Eine kultivierte Handschrift?!

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Wie gut ist Ihre Handschrift, und wie zufrieden sind Sie damit?

Ich finde meine Handschrift schön bzw. schön genug und bin mit ihr zufrieden.
172
46%
Meine Handschrift ist vielleicht nicht schön oder für Dritte leicht lesbar, aber mich stört das nicht weiter - ich habe mich damit soweit abgefunden.
55
15%
Ich bin mit meiner Handschrift ziemlich unzufrieden. Irgendwann müsste ich mal was dagegen tun...
144
39%
 
Abstimmungen insgesamt: 371

Josh
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von Josh »

Hallo Julia,

bitte nichts für Ungut, aber die Stifthaltung auf dem eingestellten Bild erscheint mir für meine Begriffe schon etwas "exotisch". Ich kann mir kaum vorstellen, dass man so eine ordentliche Schrift hinbekommen können soll - ich lasse mich aber auch gerne eines Besseren belehren.

Zu meiner Schulzeit gab es noch Noten für Schönschreiben, es wurde also offenbar noch Wert auf ein ordentliches und leserliches Hand-Schriftbild gelegt. Uns wurde damals eine Stifthaltung nahegelegt, bei der das Griffstück einerseits seitlich auf dem untersten Glied des Mittelfingers aufliegt und andererseits die Fingerspitzen von Zeigefinger und Daumen unmittelbar einander gegenüber locker von oben auf dem Griffstück aufliegen. Auf diese Weise wird der Stift an drei Punkten, die in etwa ein gleichseitiges Dreieck um das Griffstück bilden, sicher gehalten. Wichtig ist dabei, nicht zu kräftig zuzupacken, da sonst die Hand beim Schreiben schnell verkrampft.

Zum Schönschreiben habe ich (irgendwo im iNet) eine englischsprachige Anleitung gefunden, wonach die Schreibbewegungen nicht aus den Fingern, auch nicht nur aus dem Handgelenk, sondern möglichst aus dem Arm kommen sollen. Das entspricht so ungefähr dem, was ich, teilweise (wegen leicht mitschwingender Sitzbänke) zum Leidwesen meiner Kommilitonen, immer schon praktiziert habe.

Ich verfüge nun nicht unbedingt über die schönste oder leserlichste Schrift, ich habe aber festgestellt, dass die beschriebene Stifthaltung und das Schreiben aus dem Arm sehr viel Raum für Veränderungen und damit auch Verbesserungen der Schrift lassen.

Sofern also die gezeigte Stifthaltung nicht auf einigermaßen gesicherten Erkenntnissen fußt, würde ich Dir zum Üben einer schönen Handschrift eher die beschriebene alt hergebrachte Stifthaltung und Schreibweise empfehlen, die Deinen Gewohnheiten mutmaßlich näher liegen dürfte als dieses sicher nicht uninteressante "Experiment".

Viele Grüße
Josh
Zuletzt geändert von Josh am 20.08.2011 20:29, insgesamt 1-mal geändert.
Juli407
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von Juli407 »

Hallo Josh,

danke für deine Erklärung.
Das klingt ja schon ganz gut, aber ich gestehe: Ich habe keine Ahnung, wie das aussehen soll :oops:
Kannst du das vielleicht bitte genauer erklären oder ein Foto machen?
Griffstück auf dem untersten Glied des Mittelfingers ist mir klar. Aber der Rest :?:
Viele Grüße,
Julia

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werner
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von werner »

Josh hat geschrieben: Uns wurde damals eine Stifthaltung nahegelegt, bei der das Griffstück einerseits seitlich auf dem untersten Glied des Mittelfingers aufliegt und andererseits Zeige- und Mittelfinger locker von oben auf dem Griffstück aufliegen. Auf diese Weise wird der Stift an drei Punkten, die in etwa ein gleichseitiges Dreieck um das Griffstück bilden, sicher gehalten.
Hallo Josh,
Hallo Julia,

muss das nicht oben im Zitat "Zeigefinger und Daumen" heißen, statt Zeige- und Mittelfinger. Ein passendes Beispiel wäre Peters Bild in diesem Faden:

http://www.penexchange.de/forum_neu/vie ... 5550#p5550

Das zweite Bild zeigt doch so eine Handhaltung recht deutlich. Ich jedenfalls halte meine Hand beim Schreiben so oder so ähnlich.

