Traurig...

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fismoll
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Re: Traurig...

Beitrag von fismoll »

Ich finde, dass man die Vermittlung von Wissen differenziert betrachten muss. Es gibt da die drei Säulen "Kennen", "Können" und "Beherrschen". In ganz vielen (für mich persönlich) wichtigen Dingen bleiben heute einige Viele beim "Kennen" hängen (wenn überhaupt), während sie (für mich persönlich) Unwichtiges "beherrschen". Wie schnell einer liest und welche Techniken er benutzt, um die Fertigkeit "X" zu beherrschen, spielt dabei mMn keine Rolle, das ergibt sich aus der zu lernenden Fertigkeit selbst. Ganz platt gesagt: Die Ergonomie von Games, FB und Instagram beherrschen, einigermaßen Schreiben können, aber einen Rhabarber nicht erkennen, wenn er gezeigt wird. Diese gesamtgesellschaftliche Entwicklung werden ein paar Exoten, die das anders gewichten würden, nicht mehr aufhalten. Im Kleinen bemühe ich mich, aber die Masse ist auf einem anderen Weg.
Beste Grüße - André

Ganz ohne Musik geht's selbst im Jazz nicht ...
SpurAufPapier
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Re: Traurig...

Beitrag von SpurAufPapier »

ai19 hat geschrieben:
21.04.2019 10:55
Speedreading... spannendes Thema.

Ich kann sicher sagen, dass das für mathematische und physikalische Texte völlig unnütz ist. Da ist nicht die Lesegeschwindigkeit der limitierende Faktor, sondern die eigene (relative) inhaltliche Doofheit.

Nicht selten lese ich Texte, die für mich inhaltlich relativ schwierig sind. Da muss ich schonmal nachdenken. Das ist dann keine Frage, ob ich 400 wpm oder 2000 wpm lesen kann.

Beste Grüße,
Arda
Dem kann ich mich 100%-ig anschließen.
Es bringt nichts, schwierige Texte schnell zu lesen, wenn man inhaltlich nicht mitkommt. Bei Texten, die man genießen soll (Literatur), ist es genauso sinnlos.

"Verstehendes Lesen" ist wichtig. Vielleicht ist es deshalb in der Grundschule seit etlichen Jahren üblich, die Kinder nicht nur vorlesen, sondern Fragen zum gelesen Text beantworten zu lassen (und als nächsten Schritt selbst zu stellen).
Grüße
Vikka

Das Leben ist zu kurz für schlechte Schreibgeräte
thobie
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Re: Traurig...

Beitrag von thobie »

SpurAufPapier hat geschrieben:
21.04.2019 18:28

Es bringt nichts, schwierige Texte schnell zu lesen, wenn man inhaltlich nicht mitkommt.
Dann hast Du die Technik des Speedreadings nicht verstanden und Dir nicht erarbeitet.

Speedreading ist da sinnvoll, wo viele Informationen ausgewertet werden müssen. In der Mathematik würde ich es nicht einsetzen. Ich habe da allerdings auch schon Dissertationen gesehen, die "nur" gute 30 Seiten Umfang haben. Und da steht dann kein Wort zuviel.

Ansonsten führt Speedreading - richtig angewendet - dazu dass man von den Texten mehr aufnimmt, als die langsamen Leser. Dazu hat es schon eine Reihe von wissenschaftliche Untersuchungen gegeben. Das Gehirn ist enorm aufnahmefähig. Und es ist enorm leistungsfähig. Allerdings denkt das Gehirn in Bildern. Und da ist das Lesen, das ich in der Schule gelernt habe, nämlich Buchstabe für Buchstabe und später Silbe für Silbe eher kontraproduktiv. Das führt dazu, dass sich das Gehirn die notwendigen Bilder erst selbst erzeugen muss. Und dies ist für einen kleinen Teil des Gehirns enorm anstrengend. Während andere große Areale ungenutzt daliegen. Das führt dazu, dass wir dazu neigen, relativ schnell abzuschweifen. Die Leistungsfähigkeit des Gehirns kann jeder mal testen. Nehmt einfach mal einen Text ohne Vokale und lest den. Das geht relativ gut (im Hebräischen verzichtet man vollständig auf Vokale. Diese werden durch Vokalzeichen wiedergegeben. In vielen Schriften verzichtet man auch darauf. Und man versteht die Texte trotzdem).

