Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

(älter als 30 Jahre)

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mondindianer
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Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von mondindianer »

Übergänge haben mich schon immer interessiert – hier ist es der vom erfolgreichen Füllfederhalter der 30er und 40er Jahre zum alles verdrängenden Kugelschreiber ab Mitte der 50er Jahre. In dieser Zeit gab es die Tintenkugelschreiber - Kolbenfüller mit Kugeleinsätzen anstelle von Federn. Die Idee war das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Heute sind sie so ziemlich vergessen. Dass es sie patentgeschützt von namhaften wie neu auftretenden Herstellern nahezu gleichzeitig gab, lohnt meines Erachtens einen detaillierteren Blick auf die Technik und Anwendung. So ist ein mehrteiliger Faden entstanden, den ich unterteilt habe in der Hoffnung, dass er so besser lesbar ist (und wegen der Beschränkungen in der Bilderanzahl pro Beitrag.

Erster Teil: Geschichtlicher Hintergund



Kugelschreiber – das ist für viele in diesem Forum das Gegenteil dessen, was sie begehren und benutzen. Zudem wird dieses Schreibgerät nicht ganz zu Unrecht verantwortlich gemacht für den weltweiten Niedergang von sehr vielen Füllhalterherstellern in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Es gab aber für eine kurze Zeit einen Typ Füller, der das Beste aus beiden Welten vereinen wollte – den Tintenkugelschreiber.
Schreibspitzen von fünf verschiedenen Tintenkugelschreibern aus den 50er Jahren (von links nach rechts): Riepe GmbH Rollkuli, Sphinx Rubidor, Montblanc-Simplo 444, Roulette Diamant 55, UHU Kugeltinter
Schreibspitzen von fünf verschiedenen Tintenkugelschreibern aus den 50er Jahren (von links nach rechts): Riepe GmbH Rollkuli, Sphinx Rubidor, Montblanc-Simplo 444, Roulette Diamant 55, UHU Kugeltinter
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Die fast gleichzeitige Einführung eines Tintenkugelschreibers in den späten 40ern und frühen 50ern durch mehrere Firmen lag in dem schlechten Ruf der meisten damals erhältlichen Kugelschreiber begründet. Um das zu verstehen, ist ein kurzer Exkurs in die Entwicklung dieses neuen Schreibgeräts hilfreich. Wen das nicht interessiert, der kann auch sofort zum Teil 2 springen.

Milton Reynolds (USA) gilt als der erste, der einen marktgängigen Kugelschreiber entwickelt hat. Drei Jahre nach den anfänglichen Verkaufserfolgen seines Überraschungs-Coups stellt er 1948 die Produktion ein. 1946 bringt Wahl-Eversharp ein ‚Capillary Action‘ genanntes Modell heraus, geht damit aber 1947 beinahe bankrott. Der Erfinder der Kugelschreiber-Idee, Laszlo Biró, zieht sich 1947 frustriert aus dem Geschäft zurück, lässt sich nach 27 Jahren nicht zielführender Entwicklungsarbeit auszahlen und wird Maler. Zum Verhängnis wurde allen diesen Anbietern nicht einzuhaltende Garantieversprechen, daraus resultierende mangelnde Umsätze und zu niedrige Erlöse – dies alles wegen der geringen Qualität ihrer Schreiber.
Zwei Schwachstellen verhinderten den Erfolg des neuen Produkts. Die dauerhaft stabile Lagerung der winzigen Schreibkugel in einem dünnen Röhrchen aus einer korrosionsfesten, aber dafür weichen Metalllegierung gelang nicht. Das Hauptproblem war aber die Schreibflüssigkeit. Was für Füllhaltertinte längst Standard war – trocknet auf dem Papier und nicht im Füller; verschmiert nicht; ist lichtecht, wenn nicht dokumentecht; läuft nicht unkontrolliert aus der Feder – wurde erst 1949 erstmals in eine Kugelschreiber-„Patrone“ eingefüllt – fast 30 Jahre nach der ursprünglichen Erfindung von Biró. Damit wurde Paper-Mate erst ab 1954 Marktführer in Nordamerika. Als schließlich der ‚Jotter‘ von Parker 1954 erscheint wird der Kugelschreiber zu einem ausgereiften Schreibgerät. Parker hatte volle 9 Jahre Entwicklung in den Jotter gesteckt, um nicht dasselbe Schicksal wie die Vorgänger zu erleiden. Der neue Kugelschreiber verkauft sich in 9 Monaten 3,5 Millionen Mal, und ab jetzt wird er langsam konkurrenzfähig.
Zwei Kugelschreiber-„Patronen“ aus den 50er Jahren, zum Nachfüllen geeignet (oben); Parker Jotter von 1985, in der Form nahezu unverändert produziert vom Ende der 50er Jahre bis in die 80er Jahre, mit Großraummine
Zwei Kugelschreiber-„Patronen“ aus den 50er Jahren, zum Nachfüllen geeignet (oben); Parker Jotter von 1985, in der Form nahezu unverändert produziert vom Ende der 50er Jahre bis in die 80er Jahre, mit Großraummine
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Allerdings nicht für alle Schreibgerätehersteller in Westdeutschland. Pelikan beginnt 1955, die ersten beiden Modelle zu etablieren -sie werden als „Roller“ bezeichnet. Montblanc versucht 1952 und noch einmal 1955 einen Kugelschreiber ins Programm zu nehmen. Lamy folgt Ende der 50er Jahre, Schwan-Stabilo kommt erst 1967 mit dem „Othello Kugler 5km“ dazu.