Viele Grüße
Werner
Leserlichkeit ist die Höflichkeit der Handschrift. (Friedrich Dürrenmatt)
Juli407
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von Juli407 »

Muss mal nachfragen:

So?

Bild
Viele Grüße,
Julia

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werner
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von werner »

Hallo Julia,

genau so .... oder so ähnlich, wie ich schon geschrieben hatte. Aber noch schöner wäre das Bild gewesen, wenn Du es um 90° gedreht eingestellt hättest. :D :D

Viele Grüße
Werner
Leserlichkeit ist die Höflichkeit der Handschrift. (Friedrich Dürrenmatt)
lw7275
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von lw7275 »

Andi36 hat geschrieben:Servus Julia, Servus Lars,

das Buch ist sicher interessant und Deiner These, dass man sich seinerzeit mehr Gedanken zu Schrift/Schreiben gemacht und auch über entsprechende Erfahrung verfügt hat, stimme ich gerne zu.
lw7275 hat geschrieben:... gibt sehr genaue Hinweise zur Körper- und Handhaltung, wie das Papier zu liegen hat, wie man den Stift fasst ...
Dennoch - ohne Dir nahetreten zu wollen - wenn ich hier Leute vor Pulten sitzen sehe, die ihnen bis zur Brust reichen, eine Stifthaltung, bei der der Stift senkrecht von unten auf die Zeile trifft, dann kommen bei mir schon Zweifel auf...
Ich muss z.B. meinen Arm regelrecht verdrehen um in diese Stifthaltung zu gelangen - alles Andere als locker und ermüdungsfrei. Ich halte auch nichts davon einzelne Buchstaben zu drillen - da vergeht einem der Spaß am Schreiben im nu.
Hallo Andreas,

ich habe die ersten beiden Übungen und die Sache mit der Handhaltung ausprobiert.
Die Hand- und Armhaltung einzunehmen darf nicht krampfig werden und anstrengen, weil die Arme in der Position schreiben sollen, in die sie von selbst fallen. Das geht bei mir schon mal gut.
Aber die Übungen (Zickzacklinien und Ovale) - ach Herrjeh, die sehen bei mir erstmal noch gar nicht so aus, wie sie sollen. Da steckt noch Arbeit drin!

Meine Herausforderung ist die Bewegung aus der Schulter. Der Schreibarm liegt nur nahe des Ellbogens auf der Tischplatte auf, und von der Hand dürfen nur Ring- und kleiner Finger das Papier berühren. So kann die komplette Bewegung federleicht aus der Schulter kommen, aber die ist bei mir noch arg grobmotorisch programmiert. Geeignet, um Sandsäcke zu verdreschen. Anständig schreiben kann ich so noch nicht.

Aber ich übe schön weiter, in der Hoffnung, dass dieses Verfahren tatsächlich zu entspanntem und flottem Schreiben führen kann.

Lars
Josh
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von Josh »

Hallo Julia, hallo Werner,

danke für Eure Hinweise bzw. Nachfrage! Ich habe meinen Beitrag entsprechend korrigiert.

Kurz zusammengefasst: Fingerspitzen von Daumen und Zeigefinger liegen von links und rechts seitlich oben auf dem Griffstück auf, wobei sich die Fingerspitzen entgegen den Bildern unmittelbar einander gegenüber liegen, also nicht längs des Stifts versetzt. Die frei Kontaktpunkte bilden also quasi einen Ring, genauer ein Dreieck, um das Griffstück. Ich hoffe, das war jetzt klar genug?

Diese Griffhaltung ermöglicht einerseits ein sicheres und entspanntes Halten und Führen des Füllhalters. Und auch wenn ich bevorzugt aus dem Arm heraus schreibe, sind doch kleine Korrekturbewegungen aus den Fingern heraus möglich. Eine perfekte Handschrift ausschließlich aus dem Arm heraus stelle ich mir schwierig vor, weil der Arm wohl weniger Feinmotorik aufweist, als die Finger.