Die Trainigseinheit für das Speedreading sind für mich jeden Morgen 3 große Tageszeitungen. Und dafür nehme ich mir eine Stunde Zeit. Das reicht mir. Bei Dingen, die ich später dann noch einmal brauche, fertige ich mir begleitend eine Mindmap an. Und genau da liegt der Punkt. Ich bin damit in der Lage, mir schnell auch relativ komplizierte Texte zu erarbeiten. Gerade im Beruf hat mir das immer wieder ernorme Vorteile verschafft.

Problem ist: Man muss sich einer ganz neuen Technik öffnen. Und man muss trainieren. Und ja, es gibt Grenzen. Spitzenleser schaffen bis zu kanpp 4.000 Wörter die Minute. Nur zur Klarstellung: Die müssen anschließend Fragen zum Text beantworten können (sonst wäre es viel zu leicht). Das werde ich auch mit ganz viel Trainig niemals schaffen. Das ist ein wenig wie beim Sport. 100 m kann ein geübter Amateur vielleicht knapp unter 12 Sekunden laufen. Wenn keine besondere Begabung vorliegt, kann er aber trainieren, bis die Hölle einfriert. Er wird niemals die 9,9 Sekunden auf 100 m packen.

Bei Texten, die ich genießen will, kommt natürlich Speedreading nicht zum Einsatz.
Thom

Re: Traurig...

Beitrag von Thom »

thobie hat geschrieben:
21.04.2019 3:38
Dazu gehörte beispielsweise Schweinchen Dick. Durfte ich sehen.
Biene Maja, kann ich da nur sagen, schätze, ich habe mich mit Willi identifiziert. Ich sehe schon einen Unterschied zwischen verstehen und auswendig lernen, deshalb wäre ich z.B. nie Jurarist geworden, da wüsste ich überhaupt nicht, was los ist.

V.G.
Thomas
agathon
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Re: Traurig...

Beitrag von agathon »

Thom hat geschrieben:
21.04.2019 19:58
... deshalb wäre ich z.B. nie Jurarist geworden, da wüsste ich überhaupt nicht, was los ist...

V.G.
Thomas
Das hat seinen Grund bestimmt darin, dass die Juristerei nicht in einem „verstehen von“, sondern sich in einem „sich verstehen auf“ besteht.

Grüße

agathon
Thom

Re: Traurig...

Beitrag von Thom »

"Für Wissen gibt's die Bibliothek,
da wo es stets für dich bereit
und wartet in der Zwischenzeit." (A. Einstein)
SpurAufPapier
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Re: Traurig...

Beitrag von SpurAufPapier »

thobie hat geschrieben:
21.04.2019 18:58
SpurAufPapier hat geschrieben:
21.04.2019 18:28

Es bringt nichts, schwierige Texte schnell zu lesen, wenn man inhaltlich nicht mitkommt.
Dann hast Du die Technik des Speedreadings nicht verstanden und Dir nicht erarbeitet.
Nein, habe ich nicht. Vielleicht, weil ich auch so schnell genug für meine Zwecke lesen kann.
Texte, in denen Informationen als Text "gespeichert" sind, kann ich überfliegen und die nötigen Informationen "scannen", was auch immer das bedeutet, ist vielleicht der falsche Ausdruck. Privat lese ich so Nachrichten, Zeitungsartikel, Sachbücher, allgemein Texte, die mich interessieren, wo aber die Information nicht so dicht gespeichert ist und die ich mir nicht unbedingt in Details merken muss. Beruflich sind das Normen, Verträge (die deutschen; bei den englischen muss ich mehr aufpassen), Protokolle, Mails.

Mein "es bringt nichts" war auf Texte bezogen, die Arda meinte. Physikalische, mathematische, technische Informationen, bei denen man einen Absatz dreimal lesen und dann noch nachrechnen muss, um zu verstehen, was gemeint war. Das brauche ich beruflich oft. Ein technisches Angebot, bei dem schon ein zusätzlicher Buchstabe zu mehrfachen Kosten führen kann, schnell zu lesen, kann nicht gut enden. Und einen Text darüber, wie z. B. ein Gebäude statisch gegen Erdbeben ausgelegt wird oder die Leistung eines Ventilators oder eines Heizelements berechnet wird, kann zumindest ich nicht schnell lesen. Solche Texte machen aber zumindest zeitlich den größeren Anteil meines beruflichen Lesepensums aus.
Grüße
Vikka

Das Leben ist zu kurz für schlechte Schreibgeräte
Thom

Re: Traurig...