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Re: Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von mondindianer »

2. Teil: Die Protagonisten



In der Übergangszeit Ende der 40er bis Mitte der 50er Jahre versuchten deutsche Füllhalterhersteller nahezu zeitgleich, den Kundenwunsch nach einem Kugelschreiber mit ihren eigenen Möglichkeiten zu erfüllen. Sie machten sich den Umstand zunutze, dass viele Behörden und Banken Unterschriften mit Kugelschreibern wegen der Qualitätsmängel der Pasten nicht akzeptierten. So wurden anstelle von Feder und Tintenleiter Schreibeinsätze mit in Röhrchen geführten Kugeln in die regulären Kolbenfüller eingesetzt. Die Lagerungstechnik der Schreibkugel war bekannt, den Umgang mit niedrig-viskosen Tinten beherrschten sie ohnehin. Es geht im Einzelnen um (in der Reihenfolge der Patentnummern):
Kugeltinter vom UHU-Werk H. u. M. Fischer GmbH, Bühl, als „mit flüssiger Tinte gefüllter Kugelschreiber“ durch Patent Nr. 806413 ab 16.12.1949 geschützt
Patentschrift, UHU Kugeltinter der 2. Generation mit grün-goldener Binde
Patentschrift, UHU Kugeltinter der 2. Generation mit grün-goldener Binde
#4.jpg (484.05 KiB) 791 mal betrachtet
Kugelroller 444 der Montblanc-Simplo GmbH, Hamburg, als „Schreibkugel Füllhalter“ durch Patent Nr. 816965 ab 21.10.1949 geschützt, erweitert im Patent 838871 vom 4.7.1950.
Patentschrift, Montblanc-Simplo Kugelroller 444
Patentschrift, Montblanc-Simplo Kugelroller 444
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Rollkuli der Riepe GmbH, Hamburg, als „Kugelschreiber mit flüssiger Tintenfüllung“. Es gibt eine Gebrauchsmuster-Anmeldung vom 17.11.1950 dazu sowie eine Patentanmeldung vom 28.04.1951, die die gerade und gewinkelte Schreibspitze zum Inhalt hat. Ein erteiltes Patent oder ein Gebrauchsmuster fehlt allerdings.
Gebrauchsmusteranmeldung, Riepe Rollkuli der 2. Generation
Gebrauchsmusteranmeldung, Riepe Rollkuli der 2. Generation
#6.jpg (396.1 KiB) 791 mal betrachtet
Außerdem eine transparente Ausführung, die sich in verschiedenen Füllhaltern meist kleinerer Anbieter findet (z. B. Sphinx, PAN, Melbi, Penkala, Corona u. v. a). Den Hersteller, eine Gebrauchsmuster- oder Patentanmeldung hierzu habe ich nicht finden können.
Transparente Schreibeinsätze in gerader und gebogener Form, verwendet in Tintenkugelschreibern von Sphinx, PAN, Melbi u. v. a.
Transparente Schreibeinsätze in gerader und gebogener Form, verwendet in Tintenkugelschreibern von Sphinx, PAN, Melbi u. v. a.
#7a.jpg (431.41 KiB) 791 mal betrachtet

