Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

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ddss
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Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von ddss »

... oder - anders gefragt: Muss das so sein?

Mauricio Aguilar schreibt (http://www.vintagepen.net/grading-flex-nibs.html - unter "Additional Nib Grading Criteria"), es gäbe einige Flex-Federn, mit denen man auch sehr gut "normal" und schnell schreiben kann. Mir scheinen das die Ausnahmen zu sein.

Auch auf diesem Video zum Aurora 88 Anniversario von Gourmet Pens hört man, wie "kratzig" die Feder bei schnellem Schreiben wird: https://www.youtube.com/watch?v=Ojjd0kHOyJQ

Auf der letzten Füller-Börse in Köln musste ich als Nicht-Flexer das Probeschreiben mit den Mabie Todds nach kurzer Zeit beenden: Ich kam mit dem "Kratzen" überhaupt nicht klar.

Ist meine Annahme richtig, dass das "Kratzen" bei den Flexern geradezu erwünscht ist, weil es bedeutet, dass sich die Feder regelrecht im Papier "verhakt" und dadurch einen Widerstand bildet, der das Spreizen des Federschenkel beim Herunterziehen erleichtert?

Ich bin leider kein "Flexer" und freue mich daher über eine Antwort von den Spezialisten hier im Forum.

Außerdem wünsche ich natürlich Euch allen:

Fröhliche Weihnachten!

Michael
agathon
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Re: Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von agathon »

Meine flexiblen Federn kratzen nicht mehr und nicht weniger als meine nichtflexiblen. Ich wüßte auch nicht, warum dem so sein sollte.

Grüße

Agathon
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ddss
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Re: Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von ddss »

Hallo Agathon,

dann würde mich natürlich interessieren, welche Flex-Federn Du hast (weil ich solche eben auch suche). Matt Armstrong (penhabit) bezeichnet die bereits erwähnte Aurora-Feder als "toothy" und "...on the edge of unpleasant..." (https://www.youtube.com/watch?v=VJBcrGLmciY - ca. 15:50). Er würde sie glätten, wenn es sein Füller wäre. So weit würde ich nicht gehen; ich habe mit den Mabie Todds deutlich unangenehmere Flex-Federn in Händen gehalten.

Ich selbst habe nur einen wirklich zufriedenstellenden Füller mit Flex-Feder (FC Osmia 663-F). Diese Feder kann nicht nur flexen; sie ist auch meine beste F-Feder. Leider ist mir der Füller als solcher zu klein und alle übers Netz nachgekauften Osmias waren in der Feder nicht vergleichbar (das macht so keinen Sinn; muss ich über den Flohmarkt und/oder Füllerbörse versuchen).

Viele Grüße

Michael
agathon
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Re: Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von agathon »

Hallo Michael,
Ich habe ein paar Pelikanfedern aus den 30igern bis 50ziger Jahren und eine alte Columbus (Fürth), die dürfte schätzungsweise aus den 20zigern sein. Das sind alles vollflexible bis semiflexible Feder von ef und f bis b, bb mitunter bbb. Und dann noch eine von MB aus den 50zigern. Und da kratzt wirklich nichts.



Grüße

Agathon
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blackboro
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Re: Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von blackboro »

Meine alten flexiblen Federn kratzen auch nicht.
Ich hatte aber von einem Kollegen eine kratzige Feder, welcher ich die Federschenkel gerichtet und dann wunderbar mit Micro Mesh Pads eingeschliffen hatte. Naja, zumindest bei mir hat die nicht mehr gekratzt, bei ihm schon. Schuld war offensichtlich die unterschiedliche Handhaltung. Vielleicht liegt es ja daran? Dass sie alten Federn sich auf die Handhaltung des Vorbesitzers angepasst haben?
~Stefan
agathon
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Re: Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von agathon »

Die einzige negative Beobachtung, die ich bei einer meiner flexiblen Federn habe machen können, ist, dass eine beim ersten Aufstrich notorische Aussetzer hat. Danach schreibt sie dann immer zuverlässig. Vielleicht verkante ich die zuerst und korrigiere dann unbewusst nach.