Die Fingergelenke dürfen dafür aber keinesfalls durchgestreckt, also nicht in Gelenksendstellung, sein. Ich möchte wirklich Niemandem zu nahe treten - sehr lange Fingernägel können (ähnlich wie etwa auch beim Spielen von Tasteninstrumenten, wie Klavier oder "Quetschkommode") dabei etwas hinderlich sein, weil sie eben unter Umständen ein Durchstrecken der Fingergelenke erzwingen.

Aber bitte - ich habe das Schreiben damals so gelernt und praktiziere es so als nach meinen eigenen Erfahrungen für mich richtig bis heute. Das heißt aber nicht, dass es nicht vielleicht viel bessere Techniken gibt.

Ich würde mich freuen, wenn Dir Julia, meine Hinweise weiterhelfen sollten.

Viele Grüße
Josh
Juli407
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von Juli407 »

Hallo Josh!

Danke für deine Erklärung.
Habs grad eben nochmals probiert. Meinst du das so?

Bild
Viele Grüße,
Julia

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Josh
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von Josh »

Hallo Julia,

ja, genau so meinte ich es.

Zwei Punkte fallen mir im Vergleich zu meiner Haltung auf.

1.) Du greist das Griffstück, soweit ich das erkennen kann, im Vergleich zu mir weiter vorne, also Richtung Feder. Wenn die Perspektive nicht täuscht, scheinen dadurch Deine Nägel dem Papier und auch der Feder "gefährlich" nahe zu kommen.

Der Abstand der Fingerspitzen zur Federspitze wirkt sich bei mir im Anstellwinkel der Feder aus, d.h. je weiter vorne bzw. näher der Feder die Finger, desto steiler der Anstellwinkel. Maßgeblich ist hier aber auch die Länge der Feder.

Für mich bevorzuge ich meist einen relativ flachen Anstellwinkel, daher greife ich beispielsweise meinen MB 146 am oder knapp unterhalb des Kappengewindes - dies gilt für "normales" Schreiben. Ein flacher Anstellwinkel hat für mich den Vorteil, dass die Feder leichter läuft und darüber hinaus die bei vielen Forenteilnehmern so geschätzte Strichbreitenvariation beim Schreiben sich fast schon automatisch einstellt, wobei die Elastizität der Feder natürlich eine große Rolle spielt.

Bei sehr kleiner Schriftgröße, z.B. Korrekturen in maschinengeschriebenen Texten, neige ich auch dazu, den Füllhalter näher der Feder zu Greifen, was mir erhöhte Präzision bei sehr kleiner Schrift ermöglicht - das ist dann fast schon eher ein "Zeichnen mit Tinte".

2.) Bei Dir ist das untere Gelenk des Zeigefingers durchgestreckt. Dies dürfte die Möglichkeit für Ausgleichsbewegungen aus den Fingern heraus einschränken.

Ich hoffe, meine Hinweise helfen Dir ein bisschen weiter.

Viele Grüße
Josh (der das schöne Wetter jetzt für eine genüssliche Rennrad-Ausfahrt nutzen wird)
Juli407
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von Juli407 »

Hallo Josh!

Vielen Dank für deine Tipps!
Ich werde weiter probieren :wink:
Viele Grüße,
Julia

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Saarländerin
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von Saarländerin »

