Pelikan 800/1000 : "schwerer Topf” Gefühl?

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penparadise
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Re: Pelikan 800/1000 : "schwerer Topf” Gefühl?

Beitrag von penparadise »

Petrus hat geschrieben:
Heutzutage steckt man auch bei größeren Füllfederhaltern (bei kürzeren sowieso) die Kappe beim Schreiben hinten auf den Schaft, um durch die größere Hecklastigkeit einen besseren Schwung in die Handschrift zu bekommen. Warum wohl haben alle "Schönschreib-Füllfederhalter" oder Kalligraphie-Füllhalter einen langen Schaft?

Hallo Axel,

Deine Bemerkung, die ich hier zitiere, hat mich stutzig gemacht. Ist das nur ein Eindruck von Dir, oder gibt es dafür Belege? Mir schien es eher umgekehrt zu sein. In alten Filmen oder auf Fotos sieht man fast immer Leute, die Füller mit aufgesteckter Kappe benutzen (vielleicht nur zu dem Anlass?), heute dagegen beobachte ich, dass die meisten Leute ohne die Kappe hinten drauf schreiben. Meine Erfahrung bezieht sich allerdings vorwiegend auf Studenten, nicht z.B. auf Geschäftsleute, die mit dem Füller vor allem Unterschriften leisten. Hinzu kommt noch, dass Füller in den letzten Jahren "gewachsen" sind. Einen Pelikan M 200 oder M 400 kann man gut mit aufgesteckter Kappe benutzen, bei einem M 600 oder gar M 800 oder M 1000 entsteht dadurch schon ein ziemlich wuchtiges Ding. Man müsste mal nachsehen, wie Schüler in der Grundschule schreiben lernen und ob da eine der beiden Möglichkeiten empfohlen wird. Wenn ich mich recht erinnere, benutzten in meiner Schulzeit (schon länger her) nur wenige Schüler die Kappe beim Schreiben. Und an seinen Gewohnheiten hält man später vielleicht eher fest, als dass man sich umgewöhnt.
Es ist richtig, dass Schönschreibfüller einen langen Schaft haben, aber der ist sehr dünn und wesentlich weniger schwer als eine hinten aufgesteckte Kappe, nicht? Ich kann mir schon vorstellen, dass etwas Gewicht hinten eine schwungvollere Schrift zulässt, aber vielleicht nur bei Leuten, die ohnehin schon unverkrampft und sicher mit einem Füller schreiben können. Die allermeisten Menschen, die ich mit der Hand schreiben sehe, sind weit entfernt von einer entspannten und unverkrampften Handhaltung. Da schließe ich mich übrigens selbst ein. Es gelingt mir allenfalls, wenn ich zu Hause am Schreibtisch in aller Ruhe einen Brief auf schönes Papier schreibe. Aber wenn es schnell gehen muss oder die Bedingungen, unter denen ich schreibe nicht optimal sind, wenn Hektik herrscht oder Aufregung, dann schreibe ich sogar besser und sicherer, wenn ich die Hand ziemlich angespannt und verkrampft halte. Ansonsten rutscht mir der Füller schon mal aus. Lange kann man so allerdings nicht schreiben. Das ist klar. Oft geht es aber nur um eilige Notizen. Da ist meine Handhaltung selten entspannt und so, wie sie sein sollte.

Wie auch immer, mich würde es interessieren, ob sich tatsächlich beim Gebrauch von Füllhaltern etwas in der Richtung verändert hat, die Du andeutest. Vielleicht könntest Du das noch etwas mehr erläutern.

Viele Grüße

Peter
Moin Peter,

Deine Beobachtungen sind richtig und decken sich ja auch mit meinen Aussagen. In alten Filmen oder auf alten Bildern wurden Füllfederhalter anders gehalten als heute — und zwar so, wie ich es auch empfehle. Dass dies heute anders ist, liegt leider nicht nur daran, dass die Lehrer keinen Wert mehr drauf legen, auf die Handhaltung eines Schreibgerätes oder gar die Handschrift selber zu achten. Und da den Lehrern auch nicht mehr beigebracht wurde, dass man einen Füllfederhalter anders halten sollte als einen Kugelschreiber, wie sollen sie das dann bitte ihren Schülern weitergeben?!?

