Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

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Downfall

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Downfall »

Ja, ich werde das mal noch weiter testen :)

Was passiert denn eigentlich schlimmstenfalls, wenn ich mit der Salzsäure noch weiter runtergehe? Ich habe in der ersten Version 1g 25% verdünnte Salzsäure auf 100ml genommen, in der zweiten Version hatte ich die Menge halbiert. Bisher stelle ich da keinen rechten Unterschied fest. Muss ich dann früher mit Ausfällungen rechnen?

Hintergrund meiner Frage: Ich habe hier einen Konverter, der den Anschein macht, als wäre der Kunststoff an einer Stelle etwas angegriffen. Sicher bin ich mir aber nicht, es kann auch nur eine oberflächliche Ablagerung sein die sich mechanisch ablösen lässt. Der Konverter lässt sich leider nicht gut zerlegen, da müsste man verklebte Teile lösen.
Falls der Kunststoff angegriffen ist, wäre es natürlich unpraktisch, wenn das mal im Kolbenfüller passiert. Ich weiß aber auch nicht, aus welchem Kunststoff der Konverter besteht. Ist so ein Con70 von Pilot.
frechy
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von frechy »

Eine Säure ist nach meinen Beobachtungen nötig, um das Eisen löslich zu halten und die Oxidation langsamer ablaufen zu lassen. Eigentlich sind Kunststoffe nicht gerade bekannt dafür, mit verdünnter Säure zu reagieren, aber man weiss ja nie.

Du kannst die Salzsäure durch eine andere Säure ersetzen, das klappt auch. Ausser Phosphorsäure, die geht nicht. Weinsäure geht auf jeden Fall und neuerdings nehme ich Milchsäure, funktioniert hervorragend. Man kommt damit allerdings nicht auf besonders tiefe pH-Werte, aber das kann ja nicht das Ziel sein.

Die Chlorid-Ionen nehme ich in neuen Formulierungen wieder raus, da sie bei tiefen pH-Werten die Korrosion von rostfreiem Stahl unterstützen. Enthält dein Konverter eine Stahlkugel?
Downfall

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Downfall »

Ja, ich dachte mir auch, dass die meisten Kunststoffe mit sowas gut umgehen können...ich schiebe es daher eher auf Ablagerungen, die ich mit Ascorbinsäure nicht wegbekommen hab. Eventuell baue ich den Konverter doch mal auseinander und versuche, das ganze mal abzuwischen.

Vermutlich macht es auch Sinn, den pH-Wert der Lösung zu messen. Aber dazu muss ich mir erst was anschaffen.

Der Konverter enthält ein Stahlröhrchen in der Mitte. Das kommt aber mit der Außenwand nicht in Berührung. Hier sieht man es gut:
https://appelboom.com/de/pilot-con-70-converter/
Helmut
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Helmut »

@ downfall
@frechy
Meine bisherigen Erfahrungen decken sich mit Euren Erkenntnissen. Auch ich hatte in einem Billig-Kolbenfüller Eisenoxid-Ablagerungen. Diese liessen sich nicht auf Anhieb entfernen und verschlissen den Dichtring der Tintenpumpe. Im Sichtfenster verhielt sich die Ablagerung so als würden durch die Auf- und Abwärtsbewegung des Pumpenkolbens Schleifvorgänge verursacht.
Der Füller wurde zerlegt und aufgeschnitten. Es fanden tatsächlich Schleifvorgänge statt und in den Schleifrillen setzte sich weiteres Eisenoxyd ab.
Eisenoxidablagerungen hatte ich auch in Tintenpatronen und der Tintenleiter eines Chinafüllers wurde durch Eisenoxid vollständig zugesetzt. Durch Zusetzen von Weinsäure habe ich dies unterbunden. Den Tintenleiter habe ich übrigens wieder mit einem kleinen Dinamant-Rundschleifkopf wieder säubern können. War fast wie beim Zahnarzt.
2%ige Salzsäurelösung wird zur Entfettung von Glühstümpfen eingesetzt. Liegt das Gewebe zu lange in der Lösung wird der Strumpf brüchig. Mittelfristig wird auch die Hartplastikunterlage angegriffen sowie die Gummiwalzen der alten Wäschemangel von 1900. Noch stärker fallen die Zerstörungswirkungen von Salpetersäure aus, welche zwecks Lösung des Yittriums eingesetzt wird.
Der in der Leuchtfluidlösung getränkte Glühstrumpf wird in der Mangel ausgepresst.
Da wir über die Zusammenstzung der Plastikverbindungen in unseren Füllern nichts wissen, ist es denkbar, daß Säureverbindungen diese möglicherweise auch angreifen und zerstören können.
Hinweis:
Den gedanklichen Ausflug in die Glühstrumpfherstellung wurde lediglich vorgenommen, da die Säurekonzentration deutlich höher ist als bei der Tintenherstellung unter Darlegung der Schäden am Arbeitsmaterial.

