch anzunehmen, dass sie selbst lesen und schreiben konnten. Hartmann hebt das wie ein Mantra immer wieder besonders hevor. Wolfram kokettiert damit, nicht lesen zu können, was aber überhaupt nicht zu seinen umfangreichen Literatur- und Sprachkenntnissen passt. Das ist bei ihm Teil seiner Inszenierung als gottbegnadeter Autor. Veldeke mag vll. diktiert haben, aber ins "anwesende" Buch. Da der die lateinische und französische Eneas-Tradition versgenau kannte, ist aber eher davon auszugehen, dass er lesen und schreiben konnte und Zugang zu den Quellen hatte.
Bei Kurzdichtung stimme ich Dir aber zu. Da gibts in Deutschland nur die Sammelhandschriften, nicht aber deren Vorlagen, was darauf hindeutet, dass man die Texte zwar auf Zetteln, Palimpsesten oder sonstwas den Sammlern zugetragen hat, diese dann aber zerstört wurden, weil man sie als nicht aufhebenswürdig erachtete. Faszikel gibts dann ers im 14. und 15. Jahrhundert, soweit ich weiß. Mittelalter ist nicht meine Domäne und meine Original- und Brunner-Lektüre liegt lange zurück.
War jetzt mein letztes Wort zum Thema - versprochen!
Tenryu hat geschrieben:Damit eure Scrhiften erhalten bleiben, müßt ihr auch jemand sein. Den sonst kommen eines Tages eure Erben, bestellen den großen Abfallcontainer und den Entrümpelungstrupp, und alles, was nicht Gold und Kunst und Antiquität ist, wandert auf die Müllhalde.![]()
Sage ich ja die ganze Zeit. Nicht das Medium entscheidet, ob überliefert wird, sondern das, was dem Manuskript von außen zugeschrieben wird. Das Tagebuch von Mary Shelley hat deswegen überlebt, weil dessen Autorin bei ihrem Tod eine bekannte Autorin war und ihr Nachlass dementsprechend behandelt wurde. Sie war halt schon berühmt. Würde jemand die USB-Sticks von Daniel Kehlmann in die Hände kriegen, wären die Inhalte in nullkommanix kopiert. Meine papiernen Notizbücher interessieren hingegen zurecht niemanden. Das vermeintlich dauerhafte Ausgangsmedium hat die schlechteren Erhaltungswahrscheinlichkeiten. Außerdem gibts technischen Fortschritt. Übermalte Gemäldepartien oder unleserliche Texte können wir durch Bestrahlung sichtbar machen. Wer will ausschließen, dass Datenträger, die heute im PC ihren Dienst versagen, nicht in 100 Jahren mit Technik für ein paar Euro ausgelesen werden können? Man könnte ja auch mal was ganz verrücktes machen und in der Zukunft etwas positiveres als nur Bedrohung sehen.
Tenryu hat geschrieben:Daß es keine Autorenoriginale aus dem Mittelalter gibt, liegt u.a. auch daran, daß die Bücher selbst von Kalligraphen und professionellen Schreibern hergestellt wurden. Das Originalmanuskript hingegen war nur die Vorlage zum Abschreiben, die auf irgendwelche Schmierzettel oder Wachstäfelchen geschrieben wurde, denn Pergament wäre dafür viel zu teuer, und Papier gab es noch keines bzw. höchstens als Importware aus dem Orient.
Das mag für einen Teil der Texte stimmen - z. B. für Kurzpoesie. Langtexte wurden aber, dafür gibt es genügend Hinweise, gleich in entsprechend angefertigte Pergamentbücher geschrieben und das nicht selten von den Verfassern. Dafür gibt es Belege auf mehreren Ebenen:
1. Autographen: Otfrids lateinische Evangelienharmonie. Hier hat man ausnahmsweise ein Autograph aus dem 9. Jahrhundert, das deswegen besonders spannend ist, weil Otfrid den Endreim erfunden hat. Das ist ein Kodex und kein Faszikel. Steht übrigens als Digitalisat im Netz.