Meine Erfahrungen und Beobachtungen resultieren u.a. aus einer ca. 40-jähriger Berufserfahrung, in denen ich sicherlich einige zigtausend Füllfederhalter verkaufte und vielleicht noch ein paar mehr Mitmenschen dabei beobachtete, wie sie ein Schreibgerät beim Schreiben halten. Aber auch auf Seminaren und in anderen Kursen konnte ich den Teilnehmern durch "Umerziehung" der Handhabung eines Füllfederhalters ein deutlich längeres, ermüdungsfreies Schreiben ermöglichen. Allerdings ist es wirklich schwer, sich eine über Jahre und Jahrzehnte angewöhnte "Fehlhaltung" abzugewöhnen. (Ich habe das bewusst in Anführungszeichen gesetzt. ;) )

Ich habe in einigen "Härtefällen" mit einem Trick (oder Hilfsmittel) gearbeitet: Ich habe einen doppelseitigen Klebefilm (kein Teppichklebeband !!!) in die Handbeuge zwischen Daumen und Zeigefinger am tiefsten Punkt geklebt und dann den Füllfederhalter — nach Legen des Zeigefingers auf das Griffstück (Mittelfinger etwas unter das Griffstück) und Zurückziehens/Legen des Daumens fast oberhalb des Gewindes seitlich an den Schaft, also alle Finger nicht abgeknickt ! — auf das Klebeband gedrückt. Um so schreiben zu können, muss der Proband jetzt die Bewegung aus dem Handgelenk generieren.

Mir haben viele Probanden nach einigen Wochen berichtet, dass sie nachdem sie sich von mir die flachere Haltung eines Füllfederhalters haben zeigen lassen, z.B. in den Vorlesungen jetzt nur noch ihre Notizen mit dem Füllfederhalter machen. Sie können länger schreiben und — ein netter Nebeneffekt, finde ich — ihre Schrift auch besser lesen. :)

Schon mal probiert?
Mit besten Grüßen
Axel
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Petrus
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Re: Pelikan 800/1000 : "schwerer Topf” Gefühl?

Beitrag von Petrus »

Hallo Axel,

vielen Dank für Deine Erläuterungen. Ja, das habe ich probiert (ohne Klebestreifen :-) ), und es gelingt auch zunehmend besser - wenn ich in einer ruhigen und entspannten Situation schreibe. Das ist im Alltag nicht immer möglich. Peter (absia) hatte vor längerer Zeit auch schon einmal Hinweise zur Schreibhaltung, sogar mit Foto, hier im Forum veröffentlicht. Auch die fand ich sehr gut.
Und was ist nun mit der Kappe?

Viele Grüße

Peter
penparadise
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Re: Pelikan 800/1000 : "schwerer Topf” Gefühl?

Beitrag von penparadise »

Moin Peter,

was soll mit der Kappe sein? Bei meiner Handgröße stecke ich nur beim 149er, beim M1000er oder anderen, vergleichbaren Füllfederhaltern die Kappe hinten nicht auf. Beim 146er oder M800 muss ich sie hinten aufstecken, sonst ist mir das Schreibgerät zu kurz und hinten nicht schwer genug.
Zuletzt geändert von penparadise am 15.08.2010 16:40, insgesamt 1-mal geändert.
Mit besten Grüßen
Axel
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Michael
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Re: Pelikan 800/1000 : "schwerer Topf” Gefühl?

