
Das der Füller sich am Ende als so ein „Knaller“ entpuppt und mich regelrecht vom Hocker gehaun hat, konnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht mal ansatzweise erahnen.
Ich hab ja eher mit etwas in der Güteklasse „kann man grad mal gelten lassen“ oder „Hauptsache er funktioniert halbwegs“ gerechnet.
Aber das war mal wieder der sprichwörtliche Schatz, der unterm Misthaufen versteckt war.
Aber zuerst - wie immer - die technischen Daten.
Marke: Superior
Modell: W3JD5AC1101252 (Kurz: W3JD)
Material: Messing / Rosenholz
Federstärke: "M"
Länge: 15,0 cm
Schaft: 13mm
Griffstück: 10mm → 9mm verjüngend
Gewicht: 30g
Befüllsystem(e): Patronen, Konverter (int. Standard)
Preis: 3,84 € (je nach Tagesangebot)
Bezugsquelle: AliExpress - Vintage Luxury Wooden Copper Fountain Signature Pen ... W3JD
Erster Eindruck:
Wie zu erwarten, kam der Füller in der für Chinaware typischen Zellophanhülle, weiter umwickelt mit 3 Lagen Luftpolsterfolie in einem weiteren Luftpolsterumschlag.
In dieser Hinsicht: Cliché erfüllt!
Befreit von all dem Plastik (geht das echt nicht anders?) kommt ein Füller zum Vorschein, der optisch schon mal so richtig gut gefällt. Was ja auch einer der Hauptgründe für den Kauf war. Nich zuletzt, weil ich sehr auf Füller aus Rosenholz oder Sandelholz stehe. Ebenholz oder sog. Tiger-Wood sind da aber eher optisch nicht mein Fall.
Egal. Der hier ist aus Rosenholz und damit genau mein Beuteschema.
Aber, oh Mann, schon die erste Berührung…
Einfach der Hammer!!
Der fühlt sich so toll, so angenehm und so interessant an, man will es kaum glauben, geschweige denn in Worte fassen!
Diese Mischung, dieser Kontrast zwischen dem warmen und seidig weichen Rosenholz zu dem kühlen, glatten und schweren Messing, dass ist einfach der Wahnsinn. Worte allein werden dem schlicht weg einfach nicht gerecht.
Und nahezu sofort fällt auch eines unweigerlich auf:
Er hat keinen Clip oder Rollstopper.
DAS jedoch empfinde ich bei diesem Füller als geradezu perfekt.
Hier würde ein Clip oder Rollstopper einfach nur störend wirken und die schlichte aber elegante Optik einfach nur kaputt machen.
Der erste Eindruck also war schon mal absolut überraschend und überwältigend.
Aber man weiß ja:
Der schönste Füller taugt nix, wenn er nicht angemessen schreibt.
Und ob er das tut, dazu kommen wir dann noch weiter unten.
Material und Verarbeitung:
Das Material ist grundsätzlich erst mal schlichtes Messing und stinknormales Rosenholz.
Aber hier macht die Verarbeitung etwas besonderes daraus.
Das Rosenholz ist wundervoll glatt und seidig weich geschliffen, so das es eine wahre Freude ist, es zu berühren.
Nie hätte ich erwartet das die Übergänge von Holz auf Metall so angenehm sanft sind.
Natürlich spürt man sie, aber eben ganz verhalten. Es gibt keine merklichen Absätze von Schaft zu Kappe.
Das Griffstück ist ebenfalls komplett aus glatten aber leicht gebürsteten Messing, so das es sich sehr angenehm anfühlt ohne jedoch rutschig zu sein.
Zwar hat es hier im Übergang zum Schaft einen deutlichen Absatz, aber der stört keineswegs, da das Griffstück relativ lang ist und einigen Spielraum für die Fingerhaltung lässt.
Der Schaft sitzt auf einer kurzen Messinghülse, die das Gewinde zum Griffstück bildet.
Insgesamt ist damit der Füller sehr sauber und sehr solide Verarbeitet, was bei einem Preis von guten 3,80 € schon regelrechte kognitive Dissonanzen auslöst.
Wie kann etwas derart günstiges so gut, so hochwertig verarbeitet sein??
Haptik & Ergonomie:
Über die Haptik im geschlossenen Zustand habe ich ja schon ausreichend geschwärmt.
Da muß ich nicht weiter mit vielen Worten um den heißen Brei reden.
Aber auch geöffnet und in Momenten der Benutzung fühlt sich dieser Füller doch sehr angenehm an.
Zumal ja ein Teil des Gewichts weg fällt ohne Kappe.
Wie soll ich es kurz gefasst erklären?
Er liegt einfach standardmäßig gut in der Hand und gibt keinen Anlaß zur Klage.