Liebe Freunde und Freundinnen schöner Schreibgeräte und des schönen Schreibens,

in dieser Woche durfte ich wieder zu Gast sein im "Füllfederhalter-Paradies" unseres saarländischen Forenkollegen.
(Erstanden habe ich neben einem genialen Etui für 12 Schreibgeräte als „immer dabei“ selbstverständlich auch neue FH).
In der Erinnerung an dieses „Füllfederhalter-Paradies“, die hochinteressanten fachlichen Informationen und in Anbetracht meiner wachsenden Sammlung lässt mich ein Gedanke nicht los, der womöglich manch anderen Penexchangler angesichts des vielfältigen Angebots in der Schreibwaren-Branche auch ab und an beschäftigt:
...
Es geht mir um die Relation hervorragendes Schreibgerät versus Resultat, sprich Handschrift.
Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich – aber ich versuch es dennoch damit:
Wenn ein Handwerker das für den Auftrag bestmögliche Werkzeug zur Verfügung hat und dennoch nur unteren Durchschnitt (oder noch weniger) liefert, dann ärgert man(n)/frau sich. Bestmögliches Werkzeug definiere ich in unserem Bereich als einen FH, der gut in der Hand liegt, der den gewünschten Tintenfluss aufzeigt und dessen Feder die gewünschten Eigenschaften bringt, der stets willig anschreibt, kurz gesagt: der technisch, haptisch und optisch den vom Besitzer an ihn gestellten Anforderungen entspricht. Wie wohl viele hier, besitze ich durchaus „bestmögliches Werkzeug“. Aber das Resultat – meine Handschrift – lässt leider (nach mehr als 50 Jahren FH-Nutzung!) keineswegs darauf schließen.
Womöglich liegt auch eine Art „Trigger“ in besonders schönen hochwertigen Füllfederhaltern, nun auch besonders schön, elegant, wie auch immer, damit schreiben zu wollen/sollen – und die Schrift wird dadurch eher noch unansehnlicher als sie schon ist?
Wer kennt das Problem?
Wie geht Ihr damit um?
...
Richtig, die Handschrift wurde hier schon oft diskutiert. Was mir aber in diesen Diskussionen bisher fehlt, sind die Resultate der wie auch immer gearteten Bemühungen und Methoden.
Hat jemand tatsächlich eine (in seinen Augen) Verbesserung erreicht?
Wenn ja, wodurch?
Besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen „ansprechende Handschrft = "guter" FH und unbedingt auch für den berühmten „fremden Dritten“ gut leserliche Handschrift?
Oder ist eine „schöne Handschrift“ exakt die Handschrift, die dem Schreiber selbst gefällt?
Weiter:
Sollte an einem beliebigen Text (z.B. aus der Tageszeitung abgeschriebener Artikel) erkennbar sein, ob mit einem Billigexemplar oder einem hochwertigen FH geschrieben wurde (mal unabhängig von der Federart)?
...
Meine ganz betrübliche Erkenntnis, schon inmitten des "Füllhalter-Paradieses" (und exakt deshalb habe ich den Besuch dort an den Anfang meines Beitrags gestellt, denn ich hätte ich bei hervorragender Beratung wohl die meisten meiner FH-Träume an Ort und Stelle erfüllen können): das Resultat meiner Bemühungen auf dem Papier in Form meiner Handschrift wird nicht anders sein, auch wenn ich noch jede Menge weiterer, unterschiedlichster FH kaufe...

Sehen wir in der Realität den FH doch eher als Schmuckstück denn als Werkzeug?
Die Realität bedeutet für mich, in älteren, handgeschriebenen Unterlagen zu blättern und nicht zu wissen bzw. auch nur zu ahnen, ob der Text mit einem Billigheimer oder einem in Fachkreisen anerkannt erstklassigen „Werkzeug“ geschrieben wurde.
Sollte die begeisternde "Realität" des Schreibens mit einem hochwertigen, schönen FH getrennt werden von der oft sehr viel weniger begeisternden "Realität" des Ergebnisses auf dem Papier?
Um nochmal den Handwerker zu bemühen: ein Fachmann kann auch mit schlechtem bzw. für ihn und/oder den Auftrag wenig geeigneten Werkzeug mit viel Engagement und Können gute Arbeit abliefern.
Ich kann dies (in meinen Augen) mit gleichgültig welchem FH auch immer nicht.
...
Dieserhalb und desterwegen: wer hier hat wie eine „schöne Handschrift“ durch Üben mit einem erstklassigen FH (statt mit einem einem Billigheimer) erfolgreich erlernt?
Ist dieses „Üben“ nicht eine Art, sich zu verbiegen in eine Richtung, die zwar anstrebenswert, aber letztlich doch weniger zufriedenstellend realisierbar ist als die angeborene „Sauklaue“ (sorry).
Ist und bleibt es "meine" Handschrift, wenn ich mich an für mich gefälligeren Handschriften orientiere?
...
Ich bin nicht der vielzitierten Ansicht, dass der Weg das Ziel ist – eher denke ich, wer das Ziel nicht kennt, braucht auch den Weg dahin nicht zu wissen.
Ist es aber, ganz nüchtern und sachlich formuliert, das Ziel, selbstbewusst und schulterzuckend akzeptieren zu können, dass die eigene Handschrift sich nur unwesentlich ändern wird nach mühseligen, frustrierenden Übungen und dem Erwerb wieder eines neuen FH, dass die ergebnisorientierte Denke fehl am Platz ist, weil es einfach mehr Freude macht, mit einem (in den eigenen Augen) „schönen, erstklassigen“ FH zu arbeiten/schreiben und das Resultat (der Text auf dem Papier) nachrangig ist – weil schon der nächste noch schönere FH griffbereit auf dem Schreibtisch liegt?