Beitrag von Michael »

Hallo Forumsteilnehmer,

bei Durchsicht meiner schwereren Füllhalter bin ich noch auf eine Konstruktion
gestossen, die von dem Prinzip "Gewicht hinten" abweicht. Der Pilot Capless
(Ausführung "Blue Carbon", jüngeren Datums) ist relativ schwer, gleichmäßig
ausbalanciert und hat recht weit vorne Griffmulden im Clip, die die sogenannte
"Fehlhaltung" dann sogar noch fördern (Mulde für Daumen und Zeigefinger).
Mit dem Capless empfinde ich das Schreiben recht angenehm und komme auch
bei längerem Schreiben (2-4 Stunden) klar. :wink:

Schreiben gelernt habe ich 1975 (von der damaligen Leherin gewünscht:
erst Bleistift/Buntstift, dann Pelikano oder Geha-Patronenfüllhalter, geschrieben
wurde ohne Kappe mit der "Fehlhaltung"; unsere Linkshänder in der Klasse sollten
seinerzeit mit der rechten Hand Schreiben lernen).

MfG

Michael (mit der dynamischen Handhaltung erneut experimentierend :D )
Petrus
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Re: Pelikan 800/1000 : "schwerer Topf” Gefühl?

Beitrag von Petrus »

[quote="penparadise"]Moin Peter,

was soll mit der Kappe sein?

Hallo Axel,

meine Frage bezog sich nur auf Deine vorherige Bemerkung, wonach "heutzutage" die Kappe eher aufgesteckt werde. Meine Erfahrung ist gerade umgekehrt. Auf alten Bildern sieht man fast nur die Verwendung mit Kappe hinten drauf, während "heutzutage" die meisten Leute, die ich beobachte, ohne Kappe scheiben. Wie kommst Du also auf Deine Ansicht? Das war die Frage.

Ein Beispiel: Der bei Schülern beliebte Lamy-Safari erscheint mir beinahe so konstruiert, dass man die Kappe gar nicht aufstecken soll, weil der Füller sonst für Schülerhände ziemlich groß wird. Aber vielleicht hast Du vor allem mit Montblanc-Benutzern zu tun, die mit kräftigen Fingern schwungvolle Unterschriften unter millionenschwere Verträge setzen. Dann sieht die Sache natürlich anders aus. :-)

Einen schönen Sonntag

Peter
Federbaum
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Re: Pelikan 800/1000 : "schwerer Topf” Gefühl?

Beitrag von Federbaum »

Hallo Axel

vielen Dank für den hervorragenden Tip. Mit einer flacheren Füllerhaltung geht einiges viel besser und einfacher. So kann ich, in Grenzen, die Strichstärke beim Schreiben ändern und Schwünge gehen leichter von der Hand. Ich kämpfe aber noch mit dem "Wünschelruteneffekt": ein kleines Zittern der Hand führt schnell zu einigen Zacken in der Schrift. Da muss ich noch üben.

Ich bin allerdings ein Exot: Während Schule und Studium habe ich fast nur mit Füller geschrieben, einem Kaweco V11, der mir von der 3. Klasse bis zur Promotion treue Dienste geleistet hat. Allerdings liegt er seit mehr als 25 Jahren im Ruhestand in einer Schublade und er ist vor kurzem in eine Vitrine umgezogen. Meine Liebe zu Füllern, insbesondere von Pelikan, ist erst seit drei Monaten neu entbrannt. Berufsbedingt (Mathematiker) schreibe ich fast nur mit Bleistift, einem alten Fallminenschreiber von Faber. Den halte ich aber deutlich flacher als einen Kugelschreiber. Ich weiß nicht warum. Die Umgewöhnung in der Schreibhaltung fällt mir also nicht so schwer.
Beste Grüße
Walter

Die Feder ist die Zunge der Hand.
Feinmotoriker
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Re: Pelikan 800/1000 : "schwerer Topf” Gefühl?

Beitrag von Feinmotoriker »

Hallo Axel,

erst einmal vielen Dank für Deine Ausführungen. Ich bin selbst recht angetan von dieser Stifthaltung, habe aber dennoch folgende zwei Probleme festgestellt. Mir ist aufgefallen, dass diese Haltung nicht mit jedem Füller klappt, denn:

Bei Füllern, die einen relativ hohen Tintenleiter haben, passiert es schnell einmal, dass der Tintenleiter statt der Feder aufs Papier aufsetzt. Man hält den Füller also, wenn man nicht drauf achtet und den Ellenbogen anhebt oder den Daumen wieder etwas nach vorne nimmt, ZU flach. Dies ist bei mir z. B. beim Pelikan 400 NN der Fall - einem alten Füller, der ja eigentlich - nach Deiner Theorie - für diese Schreibhaltung ausgelegt sein sollte.