Viele Grüße

Helmut
frechy
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von frechy »

Danke für die Ausführungen, Helmut. Sehr spannend und irgendwie witzig, dass Du den Füller für die genauere Analyse aufgeschnitten hast :)

Säuren, die nicht nur den pH senken, sondern das Eisen zusätzlich durch Komplexbildung gelöst halten, erfüllen die Aufgabe der Eisenstabilisierung besser. Deswegen konntest Du wohl die Oxidbildung durch Weinsäure unterbinden. Allerdings darf der Eisen(III)-Komplex nicht zu stabil ausfallen, sonst verhindert er die Bildung des Eisen(III)-gallats.

Ich habe mir einige Komplexstabilitätskonstanten von Säuren oder Komplexbildnern mit Eisen(II)- und Eisen(III)-ionen herausgeschrieben, als Referenz die Stabilitätskonstante von Eisen(III)-gallat. Nach aktuellem Stand sind nur die Phosphat- und EDTA-Komplexe stabiler als der Gallatkomplex.

Das Chlorid der Salzsäure hat einen sehr geringen Stabilisierungseffekt, die Säure würde ich von daher und aus Gründen der Korrosionsunterstützung von rostfreiem Stahl ersetzen.
Downfall

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Downfall »

Von dem bisschen, was ich verstehe, macht es dann für mich auch Sinn, an der Stelle eventuell auf Weinsäure zu wechseln.
frechy
Beiträge: 111
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von frechy »

Die chemischen Hintergrundinfos sind für die Enthusiasten gedacht :)

Ja, ich würde die Salzsäure tatsächlich durch Weinsäure ersetzen. Pro Gramm Eisensulfat Heptahydrat würde ich es mal mit gut der Hälfte Weinsäure versuchen (0,54 Gramm).
Downfall

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Downfall »

Danke :)

Mir schwirrt allerdings immernoch blauer Farbstoff im Kopf herum...mit Indigokarmin hatte es nicht funktioniert, Methylblau hatte ich in flüssiger Form, weil ich sonst keine Bezugsquelle gefunden habe. Auch das hat aber nicht funktioniert. Hat jemand hier eine Bezugsquelle? :)
moniaqua

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von moniaqua »

Inwiefern "nicht funktioniert"? Wie hat sich die Tinte denn damit im Gegensatz zu ohne Farbstoff verhalten?
Downfall

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Downfall »

Es bilden sich starke Ablagerungen auf dem Flakonboden, was da genau ausfällt kann ich nicht sagen. Im Fall von Indigokarmin war es schwarz, da ist vermutlich das Eisen ausgefallen, bei Methylblau hat sich ein weißer Satz auf dem Boden gebildet. Das kann aber durchaus auch an der Tinte selbst und nicht am Farbstoff gelegen haben. Ich müsste da bei Gelegenheit mal einen neuen Test machen. Dieser weiße Bodensatz würde eventuell auf Gummi Arabicum hindeuten, allerdings ist davon, so denke ich, keine riesengroße Menge in der Tinte.
Helmut
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Helmut »

