Hallo zusammen,
also: ich hab bisher immer zurücktropfen lassen, weil mein erster Kolbenfüller ein neuer Pelikan war - und da war die entsprechende Anleitung dabei. Als Mensch mit zwanghaften Persönlichkeitsanteilen habe ich ungefragt die Anleitung befolgt.
Seit einigen Minuten sind nun die neugierigen Persönlichkeitsanteile geweckt - und die fragen nach einer Begründung.
Zunächst mal: die Versuchsreihe von @Norika mit ca. 1.500 bis etwas über 2.000 Versuchen, die statistisch wohl breit genug angelegt war, zeigt: es geht auch ohne Zurücktropfen. Inwieweit die Erfahrungen von @Tombstone hier statistisch verwertbar sind, ist fraglich - es fehlt die Angabe der Zahlengrundlage. Ich gehe aber davon aus, dass er es oft genug praktiziert hat, um eine sichere Aussage treffen zu können.
Die Anleitung zum Reform 1745 kommt ohne Zurücktropfen aus.
Die Idee, dass das Raustropfenlassen der Tinte einer Reinigung des Füllers dienen soll, kann man wohl getrost verwerfen. Wäre es nämlich wirklich so, dass man mit den fünf Tropfen Tinte auch nennenswerten Dreck aus dem Füller befördern würde, dann wäre es sehr dämlich, diesen Dreck zurück ins Tintenglas tropfen zu lassen, um beim nächsten Befüllen dann den gleichen Dreck wieder in den Füller zu ziehen. Sollte hier tatsächlich an Reinigung gedacht sein, müsste man die fünf Tropfen überall hin tropfen lassen - aber eben nicht zurück ins Glas.
Lesen bildet im Allgemeinen - in diesem Fall führt es aber zu großem Kopfschütteln. Neben der bebilderten, aber nicht beschrifteten (und deswegen nicht begründeten) Anleitung, die meinem M400 vor bald dreißig Jahren beilag, bietet Pelikan im Netz auch eine beschriftete Anleitung zum Befüllen der Füller. (
Dieser Anleitung geht übrigens unmittelbar eine Anleitung zum Reinigen voraus - was die These der Reinigung durch das Raustropfenlassen nochmals unwahrscheinlich macht.) Und sie enthält sogar eine Begründung - allerdings nicht beim Zurücktropfenlassen, sondern unmittelbar danach:
Abschließend halten Sie Ihren Füllhalter aufrecht, mit der Feder nach oben, und drehen Sie den Knopf noch etwas weiter nach rechts, um die restliche Luft aus dem Tintenbehälter zu entfernen.
Wenn ich das jetzt langsam zu verstehen versuche, dann erweist es sich als völliger Unsinn. Indem ich den Knopf nach rechts drehe, bewege ich den Kolben nach unten. Da die Feder sich in der Luft befindet,
entferne ich
keine Luft aus dem Tintenbehälter (
dazu müsste ich den Knpf nach links drehen und den Kolben damit nach oben bewegen), sondern
ziehe Luft
hinein.
Der eintretende Effekt dürfte von @agnoeo, @ichmeisterdustift und @fountainpen.de korrekt beschrieben sein:
indem ich die Luft durch den Tintenleiter in den Behälter ziehe, nehme ich "überflüssige" Tinte, die sich vom Eintauchen her noch dort befinden könnte, mit in den Behälter und habe einen "sauberen" Tintenleiter, der auf keinen Fall kleckst und/oder die Kappe beschmutzt. Das Zurücktropfenlassen der Tinte ist eine notwendige Vorbereitung für diese Aktion: in einen komplett mit Tinte gefüllten Behälter kann ich eben keine Luft einziehen.
Just my two cents
Jörg