Ich kaufe in der Regel planlos. Den Hebelfüller hatte ich zuerst ersteigert und dann gegoogelt: Die Firma Edac war ein französischer Hersteller, der schwerpunktmäßig Bleistifte produzierte. Nach einer Kooperation mit Aurora (man bot ein Schreibset aus Aurora-Füller und Edacoto-Bleistift an) gewann die Produktion eigener Füllfederhalter an Gewicht. Die ersten Edacoto 104 orientierten sich mit Flattop und Kugelclip noch am Parker Duofold, ab 1937 erhielt der Füller einen gestuften Clip, der lauthals "Art Deco!!!" schrie. Produziert wurde der 104 (benannt wohl nach der Hausnummer des Firmensitzes) noch bis 1943. Ende der Fünfzigerjahre verschwand die Firma Edac vom Markt.
Mein Exemplar kam am Mittwoch an, ließ sich anhand des Clips in die Zeit zwischen 1937 und 1943 datieren und sah aus, als sei es gerade aus der Ladenvitrine gekommen: Glänzendes Zelluloid, stramm sitzende Kappenringe, kaum Korrosion an den Beschlägen, Feder und Tintenleiter sehr sauber. Benutzt war der Füller, beim Wässern färbte sich das Wasser blau. Die Demontage förderte einen leeren Schaft zutage, in dem zwar die Druckplatte noch vorhanden war, der Rest der Druckstange jedoch fehlte. Der 104 erhielt also eine nagelneue Druckstange und einen neuen Tintensack.
Dann das Malheur.
Die Federschenkel waren leicht übereinander geschoben, weshalb ich sie auf dem Federblock bearbeitete. Ich habe schon Mechaniken und Schäfte geschrottet. Aber noch nie eine Feder. Bis jetzt. Jetzt rutschte die Feder nach vorne über den vorderen Rand des Blocks, ich rutschte mit der Rolle hinterher, und die schöne alte Feder hatte einen Knick.
Merde!
Einen alten Füller zu schrotten ist viel schlimmer als einen neuen zu beschädigen. Er hat Jahrzehnte überdauert und ist durch viele Hände gegangen. Da will man nicht der Honk sein, der die Feder verbiegt.
Ich zog das misshandelte Teil vorsichtig wieder gerade, setzte sie auf den Leiter und schob beides ins Mundstück. Tankte den Füller. Und siehe da: Die Feder schrieb. Was für ein Glück.
Ich setzte die Kappe auf und schraubte sie zu, was sich irgendwie komisch anfühlte. Also schraubte ich sie wieder ab. Und war fassungslos. Der Tintenleiter hatte wohl nicht tief genug gesessen. Jedenfalls war die Feder wieder geknickt. Mein Selbstwertgefühl auch.
Während ich die Feder ein zweites Mal glattzog, beschloss ich daher, dass dieses zweifache Unglück auf gar keinen Fall meine Schuld sein konnte. Nein, hier konnten nur finstere Mächte am Werk sein. Bestimmt hat diese Feder in ihrem langen Leben etwas derart Garstiges geschrieben, dass sie von ominösen Tintengöttern mit Fluch und Bann belegt ward. Darum sah der Füller auch noch aus wie neu. Weil niemand damit schreiben konnte.
(Die Schreibprobe auf dem letzten Foto wurde durch das Tragen einer Aluminium-Kopfbedeckung ermöglicht.)