2. Textinterne Äußerungen von Autoren: Heinrich von Veldeke schreibt in seinem Eneasroman (12. Jhd.), dass ihm noch während des Schreibens das unvollendete Buch geklaut wurde. Das habe er erst mehr als 10 Jahre später durch eine glückliche Fügung aus Thüringen (er selbst war im Niederländischen ansässig) zurückerhalten und konnte es so fertigstellen. Sehr hübsche Anekdote, interessant aber deshalb, weil es ein weltlicher Autor ist.
3. Sinneinheiten und Zäsuren in Texten: Viele mittelalterliche Texte weisen auffällige Regelmäßigkeiten auf. Wolframs Parzival beispielsweise schließt auffallend häufig nach exakt 30 Versen mit Sinneinheiten ab. Bei Hartmann von Aue lässt sich sowas auch identifizieren. Es ist anzunehmen, dass die Autoren, die ja neben ihrer Dichtung häufig in Diensten standen, pro Tag ein bestimmtes Pensum dichteten. Umfang, Regelmäßigkeit und Zusammenfall mit den Sinneinheiten sprechen aber eher für einen vorgefertigten Kodex mittleren Formats und regelmäßiger 30-Zeilen-Vorlinierung schon beim Verfassen des Textes. Das ist ein typisches und verbreitetes Seitenformat.
Pergament war zwar teuer, aber "Arbeitsbücher" gab es natürlich, vor allem dann, wenn die Dichter im Dienst eines Mäzens standen, der das zur Verfügung stellte. Zumindest bei den kanonischen Dichtern des 12. und 13. Jahrhunderts ist auch anzunehmen, dass sie selbst lesen und schreiben konnten. Hartmann hebt das wie ein Mantra immer wieder besonders hevor. Wolfram kokettiert damit, nicht lesen zu können, was aber überhaupt nicht zu seinen umfangreichen Literatur- und Sprachkenntnissen passt. Das ist bei ihm Teil seiner Inszenierung als gottbegnadeter Autor. Veldeke mag vll. diktiert haben, aber ins "anwesende" Buch. Da der die lateinische und französische Eneas-Tradition versgenau kannte, ist aber eher davon auszugehen, dass er lesen und schreiben konnte und Zugang zu den Quellen hatte.
Bei Kurzdichtung stimme ich Dir aber zu. Da gibts in Deutschland nur die Sammelhandschriften, nicht aber deren Vorlagen, was darauf hindeutet, dass man die Texte zwar auf Zetteln, Palimpsesten oder sonstwas den Sammlern zugetragen hat, diese dann aber zerstört wurden, weil man sie als nicht aufhebenswürdig erachtete. Faszikel gibts dann ers im 14. und 15. Jahrhundert, soweit ich weiß. Mittelalter ist nicht meine Domäne und meine Original- und Brunner-Lektüre liegt lange zurück.
War jetzt mein letztes Wort zum Thema - versprochen!
Re: Notizen (Privat) - Handschriftlich oder Digital
Die Buchproduktion im Spätmittelalter unterschied sich schon deutlich von der im Früh- und Hochmittelalter. Das lag zum einen an der verstärkten "weltlichen" Schreiberei. Die Universitäten schossen wie Pilze aus dem Boden und brauchten Bücher für die Studenten. Kanzleien, Verwaltungen etc.. In dieser Zeit entstanden auch die Bastarda-Schriftarten, weil man ansehnlich aber schnell schreiben wollte, anders als die Textura-"Malerei" der klassischen Buchschreiberei. Nicht unwesentlich kam dazu, dass Papier, das im Hochmittelalter nach Europa kam, auch durch Verbesserungen in der Fertigung, im Spätmittelalter langsam begann, das Pergament zu verdrängen, was die Bücher etwas günstiger machte. Unter'm Strich, eine größere Zielgruppe. Die Buchschreiberei kam aus den Klöstern und nahm immer mehr einen gewerblichen Charakter an.