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Re: Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von mondindianer »

3. Teil: Die Technik



Tintenkugelschreiber sind nicht so leicht zu finden, am ehesten noch der Kugeltinter vom UHU-Werk und der Rollkuli der Riepe GmbH. Auf den ersten Blick sehen sich die beiden Modelle so ähnlich, dass ich zunächst an eine Kooperation quer durch Deutschland dachte. Dagegen spricht aber, dass sich beide Firmen um eigene Patente bemüht haben und dass die Komponenten nicht untereinander austauschbar sind.
Vergleich der Schraubkappen von Rollkuli (oben) und Kugeltinter
Vergleich der Schraubkappen von Rollkuli (oben) und Kugeltinter
#8.jpg (516.45 KiB) 785 mal betrachtet
Zunächst wurden beide Modelle für kurze Zeit mit einer geraden Schreibspitze angeboten. Diese Versionen sind sehr selten zu finden.
UHU-Kugeltinter der 1. Generation mit gerader Spitze (unten) und der 2. Generation mit abgewinkelter Spitze (Sammlung stgib, Bühl)
UHU-Kugeltinter der 1. Generation mit gerader Spitze (unten) und der 2. Generation mit abgewinkelter Spitze (Sammlung stgib, Bühl)
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UHU wechselte 1952 und Riepe 1955 zu einer abgeknickten Schreibspitze. In beiden Patentanmeldungen wird betont, dass dies eine Schreibhaltung wie beim Füller oder Bleistift erlaubt und nicht mehr die steile, mehr oder weniger rechtwinklige Führung zum Papier notwendig ist.

Die Schreibspitze des Kugeltinters aus Bühl verfügt über einen Hartgummi-Tintenleiter, für den ein eigenes Patent erwirkt wurde (Nr. 825967, Schutz ab 14.07.1950)
Tintenleiter des UHU-Kugeltinters in der Patentzeichnung und in der Realität
Tintenleiter des UHU-Kugeltinters in der Patentzeichnung und in der Realität
#10a.jpg (230.45 KiB) 785 mal betrachtet
Der Rollkuli aus Hamburg sollte laut Patentanmeldung vom 28.04.1951 mit einem Fallgewicht ausgestattet sein, wie es auch zuvor beim Tintenkuli derselben Firma erfolgreich eingesetzt wurde. Das zugehörige Patent habe ich nicht finden können, und meine Rollkulis haben kein Fallgewicht. Es findet sich lediglich ein etwas provisorisch wirkendes Siebfilter. Das ist aber tatsächlich serienmäßig verbaut worden, denn die Gebrauchsanleitung zu dem Stift rät eindringlich davon ab, dieses Filter zu entfernen.
Schreibeinsatz des Riepe-Rollkuli in der Patentzeichnung und in der Realität
Schreibeinsatz des Riepe-Rollkuli in der Patentzeichnung und in der Realität
#11a.jpg (201.45 KiB) 785 mal betrachtet
Möglicherweise gab es Konflikte mit dem Modell der Montblanc-Simplo GmbH, die bereits 1949 für ihren Kugelroller ein Fallgewicht vorgesehen hatten. Das Modell 444 von 1951 verfügt über eine gerade Schreibspitze, die mit dem Patent 838871 im Tintenfluss verbessert wurde . Es wurde nicht weiter entwickelt, sondern bereits zwei Jahre später vom Markt genommen.
Schreibeinsatz des Montblanc-Simplo-Kugelrollers (verbesserte Version) in der Patentzeichnung und in der Realität
Schreibeinsatz des Montblanc-Simplo-Kugelrollers (verbesserte Version) in der Patentzeichnung und in der Realität
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Die transparenten Kunststoff-Schreibeinsätze verschiedener Füllhalter sind in gerader wie auch in einfach ausgeführter, abgewinkelter Form zu finden. Im Inneren ist jeweils eine Drahtwendel zu sehen, die am Ende des Einsatzes in einer Schlaufe endet. Diese Wendel hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einer der Ausführungen im Montblanc-Patent 816965. Die Einsätze der verschiedenen Füller sind untereinander austauschbar, was die Vermutung nahelegt, dass sie nicht selbst hergestellt, sondern eher zugekauft wurden. Sie passen weder in den Rollkuli noch in den Kugeltinter.
Schreibeinsatz von Rubindor, Roulette u. ä. mit Drahtwendel als Tintenleiter; vgl dazu auch Bild 7a in Teil 2
Schreibeinsatz von Rubindor, Roulette u. ä. mit Drahtwendel als Tintenleiter; vgl dazu auch Bild 7a in Teil 2
#13a.jpg (379.17 KiB) 785 mal betrachtet
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Zuletzt geändert von mondindianer am 05.10.2025 18:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von mondindianer »