Kann mir jemand helfen, das Ziel besser zu definieren und den Weg dahin zu finden?

(Leider nur wenig) zielführende Wochenendgrüße von Roswitha
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Andi36
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von Andi36 »

Guten Morgen Roswitha,

ich bin mir nicht sicher, ob ich 100-prozentig den Punkt treffe, aber ich will es mal versuchen:

Also ich könnte im Nachhinein auch nicht mehr erkennen, ob ich einen Text einst mit einem perfekten Füller oder einen Billigheimer, wie du sagst, geschrieben habe, solange dieser nicht mit Aussetzern, etc. auffällt.

Ich denke, dass ein gutes Werkzeug - oder besser gesagt das richtige Werkzeug - die Möglichkeiten nach oben öffnet, aber deswegen schreibt man noch lange nicht schöner. Die Frage ist auch: was ist "schön schreiben"?
  • dass man bei "e" die Schlaufe schön ausformt und nicht kollabieren lässt, so dass es wie ein "i" ohne i-Punkt aussieht?
  • dass die "e" alle gleich hoch sind?
  • dass die Buchstaben auf der Grundlinie sitzen und nicht mal drüber, mal drunter?
  • dass die "e" nicht größer sind als die "l"?
  • dass die Abstände zwischen den Buchstaben bzw. zwischen den Wörtern gleichförmig ausfallen?
All diese Dinge kann ich mit dem Billigheimer genauso erreichen wie mit dem perfekten Füller (oder eben auch nicht).

Oder ist eine schöne Schrift das was uns Pejole so beneidenswert demonstriert? Dafür braucht man das perfekte, oder besser gesagt das richtige Werkzeug.

Ich war früher auch sehr unzufrieden mit meiner Handschrift, aber ich habe meine Einstellung geändert. Nicht dass ich die "Sauklaue" achselzuckend akzeptiere, aber ich habe mir klar gemacht, dass eine Kunstschrift eben keine Schreibschrift ist. Siehe noch mal das Beispiel von Pejole - die Gegenüberstellung.
Außerdem meine ich, dass man seine Schrift nicht verleugnen sollte. Du schreibst zum Beispiel sehr eng und aufrecht mit extrem kurzen Oberlängen, meine Handschrift ist dagegen ausladend und mit starker Rechtsneigung und besonders großen Oberlängen - das ist der grundlegende Charakter unserer beider Schriften und ich würde NIEMALS versuchen daran etwas zu ändern, denn wir würden uns verleugnen - es ist das Resultat von 50, respektive 40 Jahren Schreibens. Mal abgesehen davon, wäre eine Änderung an diesen Grundzügen so hoffnungslos (sicher nicht unmöglich), aber auch sinnlos wie die Umstellung vom Rechtshänder zum Linkshänder.

