Conway Stewart Jaguar Nr. 38 von 100

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Füllerschreiber
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Conway Stewart Jaguar Nr. 38 von 100

Beitrag von Füllerschreiber »

Britische Handwerkskunst: So schlecht wie früher oder besser denn je?

Der Jaguar von Conway Stewart


Schlechte Erfahrungen gab es genug. Zwei Beispiele:
Es war dem Zufall geschuldet, dass sich der britische Roadster meines Bundeswehrkumpels im Augenblick mäßiger Geschwindigkeit in zwei Teile zerlegte. Die Schrauben am Chassis hatten sich gelockert. Nach fest kam ab.
Oder die Story vom Geländewagen aus dem britischen Traditionswerk. Bei einem der zivilen Typen, wie ihn die Camel Trophy bekannt gemacht hatte, zerlegte sich noch am Tag der Auslieferung der Diesel. Wieder waren Schrauben die Ursache. Solche, die im Werk gar nicht erst festgedreht worden waren.

Sollte ich diese Erinnerungen auch auf die Qualität britischer Schreibgeräte übertragen? Dass im UK Füller hergestellt werden, hätte ich gerne geglaubt. Dass es britische Füller der Upperclass gibt, hatte ich nicht gewusst. Bis ich zum ersten Mal von Conway Stewart hörte. Genau genommen: bis ich etwas über den Hersteller las, hier im Forum. Die Marke ließ mich nicht mehr los. Füller, so beruhigte ich mich, haben keine Schrauben, nur Gewinde. Außerdem fahre ich mit einem Füller nicht schnell, allenfalls schreibe ich schnell. Obendrein scheint sich die Qualität britischer Produkte gebessert zu haben.

Das Werk hat eine alte und eine neue Geschichte. Die erste endete 1975, als Füller aus der Mode gerieten. Die zweite Existenz fällt in die Spätphase von zwei Renaissance-Bewegungen Anfang der 90er-Jahre: Füllfederhalter erfreuen sich wieder wachsender Beliebtheit und im UK hat die Handwerkskunst, begleitet von gewissen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, ihr unternehmerisches Engagement wiedergewonnen. Die Jahrzehnte des staatlichen Nivellierens sind vorbei.

Die Herkunft des klingenden Firmennamens ist heute nicht mehr eindeutig geklärt. Die Namen der Firmengründer sind es nicht. Vielmehr scheinen jene Herren im Jahr 1905 ihrem Betrieb den oder die Namen damals geläufiger Showstars gegeben zu haben. Mehr gibt auch das erhalten gebliebene Werksarchiv nicht her. Das Unternehmen positioniert sich als traditionsbewusster Hersteller von Highend-Produkten.

Vier Füller von Conway Stewart sind inzwischen mein Eigen, der Fünfte ist bestellt. Mein Neuzugang aus dem Traditionshaus ist die Nummer 38 des auf 100 Exemplare limitierten Jaguars. Die Exklusivität der CS-Füller und die kleinen Produktionszahlen im Premium-Segment scheinen der Grund zu sein, weshalb es in Deutschland nur einen lizenzierten Händler gibt. Alternativen sind ausgesuchte Fachgeschäfte im UK oder die Internetseite von CS. Einige Euro günstiger sind die Füller indessen beim CS-Händler in Deutschland.
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Korpus, Griffstück und Kappe des Jaguars bestehen aus massivem Sterling-Silber. Deren Gravur bildet Diamanten ab im abstrakten Design der Art Deco Periode. Die Gravuren sind mit durchsichtigem Lack überzogen. „Vibrant Orange“ und „Rich Grey“ heißen die Farben. Die Oberfläche fühlt sich glatt an, aber auch nicht so glatt, dass die Finger abrutschen. Mit 134 Millimetern entspricht die Länge der eines Pelikan M 600/605. In der gleichen Gewichtsklasse spielen die Füller allerdings nicht. Der Jaguar wiegt 62 Gramm. Für Freunde des Schreibens mit hinten aufgesteckter Kappe ist er weniger geeignet. Ohne Kappe liegt er perfekt ausgewogen in der Hand: Mit spielerischer Leichtigkeit lässt sich die Feder über das Papier dirigieren.