Beitrag von Thom »

SpurAufPapier hat geschrieben:
21.04.2019 21:43
Und einen Text darüber, wie z. B. ein Gebäude statisch gegen Erdbeben ausgelegt wird oder die Leistung eines Ventilators oder eines Heizelements berechnet wird, kann zumindest ich nicht schnell lesen.
Ich hielte das "schnell lesen" da sogar für äußerst problematisch, weil Informationen einfach verloren gehen könnten (man hat es ja gelesen, warum sollte man das nochmal machen). Jede(r) so schnell wie individuell möglich, das ist durchaus unterschiedlich.
Am längsten dauert's, wenn's schnell gehen soll, jedenfalls wenn man's richtig machen will.

V.G.
Thomas
agathon
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Re: Traurig...

Beitrag von agathon »

Thom hat geschrieben:
21.04.2019 23:29
"schnell lesen"

Ist halt ein Irrglaube anzunehmen, Bildung hätte primär was mit Effizienz oder Optimierung oder so etwas zu tun.

Grüße

agathon
SpurAufPapier
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Re: Traurig...

Beitrag von SpurAufPapier »

agathon hat geschrieben:
21.04.2019 23:37

Ist halt ein Irrglaube anzunehmen, Bildung hätte primär was mit Effizienz oder Optimierung oder so etwas zu tun.

Grüße

agathon
Texte schnell lesen (und dabei natürlich verstehen) zu können, kann vorteilhaft sein.
Ich glaube, wir sind uns alle einig darüber, dass es nicht bei allen Arten von Texten möglich und sinnvoll ist.

Zurück zum ursprünglichen Thema: Ich glaube, dass in den letzten Jahren verstärkt darauf Wert gelegt wird, dass Kinder gelesene Texte auch verstanden haben (siehe Erstlesebücher mit "Quiz" am Ende jedes Kapitels). Zum Merken und Lernen fände ich auch Schreiben wichtig; das wird wohl unterschiedlich gehandhabt, und auf die Sauberkeit/Lesbarkeit nicht mehr so viel Wert gelegt wie früher. Außerdem hängt es sehr stark von der Schule und vom Lehrer ab. Ich sehe da sehr wohl die Schule/die Lehrer in der Pflicht. Es ist für Eltern schwierig, vom Kind eine ordentliche Schrift zu verlangen, wenn es dem Lehrer egal ist.
Bei meiner ältesten Tochter (jetzt 11. Klasse) wurde in der Grundschule nicht darauf geachtet, und ich versuchte verzweifelt, dagegenzusteuern, mit mäßigem Erfolg. In der Realschule dann das Gegenteil - die Heftführung wurde sogar benotet (nicht die "Schönheit", sondern die Lesbarkeit der Handschrift war durchaus Teil der Bewertung).
Grüße
Vikka

Das Leben ist zu kurz für schlechte Schreibgeräte
ai19
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Re: Traurig...

Beitrag von ai19 »

Sich einen Überblick über den Inhalt eines längeren Textes (z.B. Buch) zu verschaffen, indem man flüchtig durch die Seiten geht, Überschriften und hervorgehobene Wörter und hier und da ein paar Absätze zu lesen, ist eine Sache.

Das finde ich gar nicht schlecht, das habe ich als Kind instinktiv gemacht. Da kannte ich dann die Fachausdrücke, wusste nicht, was sie bedeuteten, und war total gespannt darauf, was denn dahinter stehen würde. So hatte ich einen Überblick.

Ich habe mir mit 18 mehrere Bücher über Speed Reading gekauft. Da ich Schüler war, und bereits zu meiner Zeit das Abi schon ziemlich lau war, hatte ich sehr viel Zeit. Wie verlockend war doch der Gedanke, durch Techniken wie Speed Reading im kommenden Studium Zeit zu sparen!

Stellt sich heraus, dass die Behauptung, man würde viel zu langsam lesen für das Gehirn, zumindest für mich einfach nicht stimmt. Ich lese immer genau so schnell, wie ich folgen kann, und das ist variabel. Und war und ist bei mathematischen Texten sehr langsam, und auch wenn ich beruflich heute nichts mehr mit Physik zu tun habe, so kann ich dank arXiv immer noch neueste Fachpublikationen lesen. Ab und zu, wenn es die Zeit erlaubt.