Grüße

Agathon
Zuletzt geändert von agathon am 23.12.2017 20:11, insgesamt 1-mal geändert.
mirosc
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Re: Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von mirosc »

Wenn sie kratzt, ist sie nicht richtig montiert oder hat sonst einen Fehler.
Es gibt keinen Grund, warum eine flexible Feder anders schreiben sollte als eine nicht flexible, wenn man in der Lage ist, den Anpressdruck anzupassen.
Gruß, Michael
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NicolausPiscator
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Re: Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von NicolausPiscator »

Meine flexiblen Füllerfedern kratzen auch nicht. Schnelles Schreiben bekomme ich mit ihnen auch nicht hin. Die Tauchfedern sind hingegen sehr spitz und verhaken sich bei nachlässiger Haltung durchaus im Papier, was ich aber nicht kratzen nennen würde.
agathon
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Re: Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von agathon »

NicolausPiscator hat geschrieben:Meine flexiblen Füllerfedern kratzen auch nicht. Schnelles Schreiben bekomme ich mit ihnen auch nicht hin. Die Tauchfedern sind hingegen sehr spitz und verhaken sich bei nachlässiger Haltung durchaus im Papier, was ich aber nicht kratzen nennen würde.
Schnelles Schreiben ist kein Problem, wenn man das Schreiben mit einer Flexfeder gewohnt ist. Es sieht nur dann aber nicht immer gut aus.

Grüße

Agathon
Thom

Re: Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von Thom »

blackboro hat geschrieben:Dass die alten Federn sich auf die Handhaltung des Vorbesitzers angepasst haben?
Das liegt in diesem Fall im Bereich des Möglichen, diese Federn waren ggf. Jahrzehnte im Einsatz.

V.G.
Thomas
agathon
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Re: Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von agathon »

Und die ganz alten Federn wurden sicherlich auch ganz anders gefertigt als die heutigen. Daher vermutlich auch die „Individualität“ und der „Charakter“. Hyperpräzise Fertigungsmaschinen wird‘s vor 100 Jahren in den Fertigungsbuden nicht gegeben haben. Da muss sich halt dann die Hand anpassen.

Grüße

agathon
Frodo
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Re: Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von Frodo »

Hi Michael
Nein, das kratzen ist prinzipiell nicht erwünscht und in einem neuen modernen Qualitätsfüller ein nicht zu tolerierender Makel.
Bei den historischen Federn, sagen wir mal, an die 100 Jahre alt, wurde als Schreibkorn noch ein natürlich vorkommendes Mischmetall verwendet, was damals als Osmiridium bezeichnet wurde. Neben den beiden im Wort genannten Metallen waren auch noch Platin, Ruthenium und weitere Platinmetalle in wechselnden Mischungsgraden vorhanden aber auch unedlere Metalle wie Eisen und Nickel, die aus der Schmelze im Status des Entstehens entmischt und nicht als "einheitliche" Legierung auskristallisierten. Geringfügig höhere Anreicherungen des selten Mischmetalls im Grundgestein aus der Kreidezeit findet man in einer durchschnittlichen Schichtdicke von nur 2 cm zB. in Tasmanien.
Die unedleren Bestandteile korrodieren durch die enorm agressiven Tintenbestandteile heraus und es ergeben sich zahlreiche winzige Löcher im Metallverband, der das Schreibkorn in einer elektronenmikroskopischen Aufnahme als kratzigen trockenen Schwamm erscheinen lassen.
1919 kam ein Patent einer in der Vakuumschmelze hergestellten synthetischen Legierung für Schreibspitzen heraus, die neben Platin, Ruthenium und weiteren Metallen der Familie etwa 80% Osmium enthielt. Iridium war eh kaum jemals in der Legierung vorgekommen. (Hier irrten die Amis). Federn mit diesen Schreibspitzen sollten das schmirgelnde Reiben, insbesondere auf minderwertigem Papier nicht zeigen und die meisten Federnhersteller bezogen die Schreibspitzen seitdem bei Heraeus.
Kratzende Federn kratzen möglicherweise schon ab Werk, wenn der Hersteller noch ein paar Pfennige sparen wollte. Oder die Federn sind einfach nur beschädigt. Fällt mal ein Füller runter auf die Spitze oder wird beim Aufsetzen der Kappe verbogen, wird man unvorsichtigerweise schnellmal die Feder zurückbiegen wollen. An der Biegestelle verzerrt sich das Metallgefüge und wird dadurch fester! Das Biegemoment beim Rücksetzversuch wird genau daneben angreifen und man hat sich eine Stufe in die Feder gebogen. Bei sehr alten Füllern kann dies mehrfach passiert sein auch wenn das beim Kauf des Füllers nicht aufgefallen ist. Ist einer der Federschenkel aus der Achse herausgedreht worden, schneidet die Innenkante des Schreibkorns ins Papier. Das kratzt. Bei feinen Federn kann die Spitze auch beim Schreiben entgegen der Federachse ins Papier spießen. Es gibt auch so schlechte Federspitzen auf Stahlfedern, die könnte man mit ruhigem Gewissen wegschleifen.
Es hängt nicht, wie in einem Beitrag bemerkt, von unpräziser Handarbeit und damals nicht vorhandenen Präzisionsmaschinen ab. Gerade Handarbeit erzeugt eine gute Feder. Ob es Individualitäten beim gleichen historischen Hersteller und in der gleichen Produktionslinie gegeben haben soll? Die Entscheidung wird schwer fallen, denn kaum Jemand wird 3 gleiche ungebrauchte Sicherheitsfüller zum Vergleich zur Hand haben.
Gruss, Frodo
agathon
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Re: Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von agathon »