Es waren die herausragenden Goldfedern in den Stärken Italic Fine bis Italic Broad, die mich vom ersten zum zweiten, vom zweiten zum dritten (usw.) Füller von CS geführt haben. Die Lesbarkeit meiner Handschrift besserte sich deutlich. Indes bilden bei den Italics – zumindest bei mir – die Lesbarkeit und Schreibgeschwindigkeit ein umgekehrt proportionales Verhältnis zueinander. Die Füller mit den I-Federn übernahmen die Rolle von Schreibtischwächtern, allerdings mit einem hohen Aktivitätsgrad.
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In der Hoffnung, mit einem CS die Schnellschreibfähigkeit zu erlangen, bestellte ich den Jaguar mit einer M-Feder. Ein Risiko. Erst recht für einen überzeugten I-S-O-Euphoriker*). Jedoch vertraute ich auf die Charakteristik der CS-Federn, so wie ich sie kennengelernt hatte: ausladend dimensioniert, mit langen Federschenkeln und einer gewissen Flexibilität. Meine Erwartungen wurden übertroffen. Selbst beim schnellen Schreiben bleibt meine Schrift leserlich. Stets vermittelt die 18-karätige M-Feder eine präzise Rückmeldung über das, was Schreibkorn, Papier und Tinte untereinander ausmachen. Bei der Wahl des Papiers gibt sich die M-Feder anspruchslos. Allerdings merkt man nach dem Beschreiben mehrerer Papiersorten: glatt, aber nicht hyperglatt, mag sie es am liebsten.

Meine CS-Füller schreiben am besten mit nassen, leicht fließenden Tinten. Aussetzer signalisieren beim Jaguar das Ende des Tintenvorrats. Die Vorwarnzeit ist kurz: Eben schrieb er noch normal, dann ein paar Aussetzer – und Schluss. Der Jaguar wird mit einem Konverter geliefert. Da ich Konvertern misstraue, bestücke ich den Jaguar mit Patronen, die ich selbst fülle. Im Gegensatz zu den Konvertern, wie sie von den meisten Herstellern angeboten werden, besitzen die Patronen im Inneren eine frei bewegliche Kugel. Der Tintenfluss aus einem Konverter ohne Kugel kann schon mal stocken, unabhängig vom Hersteller. Bei Patronen mit einer Kugel ist mir das noch nicht passiert. Patronen haben - für mich! - den Vorteil, dass ich mit kleinsten Mengen selbst gemischter Tinte experimentieren kann.

*) I-S-O: Italic, Stub und O-Feder

Füllerschreiber
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Holunderbeere
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Re: Conway Stewart Jaguar Nr. 38 von 100

Beitrag von Holunderbeere »

Guten Morgen,

Schönes Stück! Danke fürs Zeigen.

Viele Grüße,
Barbara
Füllerliebhaberin, Vollblutbibliophile & halbseidene Buchbinderin. Internetpräsenz inner Mache. :)
Der Füllerblog der Holunderbeere: http://thesebeautifulpens.blogspot.com
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ichmeisterdustift
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Re: Conway Stewart Jaguar Nr. 38 von 100

Beitrag von ichmeisterdustift »

Hallo Füllerschreiber,
vielen Dank für die sehr gelungene Vorstellung dieses besonderen Füllhalters und weiterhin viel Freude mit ihm.
Gruß,
Volker.
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Ex Libris
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Re: Conway Stewart Jaguar Nr. 38 von 100

Beitrag von Ex Libris »

Hallo Füllerschreiber,

vielen Dank für diese sehr schöne und euphorische Betrachtung dieses CS. Der Jaguar würde jetzt nicht unbedingt meinem Geschmack entsprechen, aber was Du über die Federn sagst, kann ich nur bestätigen - jedenfalls bezogen auf eine M. Ich weiß durchaus, was ich an meinem Wellington habe.