(Deswegen bin ich ja auch so ein fanatischer EF-Fan bzw. Fan von japanischen feinen Federn. Beim Nachrechnen macht es mich richtig aggressiv, wegen breiten Strichen eine Gleichung über mehrere Zeilen schreiben zu müssen, wodurch der Überblick flöten geht, wenn ich sie mit einem feinen Stift locker in eine Zeile kriegen würde.)

Als Student habe ich immer politische und historische Taschenbücher gelesen, bis mir das viel zu teuer wurde. Diese Texte sind oft recht schlicht geschrieben, und ich hatte sie in 1-2 Tagen durchgelesen. Da habe ich dann nur noch vom Grabbeltisch Bücher gekauft für 2 oder 3 Euro, und inzwischen habe ich überhaupt keine Lust mehr, so einen Quatsch zu lesen. Es ist eben schwer, grundlegend neue, originelle Gedanken zu haben, und viele Autoren der letzten 10 Jahre scheinen das zu verwechseln mit immer abstruseren, immer bizarreren Gedanken.

Als ich 18 war, hatte ich einen sehr intellektuellen Lehrer im Ethikunterricht. Der hat uns Kants Grundlegung der Metaphysik der Sitten lesen lassen statt dem üblichen seichten Quark, das Buch mit dem kategorischen Imperativ, jenem Imperativ, der oft zitiert und selten verstanden wird.

Ich würde sehr gerne mal einen Speed Reader sehen, der Kants verschlungene Sätze mit 4000 wpm lesen und auch verstehen kann, was Kant da geschrieben hat.

Jedenfalls denke ich nicht, dass man sich echte Bildung durch Speed Reading erwerben kann. Solche Dinge brauchen Zeit, arbeiten auch wochenlang unbewusst im Kopf weiter, und sind nicht erledigt, wenn man beantworten kann, welche Farbe der Hut hat, den der Protagonist eines Textes auf hatte. Man muss sich halt seinen Platz aussuchen und dort in die Tiefe gehen.

Aber, ich bin nicht per se gegen Effizienz und Beschleunigung. Während ich mich bemühe, nach und nach eine Copperplate- oder Spencerian-ähnliche Handschrift zu bekommen, so habe ich dieses Wochenende meinen schon länger währenden Versuch wieder aufgenommen, Steno zu lernen. Ich will nämlich viel mehr aufschreiben, als ich Zeit habe zu tun, und muss da eine Lösung finden.

Gestern erst habe ich die Lernsequenz meines Steno-Lehrwerks verändert, weil mir nach meinem letzten abgebrochenen Versuch klar wurde, dass ich die Lernsequenz wirklich sehr schlecht finde.

Es kommt nämlich sehr darauf an, dass man die Verbindungen exakt schreibt, und da Vokale durch die Verbindungen kodiert werden, finde ich es besser, zuerst alle Konsonantenzeichen zu lernen.

Frohe Ostern,
Arda
Thom

Re: Traurig...

Beitrag von Thom »

ai19 hat geschrieben:
22.04.2019 6:29
Sich einen Überblick über den Inhalt eines längeren Textes (z.B. Buch) zu verschaffen, indem man flüchtig durch die Seiten geht, Überschriften und hervorgehobene Wörter und hier und da ein paar Absätze zu lesen, ist eine Sache.
In dem Ansatz "das Gehirn denkt in Bildern" sehe ich schon ein grundsätzlicheres Problem.
Ich habe Biene Maja geguckt, Arda womöglich eher Star Trek. :) Das bildliche Denken ist sozusagen der Impulsantrieb, damit ist man flott unterwegs, aber um die Welt genauer zu verstehen (das hat durchaus einen pragmatischen Ansatz) ist das abstrakte Denken schon notwendig. Das ist gewissermaßen der Warpantrieb, wir können zwar immer noch nicht schneller, aber krümmen die Raumzeit.
"Das Notwendige ist niemals unzweckmäßig", wie Botschafter Sarek schon sagte (und der ist der Vater von Mister Spock!).

V.G.
Thomas
agathon
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Re: Traurig...

Beitrag von agathon »

Diese mnemonischen Geschichten beziehen sich primär ja auch bloß auf das erinnern und nicht auf das verstehen. Darüber sollte man sich bei dieser Diskussion immer im Klaren sein. Denn über eine Technik zu verfügen, Inhalte eines Buches (vulgo: Wissen oder content) sich effizient so anzueignen, dass man ihn auch wiedergeben kann, ist nicht gleichbedeutend damit, diesen Inhalt auch verstanden zu haben.