Frodo,
danke für diese ausführliche und so gut verständliche metallkundliche Klarstellung, das hab‘ ich nicht gewusst.

Grüße

agathon
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Will
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Re: Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von Will »

Frodo hat geschrieben:Hi Michael
Nein, das kratzen ist prinzipiell nicht erwünscht und in einem neuen modernen Qualitätsfüller ein nicht zu tolerierender Makel.
Bei den historischen Federn, sagen wir mal, an die 100 Jahre alt, wurde als Schreibkorn noch ein natürlich vorkommendes Mischmetall verwendet, was damals als Osmiridium bezeichnet wurde. Neben den beiden im Wort genannten Metallen waren auch noch Platin, Ruthenium und weitere Platinmetalle in wechselnden Mischungsgraden vorhanden aber auch unedlere Metalle wie Eisen und Nickel, die aus der Schmelze im Status des Entstehens entmischt und nicht als "einheitliche" Legierung auskristallisierten. Geringfügig höhere Anreicherungen des selten Mischmetalls im Grundgestein aus der Kreidezeit findet man in einer durchschnittlichen Schichtdicke von nur 2 cm zB. in Tasmanien.
Die unedleren Bestandteile korrodieren durch die enorm agressiven Tintenbestandteile heraus und es ergeben sich zahlreiche winzige Löcher im Metallverband, der das Schreibkorn in einer elektronenmikroskopischen Aufnahme als kratzigen trockenen Schwamm erscheinen lassen.
1919 kam ein Patent einer in der Vakuumschmelze hergestellten synthetischen Legierung für Schreibspitzen heraus, die neben Platin, Ruthenium und weiteren Metallen der Familie etwa 80% Osmium enthielt. Iridium war eh kaum jemals in der Legierung vorgekommen. (Hier irrten die Amis). Federn mit diesen Schreibspitzen sollten das schmirgelnde Reiben, insbesondere auf minderwertigem Papier nicht zeigen und die meisten Federnhersteller bezogen die Schreibspitzen seitdem bei Heraeus.
Kratzende Federn kratzen möglicherweise schon ab Werk, wenn der Hersteller noch ein paar Pfennige sparen wollte. Oder die Federn sind einfach nur beschädigt. Fällt mal ein Füller runter auf die Spitze oder wird beim Aufsetzen der Kappe verbogen, wird man unvorsichtigerweise schnellmal die Feder zurückbiegen wollen. An der Biegestelle verzerrt sich das Metallgefüge und wird dadurch fester! Das Biegemoment beim Rücksetzversuch wird genau daneben angreifen und man hat sich eine Stufe in die Feder gebogen. Bei sehr alten Füllern kann dies mehrfach passiert sein auch wenn das beim Kauf des Füllers nicht aufgefallen ist. Ist einer der Federschenkel aus der Achse herausgedreht worden, schneidet die Innenkante des Schreibkorns ins Papier. Das kratzt. Bei feinen Federn kann die Spitze auch beim Schreiben entgegen der Federachse ins Papier spießen. Es gibt auch so schlechte Federspitzen auf Stahlfedern, die könnte man mit ruhigem Gewissen wegschleifen.
Es hängt nicht, wie in einem Beitrag bemerkt, von unpräziser Handarbeit und damals nicht vorhandenen Präzisionsmaschinen ab. Gerade Handarbeit erzeugt eine gute Feder. Ob es Individualitäten beim gleichen historischen Hersteller und in der gleichen Produktionslinie gegeben haben soll? Die Entscheidung wird schwer fallen, denn kaum Jemand wird 3 gleiche ungebrauchte Sicherheitsfüller zum Vergleich zur Hand haben.
Gruss, Frodo
Lieber Frodo,