4. Teil: Die Herausforderungen



Alle Schreibeinsätze in meiner Sammlung sind mit transluzenten Rubinkugeln ausgestattet, meist in Edelmetall-Hülsen. Das harte Kugelmaterial sollte die langfristige Verwendung der Schreibspitze gewährleisten, vergleichbar mit dem Hartmetall-Tropfen am Ende von Schreibfedern. Die Gold-Legierung der Hülse sollte vornehmlich Korrosionsschäden durch Tinten vorbeugen, war aber dadurch wesentlich weicher als die Kugel.
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#14.jpg (243.57 KiB) 780 mal betrachtet
Rubinschreibkugel im Kugeltinter-Schreibeinsatz, rechts im Durchlicht

Um eine vorzeitige Zerstörung der Kugellagerung zu verhindern, musste der Tintenkugelschreiber so gehalten werden, dass die Edelmetall-Fassung nicht das Papier berührte. Das war auch bei den späteren gewinkelten Ausführungen (2. Generation) so, die allerdings wegen des eingebauten Knicks eine natürlichere Haltung des Stifts mit einem Winkel von 20° bis 45° zwischen Stift und Papier ermöglichten.
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Schreibhaltung bei den abgewinkelten Schreibspitzen, hier am Beispiel des UHU-Kugeltinters (Patent 879811 vom 13.6.1953). Die blauen Linien schließen den Winkel α zwischen der Längsachse des Stifts und der Längsachse des Schreibröhrchens ein.

Wurde mit höherem Druck geschrieben (etwa beim Kopieren), ging das allerdings auf Kosten der Stabilität des Schreibröhrchens, wie am Beispiel des recht langen UHU-Einsatzes deutlich wird.
#16a.jpg
#16a.jpg (472.61 KiB) 780 mal betrachtet
Ausbruch an der Hülsenhalterung bei einem Kugeltinter (weißer Pfeil)

Die deutlich kürzere Schreibspitze des Rollkuli von Riepe war im unteren Bereich etwas abgeflacht, damit die Schrift beim Schreiben verfolgt werden konnte. Dazu musste der Füller in einer bestimmten Weise gehalten werden, die ein Reiben des Goldröhrchens auf dem Papier verhinderte. In der Anleitung wurde nachdrücklich schon vor dem Versuch alternativer Schreibhaltungen gewarnt. Zur Unterstützung der korrekten Orientierung der Schreibspitze war beim Rollkuli eine Markierung auf der Oberseite eingeprägt, die sich dann auch beim Kugeltinter findet.
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#17.jpg (502.16 KiB) 780 mal betrachtet
Hilfsmarkierung für die korrekte Schreibhaltung beim Rollkuli (oben) und beim Kugeltinter (mitte);unten Kugeltinter ohne Markierung

Wurde die Anleitung nicht befolgt, ergab sich tatsächlich ein deutlicher Abrieb des Kugelfassung, die bis zum Verlust der Schreibkugel führen konnte.
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#18a.jpg (447.81 KiB) 780 mal betrachtet
Schreibspitze eines Rollkuli; blauer Pfeil: Verschleiß der Kugelfassung; weißer Pfeil: Markierung der Oberseite

Im Falle des Versagens des Schreibeinsatzes konnten Ersatz-Kugeleinätze gekauft werden. Beim UHU-Werk wurden sie im Katalog von 1952 zu einem Preis angeboten, der einem Drittel des Preises vom Kugeltinter entsprach. Viele Besitzer griffen aber offensichtlich auf erprobte Schreibeinsätze zurück. So finden sich heute immer wieder Rollkulis mit Tintenkuli-Einsätzen, Kugeltinter mit UHU-Noblesse-Triples sowie Kugelfüller 444 mit Feder-Triples vom Montblanc 442.
#19.jpg
#19.jpg (621.65 KiB) 780 mal betrachtet
Alternativen zu den Kugeleinsätzen für den Rollkuli (links) und den Kugeltinter (rechts); beim Montblanc 444 passen die Triples vom 442 oder 262 (keine Abbildung)