Grüße

agathon
ai19
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Re: Traurig...

Beitrag von ai19 »

Thom hat geschrieben:
22.04.2019 17:13
ai19 hat geschrieben:
22.04.2019 6:29
Sich einen Überblick über den Inhalt eines längeren Textes (z.B. Buch) zu verschaffen, indem man flüchtig durch die Seiten geht, Überschriften und hervorgehobene Wörter und hier und da ein paar Absätze zu lesen, ist eine Sache.
In dem Ansatz "das Gehirn denkt in Bildern" sehe ich schon ein grundsätzlicheres Problem.
Ich habe Biene Maja geguckt, Arda womöglich eher Star Trek. :) Das bildliche Denken ist sozusagen der Impulsantrieb, damit ist man flott unterwegs, aber um die Welt genauer zu verstehen (das hat durchaus einen pragmatischen Ansatz) ist das abstrakte Denken schon notwendig. Das ist gewissermaßen der Warpantrieb, wir können zwar immer noch nicht schneller, aber krümmen die Raumzeit.
"Das Notwendige ist niemals unzweckmäßig", wie Botschafter Sarek schon sagte (und der ist der Vater von Mister Spock!).
Das ist wahr; Star Trek fand ich richtig gut, und auch "Captain Future". Natürlich hatte auch ich in den 80ern nur drei Programme, plus die beiden Sender DDR1 und DDR2 von drüben.

Ich bin da bei dir: Das Gehirn denkt in Bildern, aber nicht nur. Das Gehirn denkt in Sprache, aber nicht nur. Das Gehirn kann auch abstrakt denken, aber das muss man, glaube ich, trainieren und ausbilden.

Es gibt auch viele Menschen, die nicht abstrahieren können. Du gibst ihnen ein Beispiel, und denkst, du hilfst ihnen damit, aber sie sind verwirrter als vorher, weil sie das Konzept nicht abstrahieren können, das du mit dem Beispiel transportieren wolltest. Ich weiß nicht, ob das Anlage ist oder mangelndes Training, aber es gibt viele davon.

Sehr viele Menschen können auch nicht logisch denken. Ich meine nicht das, was man umgangssprachlich darunter versteht, sondern wirklich formell logisch denken. Das muss man auch erst lernen.

Z.B. kann fast niemand (ohne formales Training) eine Aussage korrekt negieren. Wenn man m&m's hat, angenommen, nur rote und blaue, und ein Schälchen, worin sich nur blaue m&m's befinden, dann scheitern mindestens 9 vom 10 Leuten an der Aufgabe:

"Negiere die Aussage: Alle m&m's in dem Schälchen sind blau."

Die sagen dir: "Alle m&m's in dem Schälchen sind rot."

Das ist aber falsch, das ist das Gegenteil. Die korrekte Negation ist: "Nicht alle m&m's sind blau", und das ist gleichbedeutend mit: "Mindestens ein m&m in der Schale ist rot."

Das ist nur ein Beispiel. Dann verstehen sie das Konzept des Widerspruchsbeweises nicht, indem man Folgerungen aus Prämissen ad absurdum führt, etc. pp.

Es ist wahnsinnig anstrengend, mit solchen Menschen zu diskutieren. Vor allem wissen die alles, und dass sie falsch liegen könnten, ist von vorneherein eine naturgesetzliche Unmöglichkeit, weil sie es auf Facebook oder Wikipedia gelesen haben. Dann hat man ständig das Idiotenargument aus den Talkshows an der Backe, "...das kann man aber nicht pauschalisieren", obwohl man gar keine pauschale Aussage gemacht hat. Man erwähnt die Existenz eines roten m&m und muss sich dagegen verteidigen, alle m&m's für rot erklärt zu haben, obwohl man das mit keiner Silbe getan hat. Es gibt halt blaue, rote, und auch gelbe und grüne, und es ist unmöglich geworden, über rote m&m's zu reden, ohne unterstellt zu bekommen, man habe behauptet, es gäbe keine blauen, gelben und grünen m&m's.

Nebenbei bemerkt: Natürlich kann man pauschalisieren. Für jede gerade natürliche Zahl gilt, dass sie ohne Rest durch 2 teilbar ist. Da! Ich habe es getan! Ich habe pauschalisiert! Pöhse, pöhse...