für mich ist Deinen Beitrag ein wahres Weihnachtsgeschenk an dieses Forum und ich danke Dir sehr sehr herzlich dafür. Dieser erklärt auch anschaulich, weshalb man manchen Schreibkörnern beim Schleifen bzw. Polieren das Kratzen nicht angewöhnen kann, da durch den Materialantrag nur eine weitere Unebenheit zu Tage gefördert wird. Gratias agere!
NicolausPiscator hat geschrieben:Meine flexiblen Füllerfedern kratzen auch nicht. Schnelles Schreiben bekomme ich mit ihnen auch nicht hin. Die Tauchfedern sind hingegen sehr spitz und verhaken sich bei nachlässiger Haltung durchaus im Papier, was ich aber nicht kratzen nennen würde.
Ja Nicolaus, die Schreibhaltung in Verbindung mit dem Federschliff habe ich schon häufiger als Problemursache bei Schreibern beobachten können, die bis dato nur den Umgang mit modernen Federn oder gar nur mit dem Kuli pflegten. Alte Federn haben meist kein rundes, sondern ein flaches Schreibkorn. Solche Federn mit einem fast scharfen Italic-Schliff, verlangen eine flachere Schreibhaltung und verzeihen dahingehend keine Fehler der steilen "Kugelschreiberhand", besonders nicht die von Dir erwähnten feinen und extrafeinen Federn. Auch wird das Feedback einer solchen Feder bereits schon als kratzig empfunden. Die Kontur des Strichs einer flexiblen Italicfeder ist jedoch kein Vergleich zur fransig drögen eines Rundkorns, welches noch nahezu in jeder Haltung einen Strich aufs Papier breit. So gebricht es dem Schriftbild eines Rundkorns im Vergleich immer an Lebendigkeit und Charakter, was die flexible Italicfeder hingegen wunderbar zum Ausdruck bringen kann.

Ich schreibe mit meinen flexiblen Federn eigentlich ausschließlich schnell bzw. flott. Wenn ich langsam Schreibe, sieht es nicht mehr nach meine Handschrift aus und und das Schriftbild verliert seinen Schwung. Ok, ab einer gewissen Geschwindigkeit, bei Mitschriften z. B., wird die Schrift ungenau und verliert dann ebenfalls.

Abschließend lehne ich mich mal etwas aus dem Fenster und behaupte, wenn nahezu jede flexible Feder kratzt, stimmt womöglich grundsätzlich etwas mit der Schreibhaltung nicht. Dies lässt sich jedoch nur vernünftig beurteilen, wenn man die angesprochenen Federn probeschreiben und den Schreiber beobachten konnte.

Weihnachtsgrüße aus der Pfalz

Gerd
Blauer Hautausschlag, erhöhte Temperatur, Bewusstseinstrübungen - oh Gott, das muss Flexfieber sein!
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blackboro
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Re: Warum kratzen die meisten flexiblen Federn?

Beitrag von blackboro »

So früh schon so viel gelernt, danke!
~Stefan
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