Nach längerem stillem Sinnen, wie mir denn der nach monatelangem Abwägen schlussendlich doch erworbene Heritage 1912 gefallen möcht‘, muss ich mich doch mal zu Wort melden, um einerseits von meinen positiven Eindrücken zu berichten, andererseits aber auch von einem befremdlichen Mangel. Einem Mangel, den ich erstens bei einem Füllfederhalter aus deutschen Landen, die für ihre Ingenieurskunst weltauf, weltab gar vielberühmt sind, zweitens angesichts des hohen Preises, und drittens wegen des ihm dennoch anhaftenden allgemeinen Eindrucks hoher Wertigkeit nicht erwartet hätte.
Es war nämlich so: Ich saß friedlich in meinem Schreibstübchen, und da schrieb ich mit meinem Heritage 1912 so fürbass. Dann legte ich eine kurze Schreibpause ein. Und als ich weiterschreiben wollte, schraubte ich die Kappe wieder ab und fand dies:

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Na? Glaubt hier jemand, ich sei nur zu doof gewesen, die Feder komplett herauszudrehen? Falsch!
Da fehlt doch was? Richtig! Die Hülse, die am unteren Ende des Korpus‘ sitzt und das Gewinde trägt, auf das bei Nichtgebrauch die Kappe geschraubt wird, ist in selbiger steckengeblieben. Stattdessen hat sich das obere Gewinde gelöst, mit dem die Hülse im Korpus festgeschraubt ist.
Soll man dies nun nicht für eine Fehlkonstruktion halten? Denn das untere Gewinde weist doch wegen des an seinem Sitz größeren Hülsendurchmessers ein günstigeres Hebelverhältnis auf als das obere. (Deswegen haben ja auch ganz allgemein Schrauben und Muttern einen größeren Kopfdurchmesser als Gewindedurchmesser.). Es scheint daher nur eine Frage der Zeit, bis wegen der Hebelverhältnisse das obere Gewinde dem Drängen des durch die Kappenbetätigung ausgeübten Momentes eher nachgibt als das untere, mit der geschilderten Folge, dass die Hülse in der Kappe steckenbleibt.
Mich betrübt die Angelegenheit umso mehr, als ich mich mit dem Füller nach anfänglichem Fremdeln sehr angefreundet habe. Erworben hatte ich ihn letztlich, weil einige Besitzer hier im Forum von seiner weichen und flexiblen Feder schwärmten, so dass ich diese in die Nähe der Feder des Souverän M1000 von Pelikan gerückt sah – eine Feder, die ihresgleichen sucht. Ich war anfangs jedoch sehr enttäuscht von der Heritage-Feder – keine Ähnlichkeit zu der des M1000 – und erst nach einem Schliff zu einer Stub sagt sie mir jetzt sehr zu.
Und überhaupt: Von dem Glubschauge abgesehen, das auf der Kappe glotzig-protzig das MB-Emblem überwölbt, ist der Heritage 1912 ein sehr für sich einnehmender Füller. Schlichtes Design, gedrungene Eleganz vermittelnde Proportionen, ein sehr angenehmes Gewicht in der Hand, die einzigartige, butterweich laufende Konstruktion, mit der sowohl die Feder ausgefahren als auch der Tintentank befüllt wird: All das macht ihn zu einem bevorzugten Schreibgerät. Ob Technik, Design, Material- und Herstellungskosten allerdings runde 800 Euronen rechtfertigen … Nun, die Diskussion, wem welcher Füller was wert ist, wurde hier ja schon an anderer Stelle in diesem Forum geführt.
Dass ein in so überzeugender Weise nobel daherkommender Füllfederhalter allerdings einen derartigen Kardinals-Konstruktionsfehler aufweist wie den, der Gegenstand meines Beitrags ist, gibt Berechtigung zur Frage nach dem objektiven Wert dieses Gerätes, finde ich.
Der Füller ging an den Montblanc-Service in Hamburg, von wo er nach etwa zwei Wochen zurückkam. In meinem Begleitschreiben hatte ich um Mitteilung gebeten, wie sich künftig das Malheur der sich in der Kappe festschraubenden Hülse vermeiden ließe. Darauf gab es leider keine Antwort. Ich fühle mich nun veranlasst, die Kappe jedes Mal mit bewusster Behutsamkeit festzuschrauben; das ist insofern ärgerlich, als es sich letztlich um einen Gebrauchsgegenstand handelt, der zu seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch mit einer gewissen Robustheit konstruiert sein sollte.
Das kleine Bangen, das mich nun jedes Mal ergreift (hoffentlich ist die Hülse nicht in der Kappe steckengeblieben!), ist nicht schön.
Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht? Oder hat gar jemand einen Weg zur Abhilfe gefunden?
Es grüßt:
Michael