Hallo liebe Freunde alles Schönen und Guten,
nach meinem Textcrash vor ein paar Tagen möchte ich Euch trotz aller widrigen Umstände meine Erfahrungen mit einer Tinte mitteilen, die mir sehr merkwürdig vorkommt. Es handelt sich um die Rouille d´ancre von J. Herbin. Vorweg: Die Tinte ist sehr wäßrig und blaß. Das wußte ich nicht, bevor ich sie mir zugelegt hatte. Mir gefiel der Farbton. Einigermaßen treu übersetzt erwartet mich eine Tinte in „Ankerrost“. Nun, ich weiß, wie oxidiertes Eisen aussieht, aber nicht, ob ein Anker vor der bretonischen Küste oder an der Côte d´azur diesen Farbton annehmen kann. Also ich tendiere mehr zu Altrosa.
Nun zur Präsentation. Ich habe dieses Mal drei Füller benutzt. Nach den letzten beiden Betrachtungen fiel der Unterschied ja eklatant auf. Dieses Mal nicht. Ich denke, das hat mit der Verdünnung zu tun.
Der Reihe nach:
Die Kalligraphiefeder des Jinhao schwelgt förmlich in der Tinte. Die Pigmente versammeln zur Hälfte des Strichs und bilden ein schönes Shading. Der Tintenfluß ist sehr satt.
Danach habe ich einen Grifos mit einer EF-Feder ausgewählt. So, wie ich das Schriftbild sehe, muß ich sagen, daß der Füller mit dieser Tinte einigermaßen überfordert ist. Die Rouille fließt so satt aus der Feder, daß von „extrafein“ nichts mehr zu sehen ist. Das ist schon „Medium“. Gut, vielleicht hat der Hersteller aus dem Aostatal eine andere Vorstellung hiervon, die eher mit der von Pelikan zu vergleichen ist.
Schließlich wurde noch ein TWSBI mit extrafeiner Feder mit der Rouille befüllt. Extrafein. Hmm. Wenn ich nicht wüßte, wie diese Füller mit anderen Tinten zu Rande kommen, würde ich zweifeln, ob solche Federn das Prädikat „EF“ verdienen. Aber immerhin, der Mini von TWSBI bemüht sich, einen halbwegs dünnen Strich hinzubekommen. Die Pigmente verteilen sich hier gleichmäßiger, sodaß kein shading zu Stande kommt. Hier sieht man besonders gut, wie die dünne Feder die Pigmente zu zähmen in der Lage ist. Nur mit der schlanken Feder kriegt die kleine Raupe Kontur.
Was aber am meisten auffällt ist die Tatsache, daß, im Vergleich zu anderen Tintenbetrachtungen (nicht nur von mir), keine farblichen Unterschiede bei unterschiedlichen Füllern zum Tragen kommen. Das mag damit zusammenhängen, daß die Rouille d´ancre kein Kompositum ist, will sagen, daß keine verschiedenfarbigen Pigmente die Tinte bilden. Bei dieser Tinte bestimmt die Federstärke das Erlebnis.
Ich bin mir nicht im Klaren darüber, was Herbin mit dieser Tinte beabsichtigt hat, um auf die anfangs geäußerte Skepsis zurückzukommen. Ich meine, daß diese Tinte zum Schreiben zu wenig hergibt. Dafür ist sie zu dünn (o.k. wer´s blaß mag). Zum Zeichnen: Nur mit feiner (unter 0,4 mm) Strichstärke, dann entfaltet sie ihre Farbe. Ich habe sie, falls es jemanden interessiert (Thread „Zeichnen mit Füller und Tinte“), in meinem Bild „Hekate 3“ im Flechtbandornament unter dem oberen Rahmen eingesetzt. Ursprünglich wollte ich die Ankerrostfarbe für den Gullydeckelfries benutzen, aber letztendlich war mir die Farbe zu wenig „rostig“.
Um Blümchen in Altrosa zu malen, taugt die Tinte aber auch nicht, da sie was Schwermütiges hat. Irgendwie bleibt diese Tinte im Niemandsland zurück. Zwischen Baum und Borke. Nichts Halbes und nichts Ganzes. Wie ein verrosteter Anker, den niemand so recht wahrnimmt?
Für die Wochentinte ein paar Tage zu spät, aber immerhin,
Tomm
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