@frechy
es gibt eben aucch Kolbenfüller welche als Wegwerfware hergestellt wurden, z.B. den Reform 1750. Ist die Tintenpumpe hinüber, dann bleibt Dir nichts anderes übrig als den Schaft aufzuschneiden -die wird nämlich beim Zusammenbauen von innen eingeführt. Der Unterteil des Schaftes wird mit dem oberteil zusammengesteckt und mit Plastikkleber verbunden.
Ja, nach der Verwendung von Weisäure waren die Ausfällungen nur noch minimal.
@ Downfall
Tja, die Farbpigmente waren mir vor Jahren schon zu teuer. Weiterhin hatte ich einen hohen Literbestand Königsblau im Lager. Da bot es sich förmlich an diese Tinte zur Farbgebung einzusetzen. Ein weiterer Vorteil von Königsblau ist, daß diese Tinte die Kanäle im Füller sauber hält. Füller fürgelegentlichen Schreibbetrieb sind bei mir mit königsblauer Tinte von Pelikan betankt.
Neulich hatte ich noch einen Restbestand von Tinte mit vielen Ausfällungen. Prima für die Tauchfeder. Habe 5 ml mit der Spitze aufgezogen und in ein Reagenzglas gefüllt. Danach habe ich 1 ccm Tafelessig und 1 ccm Wasser zugegeben. Die Ausfällungen lösten sich ziemlich gut. Schreibprobe mit der Tauchfeder war sehr gut. Dann habe ich 0,3 ml Spülmittelkonzentrat mit 1 ccm Wasser versetzt. Die Tinte habe idh in einen Erlenmeyerkolben gegeben und dann die Spülmittellösung zugegeben und mit dem Glasstab eingerührt. Die Tinte wurde hellblau und die Ausfällungen setzten sich auf dem Boden des Erlenmeyerkolbens ab. Die Tinte ließ sich problemlos in den Testfüller tanken. Dieser schrieb sehr naß mit einem hellen Blauton. Die Oxidation setzt wie erwartet ein, es bildete sich ein blauschwarzes Schriftbild. Im Anschluß befüllte ich einige gereinigte Tintenpatronen und verschloß die Öffnung mit den Kugeln. Nach einer Woche war die Tinte verbraucht. Der Bürofüller wurde zerlegt und gereinigt. Es waren deutlich weniger Ablagerungen in den Tintenkanälen.

Viele Grüße
Helmut
Gast1
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Gast1 »

Downfall hat geschrieben:
18.10.2024 13:17
Es bilden sich starke Ablagerungen auf dem Flakonboden, was da genau ausfällt kann ich nicht sagen. Im Fall von Indigokarmin war es schwarz, da ist vermutlich das Eisen ausgefallen ...
Das war wahrscheinlich eine Redoxreaktion, das Indigokarmin wurde teilweise zum Leukofarbstoff reduziert und als Gegenleistung das Eisen oxidiert, das bildet dann sofort einen EisenIIIgallat-Komplex. Das zeigt aber auch das Grundproblem bei den Farbstoffexperimenten, Ihr wisst (mal abgesehen von frechy) nicht wirklich, was Ihr da macht. Solange das bei Tannin, Gallussäure und Eisensulfat bleibt, ist das wurscht (und frechys Anmerkung zu Chloridionen würde ich nicht vernachlässigen), aber wenn komplexe Chemikalien in der Tinte zerstört werden, dann kann das richtig ungesund werden.
Freizeitsportler
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Freizeitsportler »

Wegen der Ausfällungen und der Frage nach einem geeigneten Farbstoff kann ich berichten, dass die von mir Mitte August diesen Jahres gemischte EG-Tinte keine Ausfällungen zeigt. Die Tinte befindet sich in stabilem Zustand im Versuchsglas. Zwei Monate sind vielleicht auch noch nicht lang genug, um abschließend zu befinden.
Die Mischung kann mit dem EG-Gehalt der selbst angesetzten Tinten natürlich längst nicht mithalten. Sie ist ja sogar eine Verdünnung von "leichteren" Standard-EG-Tinten, also 4001 Blau-Schwarz und R&K Scabiosa mit Pelikan Türkis (8:4:2).
Welche Farbstoffe dabei sind weiß ich gar nicht.
Downfall

Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Downfall »

In den nächsten Tagen werde ich versuchsweise mal eine Variante mit zunächst weniger Tannin und auch mit etwas weniger Salzsäure zu machen.
Weinsäure habe ich vorerst wieder verworfen, da ich einige Seiten vorher wieder gelesen habe, dass die die Oberflächenspannung drastisch senken würde. Die Tinte fließt sowieso schon so gut, das muss vermutlich nicht sein. Ich behalte das, ebenso wie die Ascorbinsäure mal im Hinterkopf (die hab ich zwecks Reinigung sowieso hier).

Ansonsten werde ich auch mal versuchen eine Tinte mit Gallussäure zu machen.
Gast1
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Re: Erbitte Erleuchtung: Eisengallus-Tinte

Beitrag von Gast1 »

Downfall hat geschrieben:
20.10.2024 17:24
... und auch mit etwas weniger Salzsäure zu machen.
Halte die Säure so niedrig wie nötig, wenn die zuwenig ist, dann macht die Tinte in kurzer Zeit EG-Ausfällungen im Füller und genau das wollen wir nicht. Der pH-Wert muss aber nicht noch niedriger sein, das macht nur andere Probleme. Und haltet Euch an die Prioritätenliste, nichtmal der Swan Pen ist es wert, sich deshalb versehentlich um die Ecke zu bringen
(und schon gar keine anderen Leute).
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