Andere, moderne Füller sind nicht unbedingt dafür ausgelegt. Sie kratzen bei zu flachem Winkel. Man spürt deutlich, dass sie für die Kugelschreibergeneration konzipiert wurden. Dies ist z. B. beim Lamy 2000 der Fall. (zur Vorbeugung: Ja, er wurde schon 1966 kreiert, aber der Federschliff kann sich ja trotzdem über die Jahre verändert haben).

Bei wieder anderen Füllern, wie meinem Lamy accent, klappt es hervorragend, weil: flacher Tintenleiter, weiches Schreibgefühl. Sonst war er mir mit aufgesteckter Kappe immer zu schwer/hecklastig, mit Deiner Methode liegt er wunderbar in der Hand. Doch wie soll ich mich an eine Haltung gewöhnen, die nur gut mit der Hälfte meiner Füller vereinbar ist?

Was sagst Du dazu?

Viele Grüße

Lennart
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Tenryu
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Re: Pelikan 800/1000 : "schwerer Topf” Gefühl?

Beitrag von Tenryu »

Ich empfinde die Hecklastigkeit bei flacher Schreibhaltung viel deutlicher als wenn ich den Füller steil halte. Was ja auch logisch ist, weil so die Schwerkraft besser einwirkt als bei (fast) senkrechter Haltung.
Feinmotoriker
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Re: Pelikan 800/1000 : "schwerer Topf” Gefühl?

Beitrag von Feinmotoriker »

Tenryu, wenn Du den Füller in die Mulde zwischen Zeigefinger und Daumen legst, wirst Du merken, was Axel meint.
penparadise
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Re: Pelikan 800/1000 : "schwerer Topf” Gefühl?

Beitrag von penparadise »

Feinmotoriker hat geschrieben: Was sagst Du dazu?
Was soll ich dazu sagen, Lennart?

Nicht jeder kann mit jedem Schreibgerät schreiben und nicht jedes Schreibgerät ist für jede Schreibhaltung geeignet. Es gibt auch nicht das "Non-Plus-Ultra-Schreibgerät" (zum Glück :!: ).

Wenn Dir Dein Hemd oder die Hose nicht mehr passt, ziehst Du sie doch auch nicht mehr an. Genau so ist es auch mit Schreibgeräten, die nicht (mehr) zu meiner Handhaltung passen — ich benutze sie nicht (mehr).

Pelikan 400NN und Lamy 2000 sind Nachkriegskonstruktionen. Noch schlimmer sind einige Watermänner, ich glaube Carene und noch so ein neueres Modell mit gekapseltem Tintenleiter. Da setzt man ja schon bei einer Kugelschreiberhaltung fast mit dem Tintenleiter auf dem Papier auf ...
Mit besten Grüßen
Axel
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G-H-L
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Re: Pelikan 800/1000 : "schwerer Topf” Gefühl?

Beitrag von G-H-L »

penparadise hat geschrieben:
Feinmotoriker hat geschrieben: Pelikan 400NN und Lamy 2000 sind Nachkriegskonstruktionen. Noch schlimmer sind einige Watermänner, ich glaube Carene und noch so ein neueres Modell mit gekapseltem Tintenleiter. Da setzt man ja schon bei einer Kugelschreiberhaltung fast mit dem Tintenleiter auf dem Papier auf ...
Also da muß ich doch deutlich widersprechen. Da die meisten hier davon berichten, daß sie mit dem Carene blaue Finger bekommen, halten sie den Füller viel zu kurz und damit auch zu steil. Ich hab es selbst gerade mal probiert, so flach, daß der Tintenleiter auf dem Papier aufsetzt kann man den Carene gar nicht halten.

Gruß
Gerhard
Gruß
Gerhard

Nein, das ist keine unleserliche Handschrift!
Der Text ist nur analog verschlüsselt! :)
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