Alle Hersteller boten die Schreiber explizit als Kugelschreiber mit flüssiger (herkömmlicher) Tinte an. Montblanc empfahl allerdings eine spezielle blaue Tinte für den Kugelroller, deren Zusammensetzung dichter an Kugelschreiber-Pasten war als an herkömmlichen Tinten. Für Federhalter was sie ausdrücklich nicht geeignet.
Auch für den Rollkuli bot die Riepe GmbH eine blaue ‚Kuli-Tinte‘ an, die aber lediglich besonders rein und frei von Trübstoffen und Partikeln war. Die Bedienungsanleitung erlaubte ausdrücklich „satz- und leimfreie, dünnflüssige, saubere Tinten“. Die UHU-Werke empfahlen hingegen die Verwendung ihrer ‚Alles-Tinte‘, die es in verschiedenen Farben gab.

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mondindianer
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Re: Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von mondindianer »

5. Teil und Schluss: Die Praxis



Zum Abschluss möchte ich noch Schreibproben meiner Modelle zeigen. Alle Tintenkugelfüller wurden mit Pelikan 4001 königsblau befüllt und etwas eingeschrieben, um die optimale Haltung zu ermitteln (es sind alles gebrauchte Schreibgeräte!). Das Papier ist Fedrigoni Soho Spendorgel 100 g/m² - sehr glatt und sehr weiß. Als Vergleich habe ich einen Lamy Safari mit M-Feder (Stahl) verwendet.
Schreibproben von fünf Tintenkugelschreibern mit Pelikan 4001 königsblau, im Vergleich der Lamy Safari mit M-Feder (Stahl)
Schreibproben von fünf Tintenkugelschreibern mit Pelikan 4001 königsblau, im Vergleich der Lamy Safari mit M-Feder (Stahl)
#20a.jpg (676.83 KiB) 770 mal betrachtet


Alle meine Tintenkugelschreiber schreiben recht angenehm leicht und flüssig in jeder Richtung, es gibt praktisch kein Feedback. Es kommt aber sehr auf die richtige Orientierung der Schreibspitze zum Papier an, ansonsten kommt es zu Aussetzern. Das passiert mir trotz einiger Übung immer wieder einmal. Die relativ feuchten Striche sind vergleichbar mit Federstärke M bis B. Eine Linienvariation ist bauartbedingt nicht zu erreichen, das Schriftbild wirkt damit bei längeren Texten etwas eintönig. Schon bei mäßigem Druck hinterlassen die Kugeln allerdings deutliche Spuren auf den untergelegten Blättern, sie sind damit zum Durchschreiben (mit Kohlepapier) geeignet - eine Eigenschaft, mit der immer wieder geworben wurde und die seinerzeit durchaus erwünscht war (entsprechend den Durchschreibfedern für die Buchhaltung).

Die Tintenkugelschreiber konnten sich ebensowenig auf dem Markt durchsetzen wie die Kugelschreiber ihrer Zeit. Die Grenzen der technischen Möglichkeiten und der Materialauswahl ließen keine dauerhaft befriedigende Lösung zu. Aber die Idee war nicht aus der Welt – im Jahr 1972 wurde der Tintenkugelschreiber noch einmal erfunden – mit dem Ball Pentel erschien der erste Tintenroller auf dem Markt. Seither gibt es sie in vielen Schreibserien in allen Preislagen auch renommierter Hersteller mit einer Auswahl an Tintenfarben und Strichbreiten. Die Modelle aus der Frühzeit sind weitgehend in Vergessenheit geraten und sorgen meist nur noch für Erstaunen und Verblüffung über „was es früher alles so gab“.
Viele Grüße
Fritz
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Pen-Tagon
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Re: Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von Pen-Tagon »

Danke Fritz, ich bin von Deinem "Vortrag" begeistert! 👍
Gruß
Knut
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pradella2
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Re: Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von pradella2 »