Das heißt aber nicht, dass man an seiner Schrift nichts machen kann oder soll, wenn man mit ihr nicht zufrieden ist. Das entscheidende ist herauszufinden, was genau einem an der eigenen Schrift stört. Das hört sich trivial an, mir ist das aber sehr schwer gefallen, und fällt mir immer noch sehr schwer. Wie Du schreibst möchte man ja gern im Sinne Dürrenmatts (siehe Werner's Signatur), dass andere die eigene Schrift lesen können - Fakt ist, dass Du genau über die Punkte, über die der Andere stolpert hinweg sehen wirst. Beispiel: das "e", das wie ein "i" aussieht. Es wird einem selbst nicht auffallen, denn man schreibt seit Jahrzehnten so und dort, wo der Andere ein "i" sieht, sieht man selbst eben ein "e". (weiß nicht ob das klar geworden ist?) Mir ist zum Beispiel erst vor ein paar Wochen aufgefallen, dass meine "i"-Punkte aufgrund der starken Neigung oft über dem nächsten Buchstaben platziert sind und dem "i" kaum mehr zuzuordnen.

Aber das sind Kleinigkeiten, ich denke, eine schöne Schrift macht in erster Linie das Schriftbild aus. Damit meine ich Regelmäßigkeit und Rhythmus in der Schrift. Dazu gehören z.B. gleichbleibende Abstände zwischen den Buchstaben sowie zwischen Wörtern. Ich mache ganz gern mal größere Abstände zwischen Buchstaben innerhalb eines Wortes als Abstände zwischen den Wörtern - das zerreißt die Schrift und macht dem Gegenüber das lesen schwer. Auch das Einhalten der Grundlinie sowie der Größenverhältnisse von Grund-, Ober- und Unterlängen haben enormen Einfluss auf das Schriftbild und erhöhen die Lesbarkeit der Schrift stark.
Das bedeutet zwar noch lange nicht, dass die Schrift für Andere leicht lesbar ist, doch um auf den sehr unterschiedlichen Charakter unserer beiden Schriften zurückzukommen: wer Eine davon gut lesen kann wird mit der Anderen erst mal Probleme haben - ABER: wenn die Regelmäßigkeit in der Schrift gegeben ist, dann gewöhnt man sich an sie und sie ist auf einmal leicht lesbar.
Eine Analogie: Ich muss häufig mit Franzosen auf englisch kommunizieren. Beim ersten Kontakt habe ich trotz guter englisch-Kenntnisse fast nichts verstanden, es war der französischen Sprachrhythmus mit dem ich nicht klar kam; inzwischen habe ich mich so daran gewöhnt, dass es mir gar nicht mehr auffällt.

An einer schöneren Handschrift (also nicht Kunstschrift) lässt sich mit jedem beliebigen (aber vernünftigen) Füller arbeiten. Mit dem optimalen Füllhalter macht es halt mehr Freude - unter der Voraussetzung, dass man akzeptiert hat, dass es allein durch den optimalen Füllhalter nicht besser wird.

Irgendwelche Trainingsmethoden kann ich nicht empfehlen, glaube aber, dass das Erlernen einer Kunstschrift oder die Kalligraphie hilfreich ist um die eigene Schrift "analysieren" zu können, d.h. mit anderen Augen zu betrachten.

Soweit meine Meinung.
Andreas
Zuletzt geändert von Andi36 am 07.11.2011 20:23, insgesamt 1-mal geändert.
werner
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von werner »

Hallo Roswitha,
Hallo Andreas,

viele Argumente Euerer Postings kann ich nachvollziehen und habe mir gedacht, ich brauche nicht zu antworten. Aber trotzdem möchte ich ein paar Worte dazu sagen. Seit Jahren gefallen mir Kalligraphie-Schriften, gefällt mir Copperplate. Der Aufwand der für mich damit verbunden wäre das zu praktizieren ist mir persönlich zu groß. Deshalb werde ich für die weitere Zukunft mit meiner Schrift zufrieden sein. Ich stimme Andreas besonders im dem Punkt zu, dass das Schriftbild eines Briefes, einer Mitschrift etc. ausschlaggebend ist. Ich habe hier im Forum in diversen Postings sehr viele Schriftbeispiele gefunden die ich als ästhetisch und für meine Begriffe sehr gut lesbar empfunden habe. Und das ist für mein Empfinden durch regelmäßiges Schreiben zu erreichen, ohne dass man dafür besonders "üben" muss. Das ist für mich ein Grund gewesen, wieder alles was möglich ist mit der Hand zu schreiben.

