Reisetintenfässer

Tintenvorrat unterwegs

Schon lange vor der Erfindung der Füllhalter hatten findige Menschen das Problem gelöst, dass auch auf Reisen Tinte zum Schreiben vorrätig sein musste. Zu diesem Zweck wurden Tintengläser so verpackt, dass sie unterwegs nicht so leicht zu Bruch gehen konnten.


Flasche 636 in polierter Holzhülse
Flasche 636
in polierter Holzhülse

Flasche 638 in polierter Aluminium-Hülse
Flasche 638
in polierter Aluminium-Hülse

Es gibt Beispiele von Holzkapseln, später aber in der Regel eher Metallkapseln - häufig Aluminium. Diese einfachen Konstruktionen waren für das Schreiben mit Feder sehr geeignet. Zur Befüllung eines Füllfederhalters benötigte man allerdings noch eine Pipette oder einen Füllheber, wie es in den Katalogen der Firma Pelikan heißt. Diese Pipette getrennt zu transportieren war umständlich und barg das Risiko der Verschmutzung der Umgebung. Deshalb wurde die Pipette erst in einer gemeinsamen Pappschachtel beigelegt - dann in den Verschluss integriert. Diese Gläser von Pelikan erhielten den Suffix "F" - für Füllheber.

Fülllasche 656
Füllflasche 656

Erst Ende der 20er Jahre ging die Entwicklung einen größeren Schritt weiter. In dieser Zeit tauchten Tinten-"Gläser" aus Hartgummi auf, die gleichzeitig die Füllfunktion übernehmen konnten. Dazu besaßen sie unter der dichtenden Schraubkappe eine Spritzdüse, die das Füllen eines Umsteck- oder Sicherheitshalter ohne weitere Hilfsmittel erlaubte. Damit musste der Nutzer nach dem Befüllen seines Halters sich keine Gedanken um den Transport der mit Tinte verschmutzen Pipette machen.

Fülllasche 660
Füllflasche 660
Fülllasche 672
Füllflasche 672

Interessanterweise hatte Pelikan 1929 - in dem Jahr, in dem Pelikan mit großem Erfolg den eigenen Pelikan Füllhalter in Form eines "Selbstfüllers" auf den Markt brachte - keine Reisetintengläser für Selbstfüller im Sortiment. Es dauerte bis 1934, bis Pelikan eine liegende Reiseflasche einführte, die in der Grundform dem Liegeglas 72S entsprach und aus einem besonders widerstandsfähigen Kunstharz gefertigt war. Parallel zur Liegeflasche wurde auch ein aufrecht stehendes Modell (660) eingeführt.

Kaweco-Flasche
Kaweco-Flasche

Alle diese Modelle hatten wiederum einen Nachteil, den der Pelikan-Füller schon 1929 beseitigt hatte: es gab keine Möglichkeit, den Füllstand der Reiseflasche von außen abzulesen. Dieses Problem behob die heidelberger Firma KAWECO mit dem Reisetintenfass No. 249, das aus schwarzem Kunstharz mit grün-durchsichtigen Seitenwänden bestand.

Nach dem zweiten Weltkrieg brachen für die Füllhalter-Industrie schwere Zeiten an, da der Kugelschreiber seinen Erfolgszug begann. Wo Reisetintengläser von jeher eher ein Nischenprodukt gewesen sein dürften, erscheint es unter diesen Umständen nicht verwunderlich, dass bei Pelikan nach dem Krieg das Sortiment ausgedünnt wurde und 1957 die letzte Reisetintenflasche (Modell 660) vom Markt genommen wurde.

Martin Lehmann
01/2010