Großartig, sowohl die Bandbreite an Belegexemplaren als auch der gesamte Artikel! Vielen Dank!
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Andreas_Hannover
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Re: Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von Andreas_Hannover »

Klasse Fritz! Wir hatten uns ja schon einmal über die Kugeltinter unterhalten. Herzlichen Dank für Deinen Beitrag!
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vanni52
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Re: Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von vanni52 »

Was für ein toller Beitrag, herzlichen Dank dafür, Fritz.
LG
Heinrich
Nitschewo
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Re: Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von Nitschewo »

Danke für diese tollen Ausführungen! Bislang habe ich den Tintenkulis kaum Beachtung geschenkt, aber in Zukunft werde ich sie beim Flohmarktbesuch wohl mit anderen Augen sehen.
Viele Grüße

Bianka

"Blessed are the cheesemakers!" Monty Python
SpurAufPapier
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Re: Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von SpurAufPapier »

Faszinierend!
Grüße
Vikka

Das Leben ist zu kurz für schlechte Schreibgeräte
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Edelweissine
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Re: Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von Edelweissine »

Von genau solchen Beiträgen, die man gern immer wieder nachlesen kann, lebt unser Forum. Gern mehr davon!
Gruß,
Heike
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mondindianer
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Re: Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von mondindianer »

Hallo,
herzlichen Dank für die netten Rückmeldungen. Es freut mich, wenn das Thema auf Interesse stößt :)

In meinem Beitrag fehlt noch ein Bild der kompletten Tintenkugelschreiber. Das hole ich jetzt nach.
Tintenkugelschreiber (von oben): PAN, mit korrodiertem Clip; UHU Kugeltinter, 2. Generation; Montblanc-Simplo 444, verbesserte Version; Riepe GmbH Rollkuli, 2. Generation; Sphinx Rubidor; Roulette Diamant 55, mit fremder Kappe
Tintenkugelschreiber (von oben): PAN, mit korrodiertem Clip; UHU Kugeltinter, 2. Generation; Montblanc-Simplo 444, verbesserte Version; Riepe GmbH Rollkuli, 2. Generation; Sphinx Rubidor; Roulette Diamant 55, mit fremder Kappe
#3.jpg (618.91 KiB) 536 mal betrachtet
Tintenkugelschreiber, Ansicht der Schreibspitzen; Reihenfolge wie im vorigen Bild
Tintenkugelschreiber, Ansicht der Schreibspitzen; Reihenfolge wie im vorigen Bild
#3a.jpg (626.06 KiB) 536 mal betrachtet
Viele Grüße
Fritz
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Pelle13
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Re: Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von Pelle13 »

Lieber Fritz,

auch ich sage ganz herzlich danke für Deine ausführliche Betrachtung und den detailreichen Vergleich der verschiedenen Tintenkugelschreiber. Was für eine Arbeit, all diese Informationen, Patentschriften und Tintenkulis zusammenzutragen und dieses Wissen hier mit uns zu teilen - Respekt!
Mir war nicht klar, wie exakt diese Schreibgeräte geführt werden mussten, damit sie ohne Aussetzer und dauerhaft schrieben. Spannend finde ich auch das Material, aus dem die Kugel geformt wurde.
Den MB Simplo 444 durfte ich auf dem PenPort live bewundern und freue mich nun über die Hintergrundinfos und zeitliche Einordnung dieses eleganten Schreiberlings.

Danke nochmals,
Dagmar
Freude am Schauen und Begreifen ist die schönste Gabe der Natur. (Albert Einstein)
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Zollinger
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Re: Tintenkugelschreiber – Montblanc, Riepe, Sphinx, UHU

Beitrag von Zollinger »

Vielen Dank für den faszinierenden Bericht über Schreibgräte, welche bis jetzt unter meinem Radar geflogen sind.

Mit Kugelschreibern in Konkurrenz zu treten ist in der heutigen Zeit ein schwieriges Unterfangen. Könnte man sagen, dass Rotring mit dem Altro in den 1990'er Jahren noch einmal einen Versuch unternommen hat?

Der Altro ist ein Röhrchenschreiber (wie die Tintenkulis), dessen Schreibende als Kugel ausgebildet ist. Aber obwohl die Altro einwandfrei funktionieren, waren sie auch nicht erfolgreich.

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