Einen Einfluss der Wertigkeit des verwendeten Schreibgerätes auf die Schrift bzw. das Schriftbild kann ich nicht nachvollziehen. Es ist aber für die Person die schreibt ganz sicher ein viel schöneres Gefühl mit einem Schreibgerät zu arbeiten, das durch Haptik als angenehm und durch Aussehen als "schön" empfunden wird. Das sich das dann auch auf die Schrift auswirkt, kann ich mir wieder gut vorstellen. Wobei << schön >> ganz sicher für jeden von uns eine andere Bedeutung hat und so soll es auch bleiben.

Es lebe die Vielfalt und viele Grüße
Werner
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Thomas Baier
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von Thomas Baier »

Hallo allerseits!

Für mich hat sich die Handschrift durch das vermehrte Schreiben mit der Feder deutlich gebessert. Es ist das leichte und unverkrampfte Schreiben, das gefördert wird.

In der Regel kann ich am Schriftbild erkennen, welchen Füller ich (damals) benutzt habe. Zwischenzeitlich versuche ich durch die Auswahl einer geeigneten Tinte die Eigenschaften einer Feder zusätzlich zu verbessern. Gerade auch Schattierungseffekte sind sehr schön und die eigene Schrift wird lebendiger. Man freut sich viel mehr, seine eigene Schrift (nach) zulesen.

Schade ist es, daß moderne Federn mit ihren Kugelspitzen durch die geringe oder verschwindende Strichvariation sehr dazu beitragen, daß eine Füllhalterschrift kaum von einem Rollerball-Erzeugnis zu unterscheiden ist.

Beim Füllhalter kommt es aber auch darauf an, daß alles paßt. Eine Feder muß sofort anschreiben, der Tintenfluß muß OK sein usw. Das ist naturlich alles komplizierter.

Mir fällt aber auf, daß ich beim Schreiben mit der Feder, egal welcher Preisklasse, daß der Wert des Geschriebenen als solches steigt. Von einer Unterschrift ganz zu schweigen.

Bei vielen, mit denen ich gesprochen habe, kommt aber der Durchbruch hin zu einer eigenen Wertschätzung des Selbstgeschriebenen dann, wenn eine alte Feder benutzt wird, die überragend schreibt. Dazu gehört auch das Füllen des Halters, etc.

Ich stimme absolut zu, daß auch Haptik und (Material-) Qualität des Füllhalters für den Schreibgenuß von mitentscheidender Bedeutung sind. Hier setzt auch die Goldfeder an.

Gerade für meine Tätigkeit muß ich aber auch mit robusten einfachen Füllhaltern arbeiten. Sonst ist ruckzuck ein hochwertiger Schreiber beschädigt (Feder oder Oberfläche).

Viele Grüße
an Euch alle
Euer Thomas
selector24
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Re: Eine kultivierte Handschrift?!

Beitrag von selector24 »

Hallo,

nachdem die Wintersaison naht, mal ein anderer Vergleich.
Wer kennt sie nicht, die Touristen aus dem Flachland, die mit mehre 1000€ teuren ausrüstungen vor den Skihütten sitzen. Und nach einem Tag anstrengendem Sonnenbaden im schönen Gebige im gequälten Stemmpflug talwärts rutschen.

Es ist nunmal so dass das Equipment nur einen verschwindend kleinen Anteil am Ergebnis hat, an erster Stelle steht immer noch das KÖNNEN.

Für eine schöne Schrift reicht ein Schreibgerät das funktioniert, und sowas gibts für ein paar €€.
Wenn das Schreibgerät dem Schriftbild auch noch Fehler wie Klekse und Aussetzer hinzufügt ist das natürlich kontraproduktiv, aber von solchem Schrott reden wir hier ja ohnehin nicht.

Allerdings kann natürlich ein edles Schreibgerät dazu führen dass man sich mehr mit seiner Schrift beschäftigt - aber eine schöne Handschrift gibts nur durch üben.

lg

Wolfgang
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