Ergonomisch betrachtet ist er zwar kein Meisterwerk, aber auch kein Unding.
Er lässt sich normal halten, liegt vernünftig in der Hand und ist sehr gut kontrollierbar.
Die Feder:
Jetzt kommt’s. Die Königsdisziplin beim Füllerbau bzw. dessen Zusammenstellung.
Wie schon gesagt, ein jeder Füller ist am Ende immer nur so gut, wie er auch schreibt.
Und was soll ich sagen?
Ebenso wie das Material und die Verarbeitung, ist die Feder auch etwas unerwartet besonderes!
Aber das bin ich von Feder dieser Sorte schon gewohnt, denn das ist nicht der erste Füller, in dem genau diese Feder verbaut ist.
Kurz vorweg erklärt:
Diese Federn werden standardmäßig in einigen Modellen von Lanbitou und Dikawen verbaut und – soweit ich weiß – auch von Lanbitou hergestellt.
Zu erwähnen ist da noch, dass anscheinend Lanbitou & Dikawen zusammen gehören. Etwa so wie Jinhao & Baoer, Hero & Wing Sung/Lucky und noch so andere chinesische Konglomerate.
Diese ist schon ab Werk so dermaßen gut, das jedwedes Nachbearbeiten völlig hinfällig ist.
Es ist eine nett anzusehende Feder aus Edelstahl und in Sachen Flexibilität kaum der Rede wert.
Sie ist relativ steif. Was aber verwunderlich ist, denn das Material ist auf der anderen seite derart weich, das man auf keinen Fall zu sehr aufdrücken darf um die Spitzen nicht in den Spagat zu zwingen. Also definitiv nichts für Grobmotoriker!
Aber schreiben tut die… Ein Traum!!
Und wieder entzieht sich mir jedwedes Verständnis darüber, wie etwas so günstiges derart gut sein kann. Aber das hat es auch schon bei meinem Lanbitou und meinem Dikawen.
Befüllung:
Hier gibt es nichts besonderes zu berichten.
Der Füller wird mit einem einfachen typisch chinesischen aber funktionalen Konverter geliefert.
Aber auch ganz normale Patronen lassen sich einsetzen.
Sogar die längeren Pelikan Edelstein Patronen lassen sich gerade noch bequem einsetzen.
Zwar „schleifen“ sie leicht zum Schaftende hin, verklemmen aber nicht und bleiben beim öffnen des Schafts weiter im Tintenleiter stecken.
Demnach dürften auch andere Großraumpatronen relativ gut passen.
Alles natürlich im internationalen Standard.
Schreibprobe:
Da wir nun auch geklärt haben das die Feder exzeptionell gut ist, kommen wir auch ohne Umschweife zum Testbogen mit den Daten und der kleinen Schreibprobe.
Ich nutze das ja grundsätzlich für meine ersten Tests, da dieses Papier zu den etwas raueren in meinem bescheidenen Fundus zählt und ein guter Indikator für die Qualität von Federn ist.
Eine Feder, die sich auf diesem Papier unangenehm bis übel anfühlt, ist bei mir grundsätzlich durchgefallen.
Aber selbst hier glitt die Feder so über das Papier, dass es eine wahre Freude war.
Fazit:
Ich habe beim Kauf dieses Füllers mit so ziemlich allem gerechnet, aber sicher nicht mit einer so überragenden Qualität und Verarbeitung.
Insgesamt betrachtet würde ich diesen Füller – wäre ich in vollkommener Unkenntnis von Preis und Herkunftsland – locker in die Riege der hochwertigeren Produkte zwischen 80,- bis 150,- einschätzen.
Und selbst jetzt, mit dem Wissen um Preis und Herkunftsland, wäre ich durchaus geneigt gut und gerne mal locker 20,- € oder 25,- € dafür hin zu legen. Das wäre er mir auf jeden Fall wert.
Es ist echt faszinierend was für Perlen man doch so durch Zufall finden kann.
Aber noch viel faszinierender ist es, wie man mit diesen Materialien, der Produktion und dem inkludierten Versand so einen lächerlich geringen Preis veranschlagen kann!
Und das bei einer derart überragenden Qualität!!
Und mit Sicherheit werde ich noch einige Monate lang jedes mal, wenn ich diesen Füller in die Hand nehme, in Ehrfurcht und Fassungslosigkeit verfallen.
Ich hoffe es hat Euch mal wieder gefallen und ich konnte vielleicht sogar für den einen oder anderen hier eine Inspiration sein.
P.S.
Ein Video dazu sollte eigentlich schon Mittwoch online gehen, aber es kam mal wieder was privates dazwischen, sodass es mal wieder frühestens Freitag wird.
Aber es kommt mit Sicherheit eines und ich werde es dann hier auch wieder bekannt geben für all jene, die Interesse daran haben.