Viele Grüße,
Florian
Füllerschreiber
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Re: Conway Stewart Jaguar Nr. 38 von 100

Beitrag von Füllerschreiber »

Lieber Ex Libris,

wenn wir alle den selben Geschmack hätten, würden wir alle mit dem gleichen Füller schreiben ... Worüber sollten wir uns dann noch hier im Forum unterhalten?!? Eine deprimierende Vorstellung ...

Was den Wellington angeht, pflichte ich Dir uneingeschränkt bei: ein herausragender Füller!

Viele Grüße
Füllerschreiber
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Strombomboli
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Re: Conway Stewart Jaguar Nr. 38 von 100

Beitrag von Strombomboli »

Neid, Neid, Neid! So ein schöner Füller (wenn er mir auch auf deinem Foto besser gefällt als auf der CS-Website). Es freut mich zu hören, daß er auch gut schreibt, denn das hätte ich nicht gedacht. Ich habe bislang nur eine (von Diamine hergestellte) Conway-Stewart-Tinte, Tamar, die gefällt mir gut. Der Füller gefällt mir noch besser; nur das Gewicht schreckt mich etwas ab, da ich nicht auf dem Bau arbeite.

Was du über Patronen versus Konverter schreibst, ist bedenkenswert. Ich werde jetzt mal eine alte Patronenkugel in einen Konverter geben, denn ich finde Konverter außerordentlich praktisch (ich habe mein Soll an Patronenbefüllung mittels Spritze schon fürs ganze Leben erfüllt).
Iris

Mein Avatar ist ein Gemälde von Ilja Maschkow (1881-1944): Selbstporträt; 1911, das in der neuen Tretjakow-Galerie (am Krimskij Wal) in Moskau hängt, wo ich es fotografiert habe.
Ex Libris
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Re: Conway Stewart Jaguar Nr. 38 von 100

Beitrag von Ex Libris »

Lieber Füllerschreiber,

Du hast freilich völlig recht. Es wäre die pure Langeweile, wenn wir alle mit schwarzen Füllern schreiben müssten oder alle mit quietschbunten Online-Schülerfüllern.

Ich will auch gar nichts sagen, zumal die Conway Stewarts hier im Forum extrem unterrepräsentiert sind und ich mich daher immer freue, wenn mal jemand einen vorstellt.

Viele Grüße,
Florian
Füllerschreiber
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Re: Conway Stewart Jaguar Nr. 38 von 100

Beitrag von Füllerschreiber »

Liebe Stromboli,

danke für Deine Blumen bzgl. der Fotos!

In den meisten Fällen würde ich auch lieber mit Konvertern schreiben (ich schreibe ja nicht nur mit irgendwelchen Gemischen).
Mit Kugeln aus Patronen in Konvertern habe ich auch schon experimentiert, hat aber nicht das gebracht, was ich mir erhofft habe. Markenübergreifend hab ich einige erstaunliche Beobachtungen gemacht. Ich weiß nur nicht ob deren Schilderung zu diesem Thread passt, falls Dich das überhaupt interessiert. Falls doch, hast Du eine Idee, wo so ein "Erlebnisbericht" passen könnte?


Lieber Ex Libris,

meiner Meinung bietet Conway Stewart bei den meisten Modellen eine traumhafte Vielfalt an Gestaltungsvarianten, wie z.B. beim Wellington. Da ist für viele Geschmacksrichtungen etwas dabei. Nur eine Eigenschaft haben sie alle, so wie ich sie sehe: Wenn man sie in der Hand hält, sind sie noch hübscher als auf den Bildern.


Viele Grüße
Füllerschreiber
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