Dazu kommt: Je blöder der Diskutant, desto überzeugter ist er, und desto unbelehrbarer. Solange ich egalitär geglaubt habe, dass diese Menschen auch vernünftig denken könnten, wenn sie sich nur anstrengten, haben mich solche Leute furchtbar aufgeregt, denn wer entweder keine folgerichtigen Argumente aufbauen, oder die Folgerichtigkeit eines Arguments nicht nachvollziehen bzw. nachweisen kann, wo der logische Fehler lag, macht es aus böser Absicht und damit nur, um andere zu ärgern.

Inzwischen bin ich nicht mehr davon überzeugt, sondern denke mir, jeder hat vom lieben Gott seinen unterschiedlichen Satz an Begabungen mitbekommen, und man muss die Leute eben so nehmen, wie sie sind, und manche davon können halt nicht denken. (Wobei ich keinesfalls behaupten will, *ich* könne denken. Ich denke in der Summe maximal eine Stunde pro Jahr. Und die meisten Dinge, die ich an anderen bewundere, kann ich selber gar nicht oder sehr schlecht.) Und darunter sind durchaus eine ganze Reihe von Leuten mit "akademischen Abschlüssen".

Kann man das systematisch vermitteln? Ich weiß es nicht. Die Probleme des Lernens und des Lehrens faszinieren mich mein ganzes Leben schon, aber:

"Da steh ich nun, ich armer Tor
und bin so klug, als wie zuvor."

Beste Grüße,
Arda
ai19
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Re: Traurig...

Beitrag von ai19 »

agathon hat geschrieben:
22.04.2019 17:43
Diese mnemonischen Geschichten beziehen sich primär ja auch bloß auf das erinnern und nicht auf das verstehen. Darüber sollte man sich bei dieser Diskussion immer im Klaren sein. Denn über eine Technik zu verfügen, Inhalte eines Buches (vulgo: Wissen oder content) sich effizient so anzueignen, dass man ihn auch wiedergeben kann, ist nicht gleichbedeutend damit, diesen Inhalt auch verstanden zu haben.

Grüße

agathon
Das ist vollkommen richtig, agathon.

Wenn ich ergänzen darf: Mnemo-Tricks. Das ist etwas, von dem ich überzeugt bin, dass es mit ausreichend Training ganz sicher funktioniert.

Es geht aber nicht so einfach, wie das diese "Werde zum Superhirn in 5 Minuten"-Bücher einem verkaufen wollen. Die Gedächtnishaken, an denen man seinen Kram aufhängt, muss man genauso pauken, bis man sie sicher drauf hat. Und auch wenn man sich eine räumliche Formation nehmen will, um sich Sachen zu merken, muss man diese auch erst pauken, bis man sie sicher wieder ausspucken kann.

Dann aber funktionieren sie ganz gut.

Aber ich habe das für mich nicht weiter verfolgt, weil ich darin für mein Studium keinen Mehrwert gesehen habe. Es war für mich viel bequemer, mich direkt an wichtige Gleichungen und Konzepte zu erinnern.

Dann gibt es noch den fatalen Irrtum, dass "verstanden haben" gleichbedeutend ist mit "sich erinnern können". Das ist absolut falsch.

Als junger Mann habe ich viel Respekt vor meinen Professoren gehabt, die da sagten: "Es ist wichtig, dass Sie das verstanden haben, Sie sollen das nicht auswendig lernen."

Das habe ich wörtlich genommen. Ich habe also die Sachen nachgerechnet, verstanden, konnte sie auch reproduzieren, Haken dran. Und mehr als einmal saß ich in der Klausur und dachte: Moment. Das hast du gerechnet. Das hast du verstanden. Wie war das nochmal? Mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf das Ergebnis. Und dabei hatte ich ein ganz passables Gedächtnis. Es war dumm von mir, das nicht zu nutzen.

Es stimmt schon, dass man sich Dinge, die man nicht verstanden hat, nur sehr schwer oder gar nicht merken kann. Die Umkehrung ist aber nicht, dass man sich automatisch alle Dinge merkt, die man verstanden hat.

Ein "=>" bedeutet nicht automatisch ein "<=". Aus "Otto wohnt in München" kann man schließen, dass Otto in Deutschland wohnt. Aber aus "Otto wohnt in Deutschland" kann man nicht schließen, dass Otto in München wohnt. Übrigens auch ein beliebtes Idiotenargument in Talkshows, dieser falsche Umkehrschluss. Vielleicht hat sich das ja inzwischen gebessert; ich schaue sowas seit Jahren nicht mehr.

Beste Grüße,
Arda
Antworten

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