Tauchfedern lasse ich mal außen vor. Sie mögen ideale Ergebnisse zeitigen, was das Schriftbild angeht. Aber alltagstauglich sind sie nicht. Man stelle sich ein Meeting vor oder einen Uni-Hörsaal, wo die Hälfte der Anwesenden ein Tintenfass vor sich hat und regelmäßig die Feder eintaucht und die andere Hälfte ihre Notizen ins Tablet tippt – daraus ließe sich eine hübsche Filmszene machen

Jein. Der Füller hat nicht nur Zuwachs an Schreibkomfort gebracht, er hat das Schreiben mit Tinte komplett umgekrempelt. Es ist mobil geworden, dadurch viel breiter anwendbar als je zuvor. Es wurde schnell (keine Unterbrechung mehr durchs Feder-Eintauchen), was zuvor nur mit Bleistift möglich war; es wurde auch ähnlich beiläufig.agathon hat geschrieben: ↑08.01.2025 9:37...Evident ist aber auch, dass der Fortschritt, der mit dem Füllfederhalter einhergeht, im Bereich des Schreibkomforts liegt, nicht aber im Bereich des erzielbaren Schriftbildes. Wir haben es also im Vergleich einerseits mit einer Qualitätszunahme, andererseits mit einer Qualitätsabnahme zu tun. ...
Da fehlt was Wichtiges: der Siegeszug des Kugelschreibers. Der hat das Alltagsschreiben erneut verändert: billige Schreibgeräte für alle, überall & jederzeit, mit Linien ohne Varianz. In der Folge ist das Federsortiment nach und nach geschrumpft.agathon hat geschrieben: ↑08.01.2025 9:37...Wie ging es dann weiter? Über die Jahrzehnte kommt es, aufgrund einer stetigen Qualitätsverschlechterung der Federn (gemessen am möglichen Schriftbild) zu weiteren Qualitätsabnahmen, im Gegenzug kommt es zu einer Fetischisierung des Schreibgegenstandes durch eine Zunahme applikativer Elemente. ...
Aber dass es parallel dazu eine "Zunahme applikativer Elemente" gegeben hätte, stimmt so nicht. Ausgeprägte Deko-Neigungen gab's bei Füllhaltern von Anfang an, Zelluloid oder Kasein in raffinierten Mustern, farbiges Ebonit, aufwendige Overlays, Silber, Gold – Stift als Schmuckstück, das hat eine lange Tradition. Und bedient seit jeher Bedürfnisse, die (auch) jenseits des Schreibens liegen.
So, und jetzt kommen so schräge Vögel wie wir, maulen über Goldringlein und fade Nullachtfuffzehn-Federn und wollen "Qualität" neu definieren

Dazu gehört offenbar der Wunsch, Schriftbilder wieder individueller zu gestalten. In Anlehnung an das, was Tauchfedern können und was frühe Füllerfedern erlauben. Kein Zufall m. E., dass Federschleifer volle Auftragsbücher haben. Aber am liebsten wär’s uns (?), zumindest mir

Ist aber, wie die Diskussion hier zeigt, nicht für alle FüllerschreiberInnen dringlich. Und weil sich Bedürfnisse/ Wünsche/ Erwartungen unterscheiden, wird's beim Versuch, "Qualität" zu definieren, wohl bei individuell verschiedenen Annäherungen bleiben. Und bei entsprechend verschiedenen Antworten darauf, welchen Preis man wofür zu zahlen bereit ist.
Das klingt für mich plausibel. Wobei es ein Plädoyer für Subjektivität ist – aber nicht für Subjektivismus. (Meinungen & Fakten darf man nicht verwechseln, nie...)alt_genug hat geschrieben: ↑08.01.2025 11:03... Uns bleibt für das Thema Qualität und Preis von Füllfederhaltern wohl nur die Anerkennung der subjektiven Wahrnehmung beider Aspekte und der resultierenden Bewertungen. Keine individuelle Sicht sollte als falsch abgelehnt werden, aber die fehlende Allgemeingültigkeit immer klargestellt werden. ...
Konkretisierung? Ich greife das Beispiel mit dem MB Calligraphy auf. agathon, du hast begründet, warum du den Stift gekauft hast, trotz des hohen Preises. Ich hab' auch mit dem Teil geliebäugelt, hab's mir aber nicht zugelegt. Dabei habe ich von den vielen Eigenschaften des Stiftes nur drei betrachtet: a) kann flexen – pro, b) braucht zum Flexen recht hohen Schreibdruck, mehr, als ich Drucklos-Schreiberin aufwenden mag – kontra, c) fülliges Gehäuse, mir unangenehm – kontra. Da war's egal, was der Füller sonst noch kann und was er kostet, ich hätte ihn auch für weniger Geld nicht gekauft.
Das ist kein Urteil über die Qualität des Stiftes oder über seinen Preis. Es bedeutet nur: Nix für mich. Kein Habenwollen. Aber es freut mich, dass es solche Füller gibt; "interesseloses Wohlgefallen" sozusagen.